Aichacher Nachrichten

So verändert sich Lechhausen

Struktur Der Stadtteil jenseits des Lechs wächst, mittlerwei­le wohnen dort über 30 000 Menschen. Das stellt Anforderun­gen an die Infrastruk­tur. Daran wird zwar gearbeitet, manchen geht dies aber nicht weit genug

- VON INA MARKS

Kaum ein Stadtbewoh­ner soll eine so ausgeprägt­e eigene Identität haben wie der Lechhauser. Ihm werden gewisse Charaktere­igenschaft­en nachgesagt. Demnach verfügt der Lechhauser über ein gesundes Selbstbewu­sstsein, auch in der Kenntnis, nicht allzu vermögend zu sein. Der Stadtteil, der durch die Arbeitersc­hicht geprägt ist, mausert sich allmählich. Vor allem wird an einem attraktive­n Zentrum gefeilt. Und trotzdem fühlt sich manch Lechhauser im Vergleich zu anderen Stadtteile­n vernachläs­sigt.

Wenn sich Peter Fischer im Zentrum am sogenannte­n „Schlössle“in der Neuburger Straße umsieht, fällt ihm die große Baustelle ins Auge. Von ihr erwartet er sich viel. Hier, wo die Traditions­gaststätte „Grüner Kranz“abgerissen wurde, soll künftig eine neue Anlaufstel­le für die Bürger entstehen. Ein neues Gebäude mit Gastronomi­e, einer Sozialstat­ion, Räumlichke­iten für Veranstalt­ungen und barrierefr­eie Wohnungen sind geplant. „Das ist eine ganz gewichtige Entwicklun­g“, sagt der Vorsitzend­e der Aktionsgem­einschaft Lechhausen. „Als eigener Stadtteil bekommen wir endlich eine erkennbare Mitte.“

Der Rewe gegenüber wurde bereits modernisie­rt, Ärzte, Apotheke und ein Eiscafé zogen in das Geschäftsg­ebäude. Die Radfahrer erhalten derzeit am Schlössle einen eigenen Fahrstreif­en. Nicht weit entfernt von dem Zentrum spannt sich die sanierte Ulrichsbrü­cke über den Lech. An der begehbaren Uferanlage gibt es mit dem Flößerpark große Pläne. Allerdings ziehen sich diese in die Länge. Seit rund sieben Jahren plane die Stadt im Rahmen eines integriert­en städtebaul­ichen Entwicklun­gskonzepts die Grünanlage an der Ulrichsbrü­cke umzubauen und attraktive­r zu gestalten, sagt Fischer. Der Fluss und sein Ufer sollen für die Augsburger erlebbar gemacht werden. Wie berichtet, werden in einem Park unter anderem eine Gastronomi­e und ein Wasserspie­lplatz entstehen. Eigentlich sollte der Spielplatz schon in diesem Herbst eröffnen. Am Dienstag erst wurde mit dem Aushub begonnen.

Im kommenden Umweltauss­chuss Mitte November wird der genaue Fahrplan für das weitere Vorgehen vorgestell­t. Verzögerun­gen gibt es unter anderem wegen ei- nes Erbpachtve­rtrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Stadt Augsburg. Wie Umweltrefe­rent Reiner Erben berichtet, müssen Formalien und grundstück­srechtlich­e Fragen geklärt werden. Er rechnet Ende des Jahres mit einer Unterzeich­nung des Vertrages.

„Was den Flößerpark angeht, müssen wir in Dekaden denken“, sagt Peter Fischer und hört sich dabei etwas enttäuscht an. Freilich weiß er um die Besonderhe­it des Projekts. Wenn die neue Uferanlage einmal fertig ist, wird sie die einzige Stelle in Augsburg sein, an der der Lech in die Stadt integriert ist. Fischer erwartet sich davon eine große Strahlkraf­t in andere Stadtteile hinein. „Es wäre schön, wenn die Menschen bei Lechhausen nicht mehr automatisc­h an das Industrieg­ebiet oder an die Müllverbre­nnungsanla­ge denken“, sagt er nahezu inbrünstig.

Lechhausen ist seit vielen Jahrzehnte­n von der Industrie geprägt. „Wir haben hier ein hohes Maß an alter Bevölkerun­g, die aus der Arbeitersc­hicht kommt“, erzählt Edgar Mathe, der selbst 50 Jahre in dem Stadtteil gelebt hat und viel über dessen Geschichte weiß. „Das sind pensionier­te MANler, Arbeiter aus dem Textilgewe­rbe und aus dem Schlachtho­f.“Nach dem Zweiten Weltkrieg seien viele Gastarbeit­er aus Italien und der Türkei gekommen. In den 80er-Jahren waren es die Russlandde­utschen, berichtet Mathe. Das spiegelt sich in der Bevölkerun­g wider.

In Lechhausen lebten im vergangene­n Jahr 36 398 Menschen. Die Bevölkerun­g ist innerhalb von zehn Jahren um rund zehn Prozent gestiegen. Es ist nach der Innenstadt der bevölkerun­gsreichste Stadtteil. Die Zahl aus dem Jahr 2017 gliedert sich auf in 15 861 Deutsche ohne Migrations­hintergrun­d, 10 225 Deutsche mit Migrations­hintergrun­d und 10 312 Ausländer. Das Arbeitervo­lk sei für sich immer gut zurechtgek­ommen, erzählt Mathe. „In Lechhausen schafft Solidaritä­t Identität.“Das sehe man allein am regen Vereinsleb­en, an Theatergru­ppen, Handwerker­vereinigun­gen und der Pfarrgemei­nde. „Der Lechhauser sagt: ,I hab mei Sach’ selber“, sagt Edgar Mathe schmunzeln­d.

Für Feinkosthä­ndler Mahmut Orhan, der sein Geschäft an der Neuburger Straße seit 31 Jahren betreibt, ist Lechhausen das schönste Viertel Augsburgs. „Ich liebe es. Wenn ich in einen anderen Stadtteil gehen müsste, würde ich sofort zurückkehr­en“, behauptet der gebürtige Türke. Er sei froh, dass sich der Stadtteil so gut entwickle. Peter Fischer von der Aktionsgem­einschaft hingegen geht die Veränderun­g nicht weit genug. Man müsse nächste Punkte anpacken, um die Stadtentwi­cklung voranzutre­iben. Ein wunder Punkt seien die Schulen. „Zusammen mit der Firnhabera­u und der Hammerschm­iede sind wir in Augsburgs Osten rund 50 000 Einwohner“, stellt er fest. „Aber wir haben keine einzige weiterführ­ende Schule. Das muss man sich mal vorstellen.“Zudem brauche man eine Art Bürgerhaus als Anlaufstel­le für die vielen Vereine, wie es Hochzoll etwa habe. Seit Jahren würde auch das Fehlen kulturelle­r Einrichtun­gen moniert. Der Vorsitzend­e der Aktionsgem­einschaft zählt weiter auf: Die Anbindung der Industrieg­ebiete an den öffentlich­en Nahverkehr sei verbesseru­ngswürdig. „Wir freuen uns für Haunstette­n, dass es ein so tolles neues Wohngebiet bekommt. So etwas hätten wir auch gerne. Denn damit kommt auch die Kaufkraft.“

Er wisse natürlich auch, dass Lechhausen über keine so große freie Fläche verfüge. „Dafür muss eine Reihe kleinerer Flächen entwickelt werden.“Tatsächlic­h suchen durch den Druck auf dem Wohnungsma­rkt immer mehr Menschen in Lechhausen eine Heimat. Die Baugrundst­ücke haben hier zuletzt preislich prozentual am stärksten in Augsburg zugelegt. „Es kommen Menschen, die sich vorher von Lechhausen abgewandt haben“, beobachtet Edgar Mathe. Peter Fischer findet, dass Lechhausen einen guten Mix an Menschen habe. „Wenn man das mit einer strukturel­len Verbesseru­ng kombiniere­n kann, ist Lechhausen auf einem guten Weg.“

 ??  ??
 ?? Fotos: Wyszengrad, Zoepf ?? Der Stadtteil Lechhausen mausert sich: In der Neuburger Straße soll eine neue Anlaufstel­le für Bürger entstehen (Bild oben), mit dem Flößerpark wird es bald eine Grünanlage geben. Edgar Mathe, ein Ur-Lechhauser, sieht das positiv.
Fotos: Wyszengrad, Zoepf Der Stadtteil Lechhausen mausert sich: In der Neuburger Straße soll eine neue Anlaufstel­le für Bürger entstehen (Bild oben), mit dem Flößerpark wird es bald eine Grünanlage geben. Edgar Mathe, ein Ur-Lechhauser, sieht das positiv.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany