40 Tonnen – und keine Winterreifen
In der Nacht auf Donnerstag fielen in Augsburg knapp 20 Zentimeter Schnee. Das bringt manchen Verkehrsteilnehmer in Bedrängnis. An der Autobahn-Raststätte erzählen Lkw-Fahrer Erstaunliches
Es schneit und schneit und schneit und viele haben Mühe mit diesem Wintereinbruch. Die einen klagen, dass sie mehrmals täglich schippen müssen, der städtische Winterdienst ist im Dauereinsatz und mancher Radler steigt gerade lieber auf den öffentlichen Nahverkehr um.
Auch an der Autobahn-Raststätte Augsburg-Ost merkt man den Wintereinbruch seit Mittwoch deutlich: Es ist nämlich außergewöhnlich wenig los. „Bei dem Wetter will niemand anhalten“, weiß eine Kaffeeverkäuferin aus Erfahrung. Dafür stehen viele Lastwagen auf dem Parkplatz.
In den meisten ist niemand zu sehen. Die Vorhänge in den Kabinen sind zugezogen, einige Fahrer schlafen am Donnerstagvormittag offenbar noch. Ein 35-jähriger Lkw-Fahrer aus Polen hatte die Nacht auf dem Messeparkplatz in München erzählt er. In Augsburg macht er jetzt eine kurze Pause. „Heute Morgen habe ich eine Stunde gebraucht, um vom Messe-Parkplatz herunterzukommen. Viele Lkw vor mir hingen immer wieder fest.“Eine Erklärung hat er auch gleich parat. „Die meisten Lkw fahren nicht mit Winterreifen.“Wie bitte? „Doch, das ist so“, sagt er. „Bei uns in Polen kostet ein LkwWinterreifen 300 Euro. Wenn eine Firma mehrere Lastkraftwagen hat, würde das für sie zu teuer werden. Sie sparen an den Reifen.“
Der Mann zuckt mit den Achseln. Auch er sei gerade mit seinem 40-Tonner inklusive Ladung mit Sommerreifen unterwegs, was soll er machen. „Ich fahre seit 2006 durch ganz Europa und habe noch nie einen Unfall gebaut“, fügt er hinzu. „Bei so einem Wetter fahre ich langsamer und halte viel mehr Abstand. Der Mann, der weder seinen Namen noch den der Firma ver- raten will, muss jetzt weiter. 630 Kilometer hat er am Donnerstag noch vor sich, bis kurz hinter Osnabrück. „Ich schätze, das werden zehn Stunden Fahrt“, sagt er und lässt den Dieselmotor an.
Der Kollege ein paar Parkplätze weiter ist mit seinem Transporter seit morgens um vier Uhr unterwegs. Wenn auch nur im Großraum Augsburg, wie er berichtet. Eben gerade hat er sich eine halbe Stunde ausgeruht. Auch er will seinen Namen nicht preisgeben, bestätigt aber, dass es durchaus Lkw gibt, die bei dem Wetter keine Winterbereifung haben. „Da wird auch zu wenig kontrolliert“, findet er. Das sieht die Polizei freilich anders.
„Die Autobahnpolizei achtet im Rahmen von Kontrollen und bei Unfallaufnahmen auf die Winterreifenpflicht“, sagt Polizeisprecher Sascha Wieser. Aber eine deutliche Anzahl an Verstößen werde hier nicht festgestellt. „Die meisten Unverbracht, fallbeteiligten sind mit Matsch- und Schneereifen (M+S) unterwegs.“
Generell sind Lkw-Fahrer verpflichtet, bei winterlichen Verhältnissen Wintereifen aufzuziehen. Bislang gilt dies nur für die hintere Antriebsachse. Das macht bei einer Doppelbereifung vier Winterreifen. Spätestens ab 1. Juli 2020 aber müssen auch die vorderen Lenkachsen bei Lkw ab 3,5 Tonnen mit Winterreifen ausgestattet werden. Normale M+S-Reifen sollen noch bis zum 30. September 2024 als Winterreifen anerkannt werden. Wird ein LkwFahrer bei solchem Wetter ohne Winterreifen erwischt, bringt ihm das 60 Euro Bußgeld sowie einen Punkt ein, sagt Polizeisprecher Wieser. Bei einem Unfall verdoppele sich das Bußgeld, es bleibe bei einem Punkt. „Teurer wird es für die Unternehmen. Die sind 80 Euro los, bei einem Unfall 160 Euro.“
Der Lkw-Fahrer aus Augsburg will auch wieder starten. Die Autobahn sei gut geräumt, lobt er und fügt hinzu: „Im Gegensatz zum Stadtgebiet.“