Und alles taumelt, tänzelt, stürzt
Galerie Oberländer Harry Meyer malt, was die Welt im Innersten zusammenhält – und was sie auseinanderbrechen lässt. Und der Künstler malt auch die Übermächte, die dabei im Spiel sind
Seit gut 25 Jahren nimmt sich der Maler und Plastiker Harry Meyer die künstlerische Freiheit und das Recht, abseits aller Scheinpflichten der zeitgenössischen Kunst – also abseits der Betrachtung von Gesellschaftszusammenhängen und geschichtlichen Umbrüchen – die Natur und ihre Kräfte sowie Gesetze zu untersuchen.
Was war nicht alles zu sehen und zu erkunden und regelrecht zu begreifen in diesen gut 25 Jahren? Es waren Berg und Tal, Sonne und Mond, es waren Regen, Schnee, Licht, Wind und Energie als Himmelsentladungen, es waren Tag und Nacht und Sterne. Dazu der Mensch an sich, der Baum, das Stillleben. Jedes Motiv für sich: gewiss alles andere als grundstürzend.
Aber wie der 1960 in Neumarkt/ Oberpfalz geborene Meyer seine Bildthemen packt, dies hebt ihn heraus aus dem Umfeld konkurrierender kontemplativer Malerei. Er wollte immer hinter die Erscheinungen schauen und in sie hinein, er will wissen, was sie zusammenhält. Es agiert der Blick des gelernten Architekten – wie was entsteht, wie was funktioniert, wie was vergeht. Und so arbeitet alles dynamisch und plastisch in den Gemälden Meyers: die Bergtektonik, die Sturzflut von Regen, Schnee und Licht. Es braust der Wind, es pulsiert die Spiralaura der Sterne.
Jeder einzelnen physikalischen Kraft hat sich Meyer – vertreten in etlichen öffentlichen Kollektionen und privaten Sammlungen von Rang – durch Einzelbetrachtungen gewidmet. Einzelbetrachtungen, in denen die pastose Malerei ihre Themen regelrecht reliefhaft formt.
Wer nun in der Galerie Oberländer in Leitershofen/Stadtbergen und damit zum ersten Mal im Augsburger Raum der neueren Folge von „Nacht“-Bildern Meyers gegenübertritt, vor dem breitet sich nun im Überblick, in der Zusammenschau, als Panorama aus, was der Künstler so oft in seinen spezifischen Erkundungen schon studiert hat. Lyrisch, musikalisch formuliert: aufrührerische Mächte in einer Nacht auf dem kahlen Berg.
Doch das, was hier „wettert“über den Gipfeln – also der Sturm, der Wolkenbruch, die elektrischen Entladungen –, das wird auch trans- zendiert. Meyer malt nicht nur „Wetter“, „Physik“, „Natur“. Er malt gleichsam auch die Mächte darüber, die im Spiel sind. Er malt das Vorzeitliche wie das Endzeitliche und das Überzeitliche im Kreislauf von eruptiver Schöpfung und strahlungsstarker Zerstörung. Indem er seine Motivik nun verknüpft, ver- knüpft er auch Mikro- und Makrokosmos. Sechs Gemälde von implodierender und explodierender Totalität. Als wuchtige malerische Würfe, als ein Furor überstrahlen sie in der Galerie Oberländer die zwei enigmatischen, allzu artifiziellen Stillleben „Innen-Leben“.
Die „Nacht“-Panoramen verlangen Ausschließlichkeit in der Hängung. Kaum etwas kann sie ertragen neben sich. Anders sieht es aus bei den Miniatur-Malereien Meyers und bei seinen „Gipfel“-Plastiken. Hier widmet sich der entwicklungsstarke Autodidakt dem Einzelmotiv, etwa – keine Überraschung – dem Vulkan, dem Baum im Sturm oder auch einem mehrfach überarbeiteten und nun gültigen – physiognomielosen – Kopf. Der Mensch an sich. Gemalt, vermalt, zermalt, übermalt. Von Signifikanz.
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Ausstellungsdauer bis 10. März. Öffnungszeiten: Freitag und Samstag zwischen 15 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung.