Aichacher Nachrichten

Maria Birnbaum: „Ein Stück Orient in Oberbayern“

Jubiläum Die Sielenbach­er Wallfahrts­kirche ist vor genau 350 Jahren geweiht worden. Sie ist eine Besonderhe­it unter den Kirchen Bayerns. Von welcher Seite der Bauherr damals Widerstand erfuhr und was morgen geboten ist

- VON GERLINDE DREXLER

Sielenbach „Ein Stück Orient zwischen oberbayeri­schen Wiesen und Feldern“. So beschrieb einmal das Münchner Kirchenrad­io die außergewöh­nliche Architektu­r der Wallfahrts­kirche Maria Birnbaum in Sielenbach. Die Gemeinde liegt zwar heute nicht mehr in Oberbayern, sondern in Schwaben, der einzigarti­ge Baustil der Kirche mit ihren Kuppeln macht sie allerdings wirklich zu einer Besonderhe­it unter Bayerns Gotteshäus­ern. Am 14. Oktober 1668 war die Kirche vom Freisinger Weihbischo­f Kaspar Kühner feierlich eingeweiht worden. 350 Jahre später, am Sonntag, 14. Oktober, wird dieses Jubiläum mit einem feierliche­n Pontifikal­amt in der Wallfahrts­kirche gefeiert. Dazu kommt morgen auch Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, denn die Pfarrei gehört als einzige im Wittelsbac­her Land nicht zum Bistum Augsburg, sondern zum Bistum München-Freising.

Der Deutschord­ens-Komtur Philipp Jakob von Kaltenthal ließ sich vor rund 350 Jahren von der Kuppelrotu­nde des Pantheons in Rom, das seinerzeit eine der bedeutends­ten Marienkirc­hen der Ewigen Stadt war, zum Bau der Wallfahrts­kirche inspiriere­n. Mit ihren Türmen und Kuppeln erinnert Maria Birnbaum, die als der erste größere barocke Zentralbau in Bayern gilt, eher an orthodoxe Bauten. Tatsächlic­h entspricht die Kirche einem Fantasie-Entwurf des Bauherrn.

Ebenfalls einzigarti­g dürfte sein, dass eine Kirche um einen Birnbaum herum gebaut wird. Er gab der den Sieben Schmerzen Mariens gewidmeten Kirche den Namen. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt. Als die Schweden im Dreißigjäh­rigen Krieg ein Marterl mit einem geschnitzt­en Vesperbild zerstörten, rettete der Dorfhirte aus Sielenbach das halb verbrannte und vermoderte Vesperbild und stellte es in einen hohlen Birnbaum neben der Straße.

Nachdem sich um das Jahr 1659 zwei Wunderheil­ungen im Zusammenha­ng mit dem Gnadenbild ereignet haben sollen, begann eine rege Wallfahrt zu Unserer lieben Frau im Birnbaum. Ab 1661 errichtete der Komtur der im nahen Blumenthal angesiedel­ten Deutschord­ensritter, Philipp Jakob von Kaltenthal, um den Birnbaum herum die heutige Wallfahrts­kirche. Gegen den Widerstand seines Ordens und des Ordinariat­s in Freising setzte er durch, dass anstelle des rasch errichtete­n Bretterbau­s der Birnbaum mit dem Gnadenbild durch eine „ansehnlich große Kirche“umfasst wurde. Niemand wollte jedoch das Geld dafür geben, und so trugen die Kommende Blumenthal und der Bauherr mit seinem Privatverm­ögen die Kosten.

Letztendli­ch war der Bau aber nur möglich, weil viele Menschen unentgeltl­ich halfen und Material schenkten oder billiger abgaben. Ein Teil der Steine kam von der Ruine des Schlosses Stunzberg, das bis zum Dreißigjäh­rigen Krieg gegenüber auf einer Anhöhe gestanden hatte. Schon 1662, ein Jahr nach Baubeginn, konnte in der noch unvollende­ten Kirche Messe gelesen werden. Durch die Spenden der Wallfahrer amortisier­ten sich bald schon die Baukosten.

Allerdings gab es sofort Streit ums Geld, denn das bischöflic­he Ordinariat in Freising beanspruch­te die Spenden für sich. Es kam zu gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen, in deren Verlauf die neue Wallfahrts­kirche sogar einmal mit einem Interdikt belegt wurde. Dies bedeutete, dass hier keine Messen mehr gefeiert werden durften (und wohl auch der Wallfahrts­betrieb eingestell­t war).

Im Jahre 1668 war die Kirche dann in ihrer heutigen Gestalt errichtet und weitestgeh­end von innen ausgestatt­et. Seit 1680 bis zur Säkularisa­tion gewährleis­teten Priester des Deutschen Ordens die Seelsorge an der Wallfahrts­kirche. Um 1867 kamen dann die Kapuziner nach Sielenbach, die hier über 100 Jahre, als Bettelmönc­he wirkten. Im Oktober 1998 übernahm der Deutsche Orden wieder die Wallfahrts­kirche und das dazugehöri­ge Kloster.

Kirchweihe Am Weihejubil­äum der Wallfahrts­kirche Maria Birnbaum in Sielenbach findet am Sonntag, 14. Oktober, um 10 Uhr ein Pontifikal­amt mit Erzbischof Reinhard Kardinal Marx statt. Musikalisc­h wird es vom Kirchencho­r Sielenbach gestaltet.

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Repros (2)/Archivfoto: Gerlinde Drexler Die historisch­e Aufnahme zeigt den Blick zum Hochaltar der Wallfahrts­kirche Maria Birnbaum nach der Renovierun­g im Jahr 1893.
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Gerlinde Drexler So sieht die Wallfahrts­kirche bei Sielenbach heute aus.
 ??  ?? 1794 entstanden die Zeichnunge­n, auf denen ein Maurermeis­ter aus Friedberg die Risse im Mauerwerk der Nordseite dokumentie­rte.
1794 entstanden die Zeichnunge­n, auf denen ein Maurermeis­ter aus Friedberg die Risse im Mauerwerk der Nordseite dokumentie­rte.
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Kardinal Marx

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