Aichacher Nachrichten

Mister „Stop Brexit“

Porträt Steve Bray ist ein überzeugte­r Europäer. Er wird nicht müde, seine britischen Landsleute auf die Gefahren eines Ausstiegs aus der EU hinzuweise­n

- Katrin Pribyl

Vor dem Westminste­r-Palast herrscht Aufregung. Gerade hat Steve Bray von einer Bekannten am Telefon erfahren, dass im Fernsehen während eines live ausgestrah­lten Interviews „Leave“Poster im Hintergrun­d zu sehen sind. In Messingrot stechen die ProBrexit-Plakate aus dem Meer der blauen Flaggen mit den zwölf goldenen Sternen heraus. „Holt mehr Fahnen her“, ruft Bray einer Gruppe zu. Sofort bringen ihm andere Aktivisten Fahnen sowie ein Banner, das der Brite nun vor der Nase der Protest-Konkurrenz ausrollt. Er streckt es gen Himmel und damit in Sichtweite der TV-Kameras, die auf dem Rasen vor dem britischen Parlament stehen. „Wir wollen eine Volksabsti­mmung“, können die Zuschauer nun lesen.

Steve Bray atmet kurz durch. Es ist viel los dieser Tage, insbesonde­re für den 49-Jährigen, der im Königreich als Ober-Aktivist mittlerwei­le eine Berühmthei­t darstellt. Er ist Mister „Stop Brexit“. Unermüdlic­h steht Bray seit September vergangene­n Jahres fast täglich zwischen 10 und 18 Uhr vor dem Parlament, um gegen den Austritt des Königreich­s aus der EU zu kämpfen.

Ein europaskep­tischer Abgeordnet­er kommt aus dem altehrwürd­igen Gebäude. Bray eilt hinterher, fragt freundlich nach den Vorteilen der anstehende­n Scheidung. „Wie wird Großbritan­nien davon profitiere­n?“Der Parlamenta­rier winkt ab und wirft ihm lediglich ein „Abwarten“hin. Bray schüttelt den Kopf und sagt wie zu sich selbst: „Was ist das für eine Art, ein Land zu führen?“Nicht wenige finden, Steve Bray nervt. Der nimmt das fast als Kompliment auf – zu bedeutend sei die Sache, für die er eintritt, als dass er aufhören könnte. „Jede Form des Brexits fügt allen Beteiligte­n Schaden zu.“Die Europafreu­nde auf der Insel bewundern den hartnäckig­en Mann, dessen Uniform unter anderem aus einem blauen Zylinder mit der Aufschrift „Stop Brexit“besteht. Zudem trägt er stets eine EU-Flagge um die Schultern und Plakate in der Hand.

Das Gesicht der Anti-Brexit-Bewegung stammt aus Port Talbot, einer Stadt in SüdWales, die für ihre Stahlwerke bekannt ist. Und wo 57 Prozent der Menschen für den Austritt gestimmt haben. „Ich habe die EU immer als selbstvers­tändlich betrachtet und hätte nie gedacht, dass ich mal für unseren Platz in der Gemeinscha­ft kämpfen muss“, sagt Bray, der im September 2017 nach London kam und nur für ein paar Monate gegen „diesen Wahnsinn“demonstrie­ren wollte. Er sollte bleiben. Heute teilt er sich im Londoner Süden eine Wohnung mit einem Freund, der aussehe wie Boris Johnson, der Wortführer der Brexiteers. „Ist das nicht ironisch?“Bray lacht.

Lange hat der Münzsammle­r von Erspartem gelebt. Das ist mittlerwei­le aufgebrauc­ht. Aber er benötige nicht viel und überhaupt, fast jeder Penny, der durch Spenden oder den Verkauf von Anti-Brexit-Zubehör hereinkomm­e, werde in die Kampagne gesteckt.

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Foto: imago

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