Bezahlen Kunden am Straßenrand?
Landwirtschaft Überall im Wittelsbacher Land stehen zur Herbstzeit die Stände mit Obst und Gemüse. Das Geschäft basiert auf Vertrauen. Doch das wird oft missbraucht
Aichach-Friedberg Am Abend noch schnell ein paar Kartoffeln für die Suppe holen, am Sonntag ein paar Eier und Himbeeren für die Torte: Selbstbedienungsstände sind praktisch. Meistens werden sie täglich von den Landwirten beliefert und kennen im Gegensatz zum Supermarkt keine Öffnungszeiten. Doch wie ehrlich sind wir, wenn es niemanden gibt, der an der Kasse steht und unser Geld abzählt?
Nicht allzu sehr, scheint es, wenn man sich einen Fall in Kissing vor Augen führt: Eine 63-jährige Frau legte dort unlängst für zwei Schalen Himbeeren statt der gefragten sechs Euro nur 35 Cent in die Kasse. Das sind nicht einmal sechs Prozent des vollen Preises. Dabei hatte sie die Rechnung ohne die Inhaberin des Standes gemacht, deren Sohn die Frau auf frischer Tat ertappte und Anzeige erstattete. Für die Landwirtin Barbara Schmelcher ist es die erste Anzeige. Bisher beließ sie es bei Verwarnungen, wenn sie jemanden erwischte, der zu wenig oder gar kein Geld in die Kasse ihrer Stände in Kissing oder Mering warf. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, sich nie etwas ändern wird, wenn es keine Konsequenzen gibt. Es ist sowieso schon schwierig, davon zu leben.“Dass viele Leute nicht genügend bezahlen, beobachtet sie seit Jahren: „Als an einem Tag mehr als die Hälfte vom Geld gefehlt hat, haben wir mit stichprobenartigen Kontrollen angefangen.“Sie kann es sich nicht leisten, jemanden anzustellen, der sich rund um die Uhr um die Kasse kümmert. Besonders traurig stimmt sie, dass ihr Unverständnis entgegenschlägt, wenn sie die Personen mit der Tat konfrontiert: „Ich wurde teilweise beschimpft, mit dem Mittelfinger bedroht, und mir wurden die Himbeeren vor die Füße geworfen.“Man bezahle aber im Supermarkt auch den vollen Preis, nicht nur die Hälfte, argumentiert sie.
Auch Peter Gutmann vom Spargelhof Lohner aus Inchenhofen kennt das Problem, dass nicht alle Kunden zahlen. „Teilweise finden wir stattdessen alte Quittungen vom Supermarkt oder Marken von Einkaufswagen in der Kasse. So wollen die Leute anscheinend den Eindruck erwecken, dass sie bezahlt haben.“Er kann allerdings auch von positiven Fällen berichten: „Ab und zu rufen mich Kunden an, um Bescheid zu sagen, dass sie jetzt bezahlen, weil sie gestern kein Geld dabei hatten. Oder sie werfen einen Zettel mit Kontaktdaten ein, mit der Bitte ihnen eine Rechnung zu schicken.“
Schlechte Erfahrungen mit Selbstbedienungsfeldern hat auch Familie Lunz aus Obergriesbach gemacht. Sie verkaufen überall im Landkreis ihren Spargel und ihre Erdbeeren. Normalerweise sind alle Kassen an den Feldern mit Verkäufern besetzt. Im vergangenen Jahr hätten sie wegen Personalnot an einem Erdbeerfeld in Derching allerdings einen Selbstbedienungsverdass such gewagt, wie Tanja Lunz erzählt: „Das hat nicht gut funktioniert, etwa 70 Prozent der Erdbeeren wurden ohne Bezahlung mitgenommen.“In Zukunft werde es an ihren Feldern deshalb keine Selbstbedienung mehr geben. Die Familie setzt stattdessen künftig vermehrt auf Verkaufsautomaten, sagt Lunz, die hätten sich bewährt.
Marion Goldstein vom Goldsteinhof aus Friedberg kann dagegen bei ihren Selbstbedienungsfeldern vor allem von ehrlichen Kunden berichten. „Wenn, dann sind meist nur ein paar Cent zu wenig da.“Es sei jedoch schwierig, es genau nachzukontrollieren. Laut Friedbergs Polizeichef Alexander Wagenpfeil ist die schwere Nachweisbarkeit einer der Gründe, warum Betrug am Selbstbedienungsstand nur so selten angezeigt wird. Schmelchers Anzeige sei die erste dieses Jahr gewesen: „Ich denke, dass die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte, da Diebstahl geringwertiger Sachen, also beispielsweise von Obst und Gemüse, insgesamt nicht so häufig angezeigt wird.“Es sei aber gang und gäbe, auf dem Heimweg schnell stehen zu bleiben, um etwas vom Selbstbedienungsfeld mitzunehmen.