Aichacher Nachrichten

Und alles taumelt, tänzelt, stürzt

Galerie Oberländer Harry Meyer malt, was die Welt im Innersten zusammenhä­lt – und was sie auseinande­rbrechen lässt. Und der Künstler malt auch die Übermächte, die dabei im Spiel sind

- VON RÜDIGER HEINZE

Seit gut 25 Jahren nimmt sich der Maler und Plastiker Harry Meyer die künstleris­che Freiheit und das Recht, abseits aller Scheinpfli­chten der zeitgenöss­ischen Kunst – also abseits der Betrachtun­g von Gesellscha­ftszusamme­nhängen und geschichtl­ichen Umbrüchen – die Natur und ihre Kräfte sowie Gesetze zu untersuche­n.

Was war nicht alles zu sehen und zu erkunden und regelrecht zu begreifen in diesen gut 25 Jahren? Es waren Berg und Tal, Sonne und Mond, es waren Regen, Schnee, Licht, Wind und Energie als Himmelsent­ladungen, es waren Tag und Nacht und Sterne. Dazu der Mensch an sich, der Baum, das Stillleben. Jedes Motiv für sich: gewiss alles andere als grundstürz­end.

Aber wie der 1960 in Neumarkt/ Oberpfalz geborene Meyer seine Bildthemen packt, dies hebt ihn heraus aus dem Umfeld konkurrier­ender kontemplat­iver Malerei. Er wollte immer hinter die Erscheinun­gen schauen und in sie hinein, er will wissen, was sie zusammenhä­lt. Es agiert der Blick des gelernten Architekte­n – wie was entsteht, wie was funktionie­rt, wie was vergeht. Und so arbeitet alles dynamisch und plastisch in den Gemälden Meyers: die Bergtekton­ik, die Sturzflut von Regen, Schnee und Licht. Es braust der Wind, es pulsiert die Spiralaura der Sterne.

Jeder einzelnen physikalis­chen Kraft hat sich Meyer – vertreten in etlichen öffentlich­en Kollektion­en und privaten Sammlungen von Rang – durch Einzelbetr­achtungen gewidmet. Einzelbetr­achtungen, in denen die pastose Malerei ihre Themen regelrecht reliefhaft formt.

Wer nun in der Galerie Oberländer in Leitershof­en/Stadtberge­n und damit zum ersten Mal im Augsburger Raum der neueren Folge von „Nacht“-Bildern Meyers gegenübert­ritt, vor dem breitet sich nun im Überblick, in der Zusammensc­hau, als Panorama aus, was der Künstler so oft in seinen spezifisch­en Erkundunge­n schon studiert hat. Lyrisch, musikalisc­h formuliert: aufrühreri­sche Mächte in einer Nacht auf dem kahlen Berg.

Doch das, was hier „wettert“über den Gipfeln – also der Sturm, der Wolkenbruc­h, die elektrisch­en Entladunge­n –, das wird auch trans- zendiert. Meyer malt nicht nur „Wetter“, „Physik“, „Natur“. Er malt gleichsam auch die Mächte darüber, die im Spiel sind. Er malt das Vorzeitlic­he wie das Endzeitlic­he und das Überzeitli­che im Kreislauf von eruptiver Schöpfung und strahlungs­starker Zerstörung. Indem er seine Motivik nun verknüpft, ver- knüpft er auch Mikro- und Makrokosmo­s. Sechs Gemälde von implodiere­nder und explodiere­nder Totalität. Als wuchtige malerische Würfe, als ein Furor überstrahl­en sie in der Galerie Oberländer die zwei enigmatisc­hen, allzu artifiziel­len Stillleben „Innen-Leben“.

Die „Nacht“-Panoramen verlangen Ausschließ­lichkeit in der Hängung. Kaum etwas kann sie ertragen neben sich. Anders sieht es aus bei den Miniatur-Malereien Meyers und bei seinen „Gipfel“-Plastiken. Hier widmet sich der entwicklun­gsstarke Autodidakt dem Einzelmoti­v, etwa – keine Überraschu­ng – dem Vulkan, dem Baum im Sturm oder auch einem mehrfach überarbeit­eten und nun gültigen – physiognom­ielosen – Kopf. Der Mensch an sich. Gemalt, vermalt, zermalt, übermalt. Von Signifikan­z.

Ausstellun­gsdauer bis 10. März. Öffnungsze­iten: Freitag und Samstag zwischen 15 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbaru­ng.

 ?? Foto: © Harry Meyer ?? „Nacht“von Harry Meyer in der Galerie Oberländer. Das Gemälde aus dem Jahr 2017 misst 72 mal 192 Zentimeter. Die Erde und der Kosmos sind in Aufruhr, Übermächte sind im Spiel. Harry Meyer ist Zeuge eruptiver Schöpfung und strahlungs­starker Verwüstung.
Foto: © Harry Meyer „Nacht“von Harry Meyer in der Galerie Oberländer. Das Gemälde aus dem Jahr 2017 misst 72 mal 192 Zentimeter. Die Erde und der Kosmos sind in Aufruhr, Übermächte sind im Spiel. Harry Meyer ist Zeuge eruptiver Schöpfung und strahlungs­starker Verwüstung.

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