Der Koloss wankt
#MeToo Die Missbrauchsvorwürfe gegen den Musiker R. Kelly werden immer lauter
Chicago 50 Millionen verkaufte Alben, drei Grammys und Auszeichnungen als erfolgreichster R&B-Künstler der vergangenen 25 Jahre: Geht es nach seinen musikalischen Leistungen, ist Sänger R. Kelly ein Koloss. Mit seinem Hit „Bump n’ Grind“kitzelte er bei Erwachsenen das Verlangen nach körperlicher Nähe hervor, mit „I Believe I Can Fly“regte er Kinder und Jugendliche zum Träumen an. Aber der Koloss wankt.
Zahlreiche Frauen werfen dem 51-Jährigen vor, sie sexuell oder emotional missbraucht zu haben, teils schon im Teenager-Alter. Staatsanwälte in Chicago und Atlanta befassen sich nun mit den Vorwürfen. Kelly hat diese mehrfach entschieden abgestritten und wirft seinen Kritikern eine RufmordKampagne vor.
25 Jahre reichen die Anschuldigungen, Skandale und Gerichtsverfahren zurück. Sie beginnen 1994 mit Kellys fragwürdiger Ehe mit der damals 15 Jahre alten Sängerin Aaliyah (die Ehe wurde annulliert). Ein Jahr später soll er eine Beziehung mit der damals 17 Jahre alten Lizzette Martinez begonnen haben. Kelly habe damals kontrolliert, wie sie sich kleidet, wie sie spricht und mit wem sie befreundet ist.
Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre folgen der Website „Vox“zufolge mindestens vier Gerichtsverfahren wegen Sex mit jugendlichen Mädchen (sie werden außergerichtlich beigelegt).
Zudem tauchen zwei Videos auf, die Kelly beim Sex mit sehr jungen Frauen zeigen sollen. Aber in einem Prozess wegen Kinderpornografie wird er 2008 für nicht schuldig befunden.
Fast ein Jahrzehnt bleibt es ruhig um den Sänger aus Chicago. Er veröffentlicht Alben, tritt bei Festivals auf. Aber dann katapultiert ihn ein Bericht über einen mutmaßlichen „Sex-Kult“im Sommer 2017 wieder in die Schlagzeilen: Er soll junge Frauen in mehreren Anwesen im Land festhalten, die ihn angeblich selbst für den Gang zur Toilette um Erlaubnis bitten müssen, und sie zum Sex zwingen. Zwei Frauen stützen später Details des Berichts. Kelly spricht von Verleumdung und kündigt rechtliche Schritte an.
Johannes Schmitt-Tegge, dpa