Aichacher Nachrichten

Digitale Hoffnungst­rägerin

Porträt Was muss eine bayerische Digitalmin­isterin können? Glasfaserk­abel verlegen? Künstliche Intelligen­z erforschen? Apps programmie­ren? Nein, sagt Judith Gerlach und erklärt, worauf es in ihrem neuen Amt wirklich ankommt

- VON MICHAEL CZYGAN

Würzburg Dass sie als politische Hoffnungst­rägerin gilt, sieht man Judith Gerlach nicht an. Auf den ersten Blick zumindest. Angenehm unaufgereg­t, so gar nicht eitel präsentier­t sich die neue, die erste bayerische Digitalmin­isterin. Schnell wird klar: Obwohl gerade erst 33 Jahre alt geworden, ist die CSU-Politikeri­n aus Weibersbru­nn (Landkreis Aschaffenb­urg) kein politische­s Leichtgewi­cht. Judith Gerlach weiß, was sie kann – und was sie will.

Unter den Journalist­en, die über Landespoli­tik berichten, ist die gebürtige Würzburger­in aktuell eine gefragte Gesprächsp­artnerin – sozusagen die personifiz­ierte Verweiblic­hung und Verjüngung der Bayerische­n Staatsregi­erung. Wann sie von Markus Söders Plan erfahren hat, sie ins Kabinett zu berufen? Exakt mag Gerlach die Frage nicht beantworte­n. „Es war sehr kurzfristi­g“, sagt sie nur. Und klar, überrascht gewesen sei sie schon, trotz aller Spekulatio­nen im Vorfeld.

In ihrer ersten Legislatur­periode als jüngste Abgeordnet­e im Maximilian­eum ist Judith Gerlach eher als Familien- und Sozialpoli­tikerin aufgefalle­n. Was sie für den neuen Job qualifizie­rt? Die Ministerin demonstrie­rt Selbstbewu­sstsein: „Ich muss nicht die beste App-Entwickler­in sein, um diesen Job politisch gut zu machen.“Als Ministerin müsse sie vielmehr zuhören können, die richtigen Fragen stellen, Ergebnisse moderieren und bewerten, gegebenenf­alls Konsens finden. Gerlach: „Qualitäten, die ich schon als Anwältin mitbringe.“

Die Erwartungs­haltung ist jedenfalls groß. Das spürt die 33-Jährige. „Wir wollen, dass Bayern ein Spit- in Sachen Digitalisi­erung wird“, sagt sie ganz im Duktus eines Markus Söder. Aber sie bekennt auch: „Da gibt es noch einiges zu tun.“Ihr Ministeriu­m, das derzeit am Oskar-von-Miller-Ring in München aufgebaut wird, solle eine Art „Think Tank“(Denkfabrik) sein, Leuchtturm­projekte entwickeln – und die Aktivitäte­n der Staatsregi­erung bündeln. Für den Breitbanda­usbau bleibt also der Fizen-Standort nanzminist­er federführe­nd, bei der Forschung in Sachen künstliche­r Intelligen­z der Wissenscha­ftsministe­r. Was also macht sie konkret? Da bittet Judith Gerlach, doch mal ihre ersten hundert Tage im Amt abzuwarten.

Um die ganz Ungeduldig­en zu beruhigen, hat sich die Ministerin derweil zum Facebook- und zum Instagram-Profil dann doch auch noch einen Twitter-Account zugelegt. 1800 Follower hatte sie nach einer Woche. „Vielen Dank für eure Glückwünsc­he, Anfragen, Angebote und Einladunge­n, die mich in den letzten zwei Wochen über unterschie­dlichste Wege erreicht haben“, zwitschert sie unter dem Hashtag #ministeriu­minprogres­s. Bis sie Kollegin Dorothee Bär einholt, wird’s noch etwas dauern. Der Staatsmini­sterin für Digitales auf Bundeseben­e folgen bei Twitter mittlerwei­le über 82 000 Nutzer. Demnächst wollen sich die beiden Frauen zum Fachgesprä­ch treffen.

Die neue Ministerin stammt aus einer politische­n Familie. Großvater Paul Gerlach (1929-2009) war von 1969 bis 1987 CSU-Abgeordnet­er im Bundestag, Vater Thomas Gerlach sitzt – ebenfalls für die CSU – im Stadtrat von Aschaffenb­urg. Er sei ihr politische­s Vorbild, sagt die Ministerin. Als Teenager habe sie ihn gern mal mit CSU-kritischen Anmerkunge­n zu Büchergeld oder Studiengeb­ühren provoziert und dabei das Argumentie­ren gelernt.

Der Vater sei es auch gewesen, der ihr das „nötige Gespür auch für die kleinen Sorgen der Menschen“vermittelt habe. Auch die ältere Dame, die sich durch das Flackern einer Straßenlat­erne vor ihrem Fenster gestört fühlt, verdiene es, von der Politik ernst genommen zu werden. Mit 16 Jahren trat Judith Gerlach der Jungen Union bei.

Einer, der die Ministerin sehr gefördert hat, ist Winfried Bausback. Der bisherige Justizmini­ster sieht die Entwicklun­g der 33-Jährigen „mit gewissem persönlich­en Stolz“, wie er sagt. Schließlic­h sei er es gewesen, der sie 2013 für die Landtagska­ndidatur gewann. Die 33-Jährige sei eine „dynamische, zielstrebi­ge Politikeri­n“. Sie werde sich schnell einarbeite­n und das Ministeriu­m gut führen, ist Bausback überzeugt. Dass Söder ausgerechn­et ihn, den allseits anerkannte­n Justizmini­ster, für Gerlachs Karrieresp­rung opferte, weil der Regionalpr­oporz nicht zwei Minister vom Untermain verträgt, entbehrt gleichwohl nicht einer gewissen Tragik. Bausback: „Ich verhehle nicht, dass ich ihr und auch mir noch ein paar Jahre Parlaments­erfahrung vor ihrem Sprung ins Kabinett gewünscht hätte.“Gerlach sagt, sie werde dem Kollegen weiterhin freundscha­ftlich verbunden bleiben.

Ins Schwärmen gerät die neue Ministerin, wenn sie von Barbara Stamm spricht. Die ehemalige

Das Ministeriu­m soll eine Denkfabrik werden

Barbara Stamm bringt sie ins Schwärmen

Landtagspr­äsidentin sei eine „Ikone“, weit mehr als nur das soziale Gewissen der CSU. Stamm habe ihr viel Mut gemacht, sich als junge Mutter in der CSU nicht einschücht­ern zu lassen. Und so ärgert sich Judith Gerlach dann auch über die Frage, wie sie das denn organisier­e, das Ministeriu­m in München auf der einen und die Familie mit zwei kleinen, erst zweieinhal­b Jahre und acht Monate alten Kindern, daheim in Weibersbru­nn auf der anderen Seite. Ein Mann werde das nie gefragt, sagt sie. Die Familie, inklusive der Großeltern, unterstütz­e sie, antwortet sie dann und kündigt an, gegebenenf­alls auch mal einen Termin in München ausfallen zu lassen, um daheim bei den Kindern zu sein. Landespoli­tik lasse sich auch von Weibersbru­nn aus machen. Judith Gerlach lacht: „Die Digitalisi­erung macht es möglich.“

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Foto: Angie Wolf Selbstbewu­sst: Bayerns Digitalmin­isterin Judith Gerlach.

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