Wer hat den Dachschaden verursacht?
Justiz Ein Prozess dreht sich um die Frage, ob ein Handwerker absichtlich Fehler machte – um zu kassieren
Kleine Ursache, große Wirkung: Das zeigt ein Verfahren, das jetzt vor dem Amtsgericht begonnen hat. Es geht um einen Dachschaden an einem Haus in Haunstetten. Den soll ein Handwerker absichtlich angerichtet haben, um so Zusatzeinnahmen für sich zu verursachen. Bereits nach der Einvernahme der geschädigten Zeugin war für Richter Thomas Müller-Froelich klar: Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, es braucht noch Nachermittlungen.
Im Sommer 2016 war eine Dachbaufirma in Haunstetten mit Sanierungsarbeiten beschäftigt. Mitarbeiter liefen die Nachbarschaft ab und fragten bei den Hausbesitzern nach, ob dort nicht auch etwas am Dach zu tun sei. Ja, sagte eine 62-jährige Kosmetikerin, ihre Dachrinne könne von der Firma gereinigt werden, weil sie selbst dort nicht rankomme.
Einige Zeit später erschienen zwei (oder drei, die Zahl ist strittig) Handwerker und machten sich an die Arbeit. Der 46-jährige Angeklagte aus Altomünster (Landkreis Dachau) beschrieb gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Christian Fröha, was er und ein Kollege auf dem Dach getan hätten. Er schilderte auch, wie er laut Absprache mit der Hauseigentümerin zusätzlich zur Dachrinnenreinigung auch Fenster und Kamine auf Reparaturbedarf hin überprüft habe.
Nachdem er an einer Luke einige Dachziegel beiseitegeschoben habe, sei er auf eine untypische Ausbesserungsstelle gestoßen: eine Bitumenbahn unter den Ziegeln an der Luke. In dieser Bahn habe sich ein Kreuzschnitt befunden. Das sei nicht unüblich, weil sich Fachleute anhand solcher Schnitte einen Einblick über die Situation unter Planen verschafften, sie würden den Schnitt aber danach verkleben. Nein, er selbst habe diesen Schnitt nicht angebracht, so der 46-Jährige auf Nachfrage des Richters. Er führe üblicherweise kein dafür nötiges Hakenmesser mit sich.
Um die Hausbesitzerin zu informieren, habe man sie herbeigerufen. So habe sich die Frau durch einen Blick aus der Dachluke zumindest einen seitlichen Eindruck von der Schadstelle machen können. Wie besprochen, habe er der Frau eine handschriftliche Zusammenstellung von aus seiner Sicht nötigen Sanierungsarbeiten an mehreren Stellen übergeben. Die Netto-Kosten bezifferte er auf rund 4400 Euro. Danach sei von der 62-Jährigen nichts mehr zu hören gewesen, erst wieder, als die Polizei in ihrem Namen auftauchte, um eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und Betrugs zu bearbeiten.
Die Hausbesitzerin bestätigte vor Gericht generell das Vorgehen, sie habe sich aber teilweise von den Dacharbeitern überrumpelt gefühlt. Die Kostenzusammenstellung von 4400 Euro habe sie sehr überrascht, nachdem erst wenige Jahre vorher das Dachgeschoss des Hauses ausgebaut worden sei. Sie habe daraufhin einen befreundeten Architekten zurate gezogen. Von einer anderen Dachbaufirma habe man den Sachschaden durch den Schnitt schätzen lassen, 1100 Euro wurden genannt. Der Architekt habe die Schadstelle provisorisch ausgebessert, nachdem er die Mängel zunächst fotografierte. Schließlich habe sie Anzeige gegen den Handwerker erstattet.
Nachdem sich kurzfristig der mutmaßliche zweite Mann auf dem Dach als Zeuge beim Gericht abmeldete, weil ihm sein Zug davongefahren sei, stand für Richter MüllerFroelich fest, dass man nicht um einen weiteren Verhandlungstermin herumkommen würde. Das Verfahren wurde bis dahin ausgesetzt. Erst dann nach Nachermittlungen wird feststehen, ob der Angeklagte sich der Sachbeschädigung und des versuchten Betrugs schuldig gemacht hat.
Parallel zu diesem Verfahren vor dem Strafgericht streiten die Parteien auch zivilrechtlich. Dabei muss herausgefunden werden, wer wem was für welche Arbeiten und welchen Schaden zu bezahlen hat. Eine komplizierte Angelegenheit also.