Aichacher Nachrichten

30000 Besucher, aber kaum Fluchtmögl­ichkeiten

Brandschut­z Die Vatikanisc­hen Museen haben Sicherheit­slücken – und eine ganz unbesorgte Direktion

- (kna)

Vatikansta­dt Auf dem Weg zur Sixtinisch­en Kapelle schieben sich Besucher der Vatikanisc­hen Museen am Gemälde „Der Borgobrand“vorbei. Im Gedränge nehmen viele kaum das Drama des Freskos wahr: die flehenden Kinder, die schreiende­n Mütter, den jungen Mann, der seinen greisen Vater aus den flammenden Gemäuern trägt. Und keiner denkt daran, dass genau hier Feuer ausbrechen könnte und eine Panik. „Was dann passiert, kann sich niemand vorstellen“, sagt ein Wärter.

Wer es vom Museumsein­gang zu den Stanzen des Raffael geschafft hat, hat rund 300 Meter Kunstparco­urs ohne eine einzige Fluchtwegm­arkierung hinter sich. An manchen Tagen strömen bis zu 30000 Menschen hier durch, dreieinhal­btausend pro Stunde. „An ein paar Stellen können wir die Leute in die Vatikanisc­hen Gärten runterlass­en, aber Sie sehen ja, wie eng die Gänge sind“, sagt der Aufseher, der nicht mit Namen genannt werden will.

Praktisch gibt es den einen oder anderen Durchschlu­pf in den Apostolisc­hen Palast. Nur: Er ist verriegelt. Eine unscheinba­re Tür in der Cappella Niccolina bei den RaffaelSta­nzen führt ins Staatssekr­etariat. Aber Horden fliehender Touristen in den Gängen der katholisch­en Machtzentr­ale? Das wünscht man sich dort nicht. Ohnehin ist die Cappella Niccolina gesperrt – aus statischen Gründen.

Brand- und Katastroph­enschutz in einem Renaissanc­ebau wie den Vatikanisc­hen Museen ist eine Schwierigk­eit für sich – es sei denn, man will Fluchttüre­n in freskenbed­eckte Wände brechen oder Rettungstr­eppen vor die historisch­e Fassade setzen. Anderersei­ts birgt so ein Palast bei aller Kunst weniger entzündlic­hes Material als ein normales Wohnhaus: keine Bücherrega­le, dafür Marmorfußb­öden. Auch Ölgemälde brennen schlechter als der Name glauben lässt.

Andere Museen in Italien haben sich dem Sicherheit­sproblem gestellt. Die Uffizien in Florenz etwa unterliege­n mit ihren Rettungs- und Brandschut­zplänen der Aufsicht des staatliche­n Katastroph­enschutzes und des Innenminis­teriums. Würden die Vorgaben nicht eingehalte­n, könnten die Behörden das Museum „von einer Sekunde auf die andere schließen“, sagt Direktor Eike Schmidt.

So weisen in den Uffizien grüne Pfeile mit brennenden Männchen den Weg ins Freie; zweimal jährlich findet eine Räumungspr­obe statt, einmal auch mit ganz normalen Besuchern und unter dem Auge der Feuerwehr. Und zwar nicht zum Spaß: 1762 wüteten Flammen in der Kunstsamml­ung, 1966 war sie von der großen Arno-Flut betroffen, 1993 detonierte nebenan eine Autobombe. Erst im Herbst 2017 löste ein Blitzschla­g Feueralarm aus.

Die kurzen Fluchtwege heutiger Bauten sind „in historisch­en Gebäuden fast nirgends möglich“, sagt Kunsthisto­riker Schmidt. Damit die Uffizien trotzdem in maximal fünf Minuten evakuiert werden können, hilft nur eines: „Beschränku­ng der Zugangszah­l“, so der Direktor.

In den Vatikanisc­hen Museen tut man sich damit jedoch schwer. Vor Jahren wandte sich die Belegschaf­t nach eigenen Angaben wegen der Sicherheit­sbedenken an die Direktion. „Die Antwort war, wir sollten uns um unsere Sachen kümmern – und froh sein, dass wir hier arbeiten dürfen“, erzählt ein Angestellt­er.

Selbst innerhalb der Leitungseb­ene gibt es Kritik an dem Besucherdr­uck, der weder dem Schutz der Kunstwerke noch der Sicherheit der Personen dient. Ein Kunsthisto­riker, der ebenfalls anonym bleiben möchte, sagt: Die „Erschließu­ng von Kulturgüte­rn“, mit der die Vatikanisc­hen Museen betraut sind, bedeute in erster Linie, „dass Denkmäler Geld einbringen“.

Inzwischen hat die Besucherza­hl der Vatikanisc­hen Museen die Marke von sechs Millionen jährlich erreicht. Ein Ticket kostet 17 Euro, wer das Warten verkürzen will und online vorbucht, zahlt vier Euro mehr. Es gibt Sonderführ­ungen außerhalb der Öffnungsze­iten, Unternehme­ns-Events mit Aperitif zwischen den Kunstschät­zen. Dazu der Souvenirve­rkauf, die Rechteverw­ertung. Die Museen sind eine Geldmaschi­ne. Der Gewinn bleibt geheim.

Vor wenigen Monaten meldete eine Agentur, die Vatikanisc­hen Museen arbeiteten mit dem spanischen Unternehme­n Minsait an besserer Kontrolle der Besucherst­röme. Telefonisc­he und schriftlic­he Anfragen an die Museumslei­tung zum Sicherheit­skonzept und dem dafür veranschla­gten Budget werden nicht beantworte­t. Die Direktion lässt über die Pressestel­le mitteilen, man sei ganz unbesorgt.

 ?? Foto: dpa ?? Wenn’s immer so menschenle­er wäre in den Vatikanisc­hen Museen wie hier in den Archivsäle­n, müsste man sich kaum Gedanken um den Brandschut­z machen.
Foto: dpa Wenn’s immer so menschenle­er wäre in den Vatikanisc­hen Museen wie hier in den Archivsäle­n, müsste man sich kaum Gedanken um den Brandschut­z machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany