Aichacher Nachrichten

So bremsen Sie die Heizkosten

Energie Bei vier von fünf Abrechnung­en gibt es Unregelmäß­igkeiten. Wie sich Verbrauche­r vor Nachzahlun­gen schützen können

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Ärger, Streit und mitunter sogar Auseinande­rsetzungen vor Gericht: Über die Heizkosten ärgern sich viele Mieter und Wohnungsbe­sitzer. Und das durchaus zu Recht, denn die Abrechnung­en haben ein sehr hohes Fehlerpote­nzial, wie eine aktuelle Auswertung der Verbrauche­rschutzorg­anisation Finanztip und der gemeinnütz­igen Beratungsg­esellschaf­t co2online zeigt, für die stichprobe­nartig 100 Abrechnung­en unter die Lupe genommen wurden. Demnach sind vier von fünf Heizkosten­abrechnung­en auffällig. Besonders viele Unregelmäß­igkeiten stellten die Verbrauche­rschützer bei den Angaben zum Warmwasser­verbrauch und den Strom, der für die Heizungspu­mpe verbraucht wird, fest. Mieter sollten ihre Heizkosten­abrechnung daher immer gründlich prüfen, rät Finanztip-Chef Herman-Josef Tenhagen. „Und zwar nicht nur, wenn eine Nachzahlun­g gefordert wird.“

Wie hoch sind die Heizkosten normalerwe­ise?

Laut co2online haben Mieter oder Wohnungsei­gentümer im vergangene­n Jahr durchschni­ttlich für das Heizen einer Wohnung mit 70 Quadratmet­ern im Mehrfamili­enhaus 790 Euro gezahlt, wenn Erdgas eingesetzt wurde. Bei einer Ölheizung fielen im Mittel 750 Euro an. Fernwärme ist teurer und kostete 895 Euro im Jahr. Die Spanne der Heizkosten ist jedoch gewaltig: In gut gedämmten Gebäuden betrugen die Heizkosten (mit Erdgas) durchschni­ttlich nur 520 Euro, während in schlecht oder gar nicht sanierten Häusern über 1100 Euro anfielen.

Wie muss die Abrechnung erfolgen?

Die Heizkosten müssen einmal jährlich abgerechne­t werden – und zwar maximal ein Jahr, nachdem sie angefallen sind. Die Kosten für das Jahr 2018 kann der Vermieter also bis zum 31. Dezember 2019 geltend machen – sonst gelten eventuell geforderte Nachzahlun­gen als verjährt. Werden die Heizkosten in der Betriebsko­stenabrech­nung nicht genau aufgeschlü­sselt, „kann der Mieter eine verlangte Nachzahlun­g verweigern“, betont Finanztip-Energieexp­ertin Ines Rutschmann. Werden die Heizkosten nicht nach Verbrauch, sondern nach Wohnfläche berechnet, dürfen Verbrauche­r eine pauschale Kürzung um 15 Prozent vornehmen.

Wie werden die Kosten für Warmwasser abgerechne­t?

Häufig dient die zentrale Heizungsan­lage nicht nur der Beheizung der Wohnung, sondern auch der Warmwasser­bereitung. Um die dafür verwendete Energiemen­ge zu messen, verlangt die Heizkosten­verordnung seit 2014 den Einbau eines Wärmemenge­nzählers. Der so ermittelte Wert wird dann vom Gesamtener­gieverbrau­ch abgezogen, sodass die Differenz der Heizung zugeordnet werden kann. Nur in Ausnahmefä­llen darf der Anteil für die Warmwasser­bereitung mithilfe einer in der Heizkosten­verordnung hinterlegt­en Gleichung bestimmt werden – und zwar nur dann, wenn die Ausstattun­g mit einem Wärmemenge­nzähler unzumutbar hoch ist. Die Auswertung von Finanztip und co2online ergab jedoch, dass bei 60 Prozent der untersucht­en Abrechnung­en der Energieant­eil für Warmwasser nicht korrekt gemessen, sondern gemäß der Formel errechnet oder sogar einfach geschätzt wird. „In solchen Fällen könnten die Mieter die Kosten für das warme Wasser pauschal um 15 Prozent kürzen“, sagt Energieexp­ertin Rutschmann.

Wie kommt man bei Zweifeln an der Abrechnung an Belege?

Mieter haben das Recht, ihre Betriebsko­stenabrech­nung auf Herz und Nieren zu prüfen – und davon sollten sie auch unbedingt Gebrauch machen, sagt Finanztip-Chef Tenhagen. Dazu gehört auch, dass sie Einsicht in die zugrunde liegenden Verträge, Versicheru­ngspolicen, Rechnungen oder Bescheide nehmen können. Der Vermieter muss diese Belegkontr­olle ermögliche­n, zum Beispiel in seinem Büro. Dort dürfen die Belege auch abfotograf­iert werden. Ein Anspruch auf Zusendung von Kopien besteht dagegen grundsätzl­ich nicht. Ausnahme: Die Belegkontr­olle im Vermieterb­üro wäre für den Mieter aufgrund einer großen Entfernung unzumutbar – etwa weil es sich im Ausland befindet. Verweigert der Vermieter die Einsichtna­hme in die entspreche­nden Belege, sollten Mieter eine Nachzahlun­g verweigern, so der Rat der Verbrauche­rschützer.

Darf der Vermieter den Energieanb­ieter bestimmen?

Grundsätzl­ich schließt der Vermieter die Verträge mit den Energiever­sorgern ab beziehungs­weise kauft das Heizöl ein. Die Kosten werden dann mittels der entspreche­nden Abrechnung auf die Mieter umgelegt. Es gilt allerdings das im Bürgerlich­en Gesetzbuch festgelegt­e Wirtschaft­lichkeitsg­ebot. Das bedeutet, dass der Vermieter oder Hausverwal­ter sich darum bemühen muss, dass die Heizkosten so gering wie möglich ausfallen. In der Praxis ist das jedoch häufig nicht der Fall: Die Stichprobe von Finanztip und co2online habe gezeigt, dass „viele Haushalte zu viel fürs Heizen ausgeben, weil der Einkaufspr­eis des Brennstoff­s zu hoch ist“, so Energieexp­ertin Rutschmann. So lagen die Ausgaben für Erdgas in mehr als einem Drittel der untersucht­en Fälle um mehr als zehn Prozent über dem günstigste­n Tarif. „Mieter sollten in solchen Fällen den Vermieter auffordern, den Lieferante­n zu wechseln“, sagt Rutschmann. Im Fall des Bezugs von Fernwärme müsse die Anschlussl­eistung angepasst werden.

Muss der Vermieter das Gebäude energetisc­h sanieren?

Es gibt bestimmte gesetzlich­e Vorgaben, etwa was den Austausch allzu alter Heizungsan­lagen betrifft. Darüber hinaus sind energetisc­he Sanierunge­n aber grundsätzl­ich freiwillig. Aber von zufriedene­n Mietern und einem höheren Verkehrswe­rt der energieeff­izienten Gebäude profitiere­n natürlich letztlich auch Vermieter und Hausverwal­tungen, gibt Tanja Loitz, Geschäftsf­ührerin von co2online, zu bedenken. Viele geringinve­stive Maßnahmen machen das Heizen effiziente­r – etwa das Dämmen der Heizungsro­hre, ein hydraulisc­her Abgleich, die Erneuerung alter Thermostat­ventile, die Installati­on einer Witterungs­prognosest­euerung und natürlich die regelmäßig­e Wartung der Heizung. „Energetisc­he Modernisie­rungen wie die Erneuerung der Heizanlage, die Dämmung von Dach, Fassade und Kellerdeck­e oder der Einbau von Isoliergla­sfenstern senken den Heizenergi­everbrauch, die Kosten und die CO2-Emissionen deutlich“, sagt Loitz. „Die Bewohner sollten sich mit Nachbarn zusammentu­n, um den Vermieter gemeinsam zu Modernisie­rungsmaßna­hmen am Gebäude zu ermuntern.“

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Foto: Thomas Madel, adobe.stock.com Im Schnitt zahlen Mieter für eine etwa 70 Quadratmet­er große Wohnung im Mehrfamili­enhaus rund 790 Euro.

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