Großes Theater
FC Bayern Uli Hoeneß möchte langsam seinen Abschied vorbereiten. Da kommt die momentane vielschichtige Krise zur Unzeit. Der Präsident ist wieder als Macher gefragt. Zum letzten Mal?
München Sie haben es ja wirklich lange Zeit versucht. Nein, das große Drama sollte es diese Saison nicht geben. Kein öffentlich zur Schau gestelltes Theaterstück. Aber dann, ja mei, was soll man schon machen, wenn immer und immer wieder Unwahrheiten verbreitet werden? Da wird man sich ja schon mal wehren dürfen. Mia san mia. Soll ja mehr sein als der Aufdruck auf Tassen, Trikots, Brotzeitdosen – all dem Zeug, von dem Uli Hoeneß schon vor 40 Jahren wusste, dass sich damit Geld verdienen lässt. Also die volle Ladung. Artikel 1 des Grundgesetzes, Journalisten als „Schlaumeier“abkanzeln, Angriff.
Als Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge im Pressestüberl des FC Bayern mit apodiktischer Bestimmtheit die Medien der kollektiven Lügenverbreitung bezichtigten, war das einer jener Auftritte, die sich der Präsident vor der Saison eigentlich selbst untersagt hatte. Hoeneß wollte es ruhiger angehen lassen, sich langsam, ganz langsam auf seinen Abschied vom FC Bayern vorbereiten. Der Mann ist 66 Jahre alt, stieg 1979 als 27-Jähriger ins Management der Münchner ein. Ein Leben für den Klub.
Ihre bemerkenswerte Pressekonferenz hielten die Bosse vor rund einem Monat. Ruhiger geworden ist es seitdem aber nicht in Deutschlands gewichtigstem Verein. Im Gegenteil. Das wiederum hat nur am Rande etwas mit Hoeneß zu tun. Natürlich hat der in aller Öffentlichkeit seinen Trainer Niko Kovac angezählt. Man werde sich nach dem Spiel am heutigen Dienstag gegen Benfica Lissabon (21 Uhr, Sky) allerhand Gedanken machen, kündigte Hoeneß nach dem reichlich unbefriedigenden 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf an. Hauptsächlich werden die Gedanken darum kreisen, ob es Kovac noch zuzutrauen ist, eine verunsicherte, strukturlose Mannschaft aus dem Tief zu führen. Die letzten Auftritte als Referenz nehmend, müsste die Antwort lauten: Nein. Aber was dann? Arsène Wenger verpflichten? Einen 69-Jährigen, der seine letzte Meis- terschaft 2004 gewann? Jupp Heynckes war 2011 ein Trainer mit ähnlicher Geschichte – zwei Jahre später gewann er die Champions League. Oder Ralph Hasenhüttl? Zinédine Zidane? Mehmet Scholl?
Mit den vergangenen beiden Trainern, die perspektivisch verpflichtet wurden, hatten die Bayern wenig Glück. Carlo Ancelotti verlor das Vertrauen der Spieler nach etwas über einem Jahr, Kovac stand bislang zwölf Bundesligaspiele an der Außenlinie. Das Scheitern Ancelottis konnte der einspringende Heynckes noch zu einem guten Ende für die Münchner führen. Die Münchner haben es in ihrer Geschichte schon häufig geschafft, personelle Irrtümer ohne allzu große Schäden zu überstehen. Sören Lerby, Erich Ribbeck oder Jürgen Klinsmann konnten den Aufstieg des FC Bayern zum dominierenden Team Deutschlands nicht aufhalten.
Scheitert nun aber Kovac, sollte die nächste Verpflichtung doch bitte passen. Dabei geht es Hoeneß gar nicht mal um den nächsten Titel. Unlängst hatte er angekündigt, in zwei bis drei Jahren von seinen Ämtern als Präsident und Aufsichtsratschef zu lassen. Der Nachlass will geordnet werden.
Neben der Trainerposition spielen auch der Sportdirektor und die Mannschaft eine Rolle. Auf sämtlichen Ebenen geben die Münchner derzeit ein schlechtes Bild ab. Auch deshalb sagte Hoeneß nach der Partie gegen Düsseldorf: „Ich habe gedacht, die Welt geht unter.“Hoeneß hat als einziger von vier Insassen einen Flugzeugabsturz überlebt. Er bekam Morddrohungen, nachdem er Christoph Daum bezichtigte, Kokain zu schnupfen. Er saß wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Ein 3:3 gegen Düsseldorf aber ist der Weltuntergang. Hoeneß ist nicht nur Präsident des FC Bayern, er ist dessen größter Fan. Er ist Macher und Anhänger. Er ist der FC Bayern. Der Klub ohne Hoeneß: kaum vorzustellen. So geht es ihm auch selbst.
Und wenn er schon aus dem operativen Geschäft scheidet, dann doch bitte so, dass der Nachfolger nicht viel verkehrt machen kann. Bis dahin aber: Ribéry und Robben einen altersgerechten Abschied bescheren. Hasan Salihamidzic als Sportdirektor zu mehr Format verhelfen – oder wegkomplimentieren. Als erstes aber die lästige Geschichte mit Kovac. Dieses ganze Theater. Braucht’s des? Ja. Weil, so ganz ohne – also fad wär’s halt schon auch.