Die Kraft der Visionärin
Ein starkes Orgelwerk über Jeanne d’Arc
Im Laufe von sechs Jahrhunderten inspirierte Jeanne d’Arc als Jungfrau von Orleans Künstler, Musiker, Literaten zu vielfältigen Kunstwerken. Viele sind heute noch en vogue, andere wiederum gilt es, neu zu entdecken wie den Baron Fernand de La Tombelle (1854-1928), dessen d’Arc-Orgelsuite Walter Freyn erstmals in Augsburg zu Gehör brachte.
Es war ein außergewöhnliches Werk in einer maßgebenden Interpretation. D’Arcs Schicksalsweg war als Programm-Musik in Episoden offengelegt und von La Tombelle als Saint-Saens-Schüler vif kompositorisch entwickelt wie feingeistig musikalisch durchdrungen. Domremy, Jeanne d’Arcs Heimat, klang unter Freyn als Oboen-Flöten-Idyll auf, während der anschließende Ritt von Chinon nach Orleans nicht zur Kavalkade geriet, sondern vom Rhythmus einer Loure fein gezeichnet wurde. Die Krönung zu Reims entfaltete Trompetenglanz, schritt festlich aus, gewann zusehends Hauptwerk-Ausstrahlung. Passioniert fing Freyn das Gefängnisfluidum über chromatisch verlaufende Harmonien ein, während der Gang zum Scheiterhaufen zum erhabenen Mollschritt geriet.
Verblüffen sollten jedoch Jeannes Visionen und Stimmen, die diesen Handlungsablauf wiederholt brachen: richtungsweisend für d’Arcs Sendungsbewusstsein und zugleich ein Kraftquell, der musikalische Freiräume öffnete. Klanglicher Ätherstoff lag in der Luft, hoch vom Altarraum aus ließ feintimbriert wie aus anderer Welt die Fernorgel aufhorchen. Auch jetzt bestach die vortreffliche Registrierung von Freyn in enger Abstimmung mit Tonmeister Janson: Vox humana, Tremulant und Flautino führten so zu faszinierenden Sphärenklängen. Wurde zuerst die Erscheinung des hl. Michaels zum helllichten Reflex, so bewegte sich die „Danksagung“schwerelos als spiritueller Reigen. Hoch oben klangen kristallin die Schwebeklänge der „Stimmen“auf, während zuletzt Jeanne d’Arc in einer himmlischen Verklärung als Quintessenz überirdische Orgelzüge gewann. Über Beamer auf eine Leinwand projiziert, konnte das Publikum mitverfolgen, wie souverän Freyn die Orgel beherrschte.