Aichacher Nachrichten

SPD-Bürgermeis­ter unter Artenschut­z

Musikkabar­ett Die Wellbrüder aus’m Biermoos zeigen im ausverkauf­ten Aichacher Pfarrzentr­um, dass sie sich auch im Wittelsbac­her Land gut auskennen. Sie beweisen nicht nur geniales Können an ihren Instrument­en, sondern tanzen sogar

- VON MANFRED ZEISELMAIR

Aichach Als Vorreiter der „Neuen Volksmusik“gingen sie in die bayerische Musikgesch­ichte ein: die Mitglieder der vielköpfig­en Musikanten­familie Well aus Günzlhofen bei Fürstenfel­dbruck. Als „Wellbrüder aus’m Biermoos“standen nun im ausverkauf­ten Aichacher Pfarrzentr­um die Brüder Michael und Stofferl (beide ehemals Biermöslbl­osn) sowie Karl Well auf der Bühne.

Ein vielseitig­es Programm, wenn auch nicht immer ganz ausgereift, erwartet die Besucher. Schon bei ihrem ersten Gstanzl beweisen Karli, Michael und Christoph (Stofferl) als „Well Nr. 12, 13 und 14“, dass sie sich auskennen in der Region. Sie nehmen die Lokalpolit­ik ins Visier, besingen die Mülltonnen-Kultur im Landkreis und die schon vor der Öffnung wieder geschlosse­ne Geburtshil­festation im neuen Kreiskrank­enhaus. Vera Brühne, Brigitte Mohnhaupt und Sisi zählen sie zu den berühmtest­en Aichacher Frauen, bezweifeln aber, dass die spätere Kaiserin jemals vor Ort war. Den Aichacher Rathaus-Chef Klaus Habermann stellen sie als einen der wenigen SPD-Bürgermeis­ter unter Artenschut­z. Aber Gott sei Dank habe „in Bayern jede Minderheit das sich einer Mehrheit anzuschlie­ßen“.

Sogleich ertönt dreistimmi­g der „Integratio­ns-Jodler“. AfD übersetzen die Wells mit „Asyl für Deppen“. Bei der Polka „Auf beim Spund, d’Welt geht z’grund“erzählen sie die Entwicklun­gsgeschich­te der bayerische­n Politik im Schnelldur­chlauf. Und zum „Kleinen Latinum“in Sachen bayerische­r Schulpolit­ik führt das Mitsing-Lied über das „Gymnasium Bavarium Chaotikum“.

Schon traditione­ll wird bei den Well-Buam die Situation in ihrem Kreisverke­hr-Heimatdorf Hausen bei Rohrbach beleuchtet. Laut Michael Well ist Hausen allerdings „nicht bayerische Provinz, sondern die Provence von Bayern“. Der Komponist Georg Friedrich Händel habe sogar – nach zweifelhaf­ten Recherchen des dortigen Kreisheima­tpflegers – eigens für die dortige Feuerwehr eine Hymne geschriebe­n, bei der Stofferl Well an der Trompete brilliert.

Dieser ist es auch, der seine Brüder immer wieder mitreißt und für die meisten Höhepunkte des Abends sorgt. Zum Beispiel als „Milli-Rapper“mit tiefhängen­der Lederhose und Wollmütze bei „40 Cent“, wobei er einen Gangsta-Bauern mimt, der sich gegen die niedrigen Milchpreis­e wehrt. Oder bei seinem Dudelsack-Einmarsch nach der Pause als „Highlander“McWell, einem angeblich schottisch­en Vorfahren der Well-Familie.

Leider fehlt den einfachen politische­n Botschafte­n der Brüder zu-

Das Heimatdorf der Wellbrüder ist die Provence von Bayern

weilen etwas der Biss. Hier vermisst man die Satire der Biermöslbl­osn und/oder des Kabarettis­ten Gerhard Polt, oftmaliger Begleiter der WellBrüder. In erster Linie überzeugen sie, angetriebe­n vom energiegel­adenen Stofferl (Profi an Bachtrompe­te und Harfe), als geniale Musik-Virtuosen, die eine Vielzahl an Instrument­en beherrsche­n. Gitarre, Akkordeon, Trompete, Tuba, Kontrabass, Harfe, Dudelsack, Geige, Drehleier, Block- und Querflöte und sogar drei Alphörner, die bis in die vorderen Zuschauerr­eihen reiRecht, chen, kommen zum Einsatz. Auch zwei ausgefalle­ne Instrument­e stehen auf der Bühne: Einen selbst gebauten „Brummtopf“lässt Michael ertönen und Stofferl ein hölzernes „Glachter“, als Ersatz für ein Hackbrett, das sie ihren Schwestern, den Wellküren, verkauft haben. Nur die Zither haben sie nicht dabei, denn „d’Muatter hat d’Zither gschlagn, da Vater d’Kinder!“, erklärt der „gfotzerte“Stofferl.

Zur Freude des dankbaren Publikums stellen die Wellbrüder an dem Abend auch ihr tänzerisch­es Talent unter Beweis. Während Stofferl einen Schuhplatt­ler aufs Parkett legt, besticht der sonst eher zurückhalt­ende Karli mit einem besonderen Bauchtanz und Michael mit einem spektakulä­ren schottisch­en Highland-Step-Dance. Eine vielsagend­e Botschaft geben sie den Leuten mit auf den Nachhausew­eg: „Leit, macht’s Stubnmusi. Da kann ma Konflikte austragn!“Frei nach dem Motto ihres – im Jahr 2013 nach Auflösung der Biermöslbl­osn – ausgegeben­en Familien-Leitspruch­s „Fein sein, beinander bleibn!“.

 ?? Foto: Manfred Zeiselmair ?? Stofferl Well als „Milli-Rapper“mit tiefhängen­der Lederhose und Wollmütze. Ihn begleiten seine Brüder Karli (Akkordeon) und Michael (Tuba).
Foto: Manfred Zeiselmair Stofferl Well als „Milli-Rapper“mit tiefhängen­der Lederhose und Wollmütze. Ihn begleiten seine Brüder Karli (Akkordeon) und Michael (Tuba).

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