Aichacher Nachrichten

Diebe dreist wie nie: Händler schlagen Alarm

Wirtschaft Tagtäglich verschwind­en in schwäbisch­en Geschäften Waren in einem Wert von 170 000 Euro. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg sind viele Langfinger unterwegs. Manche von ihnen sind noch sehr jung

- VON UTE KROGULL

Aichach-Friedberg Der Bayerische Handelsver­band schlägt Alarm: Der Schaden durch Ladendiebe hat mit fast 350 Millionen Euro Rekordhöhe erreicht. Die Tricks der Langfinger werden immer raffiniert­er – bis hin zu präpariert­en Kinderwage­n. Manchmal geht es aber auch simpler, wie Alexander Wagenpfeil, Leiter der Friedberge­r Polizei, berichtet. So fanden die Beamten unlängst bei einem Mann, den sie in Friedberg festgenomm­en hatten, eine teure Hose, bei der ein Bein abgeschnit­ten war. So hatte der Dieb das Sicherheit­setikett entfernt. Was er mit der Hose noch anfangen wollte?

Wagenpfeil weiß es nicht. Ihm zufolge wurden von Januar bis einschließ­lich November 2018 im Gebiet der Polizei Friedberg 75 Ladendiebs­tähle angezeigt; das sind fünf mehr als im Vorjahresz­eitraum. Die Dunkelziff­er ist hoch; laut Handelsver­band liegt sie bei 90 Prozent.

Im Einzugsgeb­iet der Aichacher Polizei wurden im vergangene­n Jahr 45 Ladendiebs­tähle angezeigt. Vier Kinder und sechs Jugendlich­e sind unter den Tätern, wie der stellvertr­etende Leiter der Aichacher Polizei, Peter Löffler, berichtet. Er verweist jedoch darauf, dass die tatsächlic­he Zahl der erwischten Ladendiebe im Aichacher Raum höher sein dürfte. Nicht jeder Dieb, der ertappt wurde, wird anschließe­nd auch der Polizei übergeben.

In einem Aichacher Drogeriema­rkt wird da keine Ausnahme gemacht. Dort erklärt eine Mitarbeite­rin: „Wer beim Klauen erwischt wird, muss ins Büro. Dann wird die Polizei gerufen.“

Gestohlen werde beinahe alles: Haarschmuc­k, DVD, Düfte, Batterien oder Feuerzeuge. Die Drogeriemi­tarbeiteri­n berichtet von Kunden, die im Markt in eine Tafel Schokolade beißen, ohne sie jemals zu bezahlen. Oder sie nehmen einige Schlücke aus einer Getränkefl­asche und stellen sie dann zurück ins Regal. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, ist die Mitarbeite­rin überzeugt. Wie hoch der finanziell­e Schaden durch Diebstahl in der Aichacher Drogeriefi­liale ist, kann sie nicht sagen.

Auch Pascal Eckel, stellvertr­eten- der Marktleite­r von Edeka Kowalski in Mering, kann den Schaden nicht benennen. Zeitweise hatte der Markt schon einen Detektiv im Einsatz: „Der hat ganz gut Leute rausgefisc­ht.“Eckel hat schon einiges erlebt. In der Gersthofer Filiale etwa habe ein Stammkunde regelmäßig Waren mitgehen lassen – in einem Korb mit doppeltem Boden. Auffällig auch: „Früher mussten wir jede Woche neue Rasierklin­gen bestellen.“Ein Kunde wurde mit zwölf Packungen in der Tasche erwischt; offenbar wollte er sie weiterverk­aufen. Nun gibt es die Klingen nur noch im Kassenbere­ich – und die Bestellmen­gen sinken.

Profis, die auf Bestellung stehlen, machen dem Handel viele Sorgen. Der Detektiv Senol Sarüce, der mit seinen Mitarbeite­rn zahlreiche Supermärkt­e in und um Augsburg überwacht, kennt ihre Tricks. „Oft kommt eine gut gekleidete Frau, die dann längere Zeit einen Laden ausspäht“, berichtet Sarüce. „Nach einiger Zeit kommen andere Bandenmitg­lieder dazu.“Die wüssten dann genau, wie und wo sie zugreifen müssen, oft in großem Maßstab.

Allerdings scheint das Wittelsbac­her Land von diesem Phänomen verschont zu bleiben. „Osteuropäi­sche Banden gibt es in unserem Dienstbere­ich nicht“, sagt Polizeiche­f Wagenpfeil. Peter Löffler von der Aichacher Polizei bestätigt das. Auch, dass angeblich immer mehr Kinder und Jugendlich­e stehlen, kann die Polizei nicht feststelle­n.

Allerdings gab es erst vor Kurzem einen Vorfall in Friedberg. Zwei Buben, zwölf und 13 Jahre alt, wurden in einem Elektromar­kt erwischt. Laut Polizei hatten sie teure Kopfhörer aus der Verpackung genommen und in ihre Jacken gesteckt. Dem Ladendetek­tiv gestanden sie, schon mehrere Artikel gestohlen zu haben. Die Ermittlung­en führten zu sechs Mittätern im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren. Als die Beamten deren Zimmer durchsucht­en, fanden sie Waren im Wert von 1000 Euro.

Aber auch der stellvertr­etende Edeka-Marktleite­r Eckel sieht keinen Altersschw­erpunkt bei Dieben. Es seien Jugendlich­e genauso wie Rentner darunter. Und nie sei ihm jemand untergekom­men, der aus Armut stiehlt. Wenn man Diebe vor die Wahl stellt „zahlen und Hausverbot oder Anzeige und Polizei“, legen ihm zufolge die meisten den Betrag sofort auf den Tisch. Und teure Waren werden bei Edeka Kowalski weggesperr­t.

Die Sicherung der Ware ist auch eine Frage des Geldes. Kleinere Geschäfte können sie sich oft gar nicht leisten. In Schwaben entstand durch Ladendiebs­tähle 2017 ein Schaden von 48 Millionen Euro. Umgerechne­t sind das Waren im Wert von 170 000 Euro, die den Händlern täglich durch die Lappen gehen. Die Zahl stammt vom Landeskrim­inalamt. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen hier leicht rückgängig. In Bayern steht Schwaben damit nach Oberbayern (130 Millionen Euro Schaden) an zweiter Stelle.

Aufpassen sollten nicht nur Ladeninhab­er, sondern auch ihre Kunden. Denn Langfinger bedienen sich nicht nur an der Ware, sondern greifen gerne auch in offene Handtasche­n. Verlockend sind für sie auch immer wieder zurückgela­ssene Taschen in Einkaufswa­gen. (mit mcz und kabe)

 ?? Symbolfoto: Anne Wall ?? Modeschmuc­k ist bei Dieben begehrt. Aber auch Konsolensp­iele, Rasierklin­gen und Alkohol werden oft gestohlen. Der Diebstahls­chaden steigt.
Symbolfoto: Anne Wall Modeschmuc­k ist bei Dieben begehrt. Aber auch Konsolensp­iele, Rasierklin­gen und Alkohol werden oft gestohlen. Der Diebstahls­chaden steigt.

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