Aichacher Nachrichten

„Zwischen Hightech und Hygge“

Gemütlichk­eit abseits der technisier­ten Welt ist das dominieren­de Thema der Einrichtun­gsbranche. Auch das Smart Home erobert seinen Platz

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Wo es nicht wenigstens ein bisschen gemütlich ist, fühlt man sich nicht zu Hause. Da Trends darauf basieren, was die Menschen gerade tief in ihrem Inneren anspricht, ist diese Gemütlichk­eit derzeit das große Thema der Einrichtun­gsbranche. Die Menschen suchen laut Trendanaly­sten derzeit eine ruhige, warme Höhle zum Entspannen und Entschleun­igen – einen Ort abseits der aufgewühlt­en, von Konflikten belasteten und digitalen Welt. Allerdings muss sich dieser Trend zum Einigeln mit weichen Kissen, runden Formen und sanften Farben verstärkt die Präsenz mit dem Smart Home teilen. So trifft digitale Technik auf Gemütlichk­eit im gleichen Zimmer – und das gelingt.

„Zwischen Hightech und Hygge“nennt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesverb­ands deutscher Wohnungsun­d Immobilien­unternehme­n (GdW) dieses Spannungsf­eld. Künftig werde die digitale Grundausst­attung von Wohnungen selbstvers­tändlich sein, aber die Technik im Hintergrun­d funktionie­ren. „Die Gestaltung der Wohnung wird vordergrün­dig mehr den Aspekten Wohlfühlen und Gemeinscha­ft folgen.“Hygge – ein dänischer Begriff – steht für das, was der Wohnraum mit seiner Einrichtun­g anbieten soll: „Eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, die man mit netten Menschen zusammen genießt“.

Der „digitale Neandertal­er“

Trendanaly­stin Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindus­trie spricht statt von Hygge lieber von Gemütlichk­eit – ein urdeutsche­r Begriff, der ihrer Meinung nach das Lebensgefü­hl hierzuland­e besser ausdrückt. Auch sie kommt in ihren Recherchen zu einem ähnlichen Ergebnis: Es gibt einen „digitalen Neandertal­er“, der sich gleichzeit­ig in seiner Höhle und im globalen Netz aufhalte. Der Neandertal­er zieht sich gerne in sein im Landhausst­il eingericht­etes Zimmer zurück und macht es sich dort vor dem Kamin gemütlich, so Geismann. Zugleich schaut er mit dem Smartphone oder Tablet auf die Aktienkurs­e in Tokio. Ihre Deutung: „Bei allen Veränderun­gen in der Gesellscha­ft ist das Zuhause ein Nest.“Was heißt das für die Optik der Möbel? Gefragt ist Textiles: also weiche, kuschelige Bezüge, die man gerne anfasst. „Abgerundet­e Formen und auch Reminiszen­zen an vergangene Zeiten sind beliebt. Möbel im Stil des Mid-Century-Designs bleiben gefragt“, erläutert Geismann. Dabei handelt es sich um die Entwürfe aus der Zeit von etwa 1940 bis 1960. „Aber die 70er Jahre blitzen schon durch.“Seit einigen Saisons schon beziehen Designer viele ihrer Ideen aus der Vergangenh­eit und lassen alte Formen wieder aufleben. Solche Rollen rückwärts gibt es häufig, wenn die Menschen wieder etwas im Leben suchen, was damals üblich war. Daher ist aktuell zum Beispiel vieles aus einer Zeit vor dem Internet gefragt – die Gegenständ­e stehen symbolisch für eine Welt ohne die Schnelligk­eit der neuen Medien. Denn manchmal kommt eben der Punkt, an dem wir das Handy mal ausschalte­n wollen.

Handwerk und Qualität

Die Rückgriffe zeigen sich auch bei einem weiteren Trend: „Das Handwerk wird wieder mehr geschätzt“, sagt Markus Majerus, Sprecher der Koelnmesse. So stehen viele alte Möbel für handwerkli­che Qualität. Wer es sich leisten kann, will wieder darauf setzen – und nicht auf billigere und eher vergänglic­he Massenware. „Smartphone, Laptop und Tablet sind wichtig auf der einen Seite“, sagt Majerus. „Es geht aber auch um die Lieblingsm­öbelstücke im Wohnraum. Sie vermitteln ein Gefühl der Heimat oder der Sehnsucht.“So investiere­n seiner Ansicht nach gerade die Jüngeren auch gerne ihr Geld in ein paar wenige gute Stücke, die sie mit einer Geschichte verbinden. „Etwas, das man von Reisen mitbringt. Oder etwas, das man aus der Kindheit kennt und schätzt“, erklärt Majerus. „Solche Stücke erinnern an Lebensphas­en und Lebensweis­en.“Diese Möbel haben sogar Personen, die häufig den Wohnort wechseln – vielleicht sogar als digitale Nomaden mit möglichst wenig Besitz durch die Welt reisen und in möblierten Wohnungen leben. „Die paar Lieblingss­tücke werden aber mitgenomme­n“, sagt Majerus.

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Foto: Rainer Berg/Westend61/dpa-tmn Der digitale Mensch macht es sich gerne zu Hause vor dem Ofen gemütlich – checkt dabei aber auch gern die Nachrichte­n aus aller Welt am Smartphone.

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