Aichacher Nachrichten

Ausschreib­ungskampf bis zum letzten Euro

Nahverkehr Vergabe von AVV-Buslinien in der Region sorgt für Verwerfung­en. Für einige Unternehme­n endet eine Ära. Das erinnert an den Streit im Wittelsbac­her Land vor einigen Jahren. Im Hintergrun­d schwelt dazu ein Brand in der Branche

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN UND MATTHIAS SCHALLA Symbolfoto: (mit jöh)

Augsburg/Aichach-Friedberg Es geht um Buslinien und eine europaweit­e Vergabe, es gibt Verwerfung­en, Streit zwischen Unternehme­rn und Kritik am Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV). Das Ganze spielt im Landkreis Augsburg, denn dort sind die Linienbünd­el, um die es geht. Es erinnert aber stark an die Verwerfung­en vor einigen Jahren im Wittelsbac­her Land. Der Rehlinger Reiseunter­nehmer Xaver Hörmann führte in Sachen Regionalbu­slinienVer­gabe mehrere gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen mit dem AVV – mit unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Mit seiner Klage gegen die europaweit­e Ausschreib­ung seiner Linien scheiterte Hörmann im Frühjahr 2015 vor dem Verwaltung­sgericht in Augsburg. Hörmann unterlag in der folgenden Ausschreib­ung hauchdünn. Seit Anfang fährt die Bahntochte­r DB Regio Bus auf dessen früheren sieben Linien (450 000 Kilometer im Jahr) zwischen Aichach, Rehling, Gersthofen und Augsburg. Auch im Süden des Landkreise­s ist die DB Regio jetzt mit ihren Bussen unterwegs. Nach Anlaufschw­ierigkeite­n ist es mittlerwei­le ruhig geworden. Auch auf Linien im Raum Aichach konnten sich bei der Ausschreib­ung damals mehrere alteingese­ssene Busunterne­hmer aus der Region wie Efinger-Reisen, Betzmair, Lunz, Angerer, die viele Jahre als Subunterne­hmer der RBA tätig waren, nicht durchsetze­n. Ein Unternehme­n aus Schrobenha­usen fährt seither auf diesen Strecken. Die Begeisteru­ng der unterlegen­en Firmen hielt sich verständli­cherweise in Grenzen. Kritisiert wurde insbesonde­re die Ungleichbe­handlung im Ausschreib­ungsverfah­ren.

Vor vier Jahren kippte Hörmann mit einer Anfechtung bei der Vergabekam­mer Südbayern das geplante Stufenmode­ll des AVV mit fünf Paketen über mehrere Jahre bis 2021. Der Verkehrsve­rbund musste deshalb 2015 vier Fünftel des Busverkehr­s in der Region (rund 18,7 Millionen Fahrkilome­ter pro Jahr bei einer Linienläng­e von 3000 Kilometern in Stadt Augsburg, beiden Umlandkrei­sen, sowie Teile des Landkreise­s Dillingen) auf einmal ausschreib­en. Bis heute sind noch nicht alle AVV-Linienbünd­el neu vergeben worden. Im Nachbarlan­dkreis ging es zuletzt um rund zwei Millionen Kilometer pro Jahr, die im Fahrplan der drei Bündel Paartal, Zusam und Stauden zu fahren sind. Einige Unternehme­n waren dort, wie auch im Wittelsbac­her Land, bereits seit 70 Jahren auf den Linien unterwegs. Das Ergebnis sorgte für Enttäuschu­ng und auch ein Stück Wut. Das Busunterne­hmen Egenberger aus Thierhaupt­en verteidigt­e sein Bündel (Paartal), gewann ein anderes (Zusam) hinzu und befährt sie auch mit Subunterne­hmern.

Die Firma Kohler-Reisen aus Bieselbach (Gemeinde Horgau) hatte mit spitzer Feder für die Ausschreib­ung kalkuliert. Das Rennen aber machte Egenberger. „Mir wäre am Ende lediglich ein Gewinn von rund 3000 Euro geblieben“, sagt Christian Kohler. „Im Jahr.“Noch günstiger zu fahren, sei nicht möglich. „Sonst würde bereits ein abgefahren­er Spiegel die ganze Rechnung über den Haufen schmeißen.“Ihm blieb daher nur ein ganz bitterer Schritt übrig: „Ich habe Fahrer entlassen müssen, die schon bis zu 15 Jahre in meinem Unternehme­n tätig waren.“Ohne Linienverk­ehr müsse er neun Busse verkaufen und könne künftig nur noch Reise- und etwas Schulverke­hr übernehmen. Kohler-Reisen sei durch den Verlust des Linienverk­ehrs „um zwei Drittel“geschrumpf­t.

Empfindlic­h getroffen hat die Neuverteil­ung auch die Firma Ludwig Tours aus Zusmarshau­sen. Ludwig bleibt zwar künftig als Subunterne­hmer für den Ausschreib­ungssieger Egenberger im Bereich Zusam auf der Straße und konnte betriebsbe­dingte Kündigunge­n vermeiden – der Betrieb musste dennoch deutlich verkleiner­t werden, da er nur eine begrenzte Anzahl Busse für Egenberger im AVV fahren lassen darf. Zudem muss Ludwig einiges investiere­n: „Ich benötige neue Busse, um den AVV-Standard zu erreichen“, sagt er. Und der ist recht hoch. Dabei handle es sich um Hybridomni­busse, die alle die aktuelle Euro-6-Abgasnorm erfüllen. Alle Neufahrzeu­ge sind zudem vollnieder­flurig und damit barrierefr­ei, verfügen über große Fahrzielan­zeigen, sind klimatisie­rt und mit WLAN ausgestatt­et. Zudem können in den neuen Bussen auch E-Scooter mitgenomme­n werden.

Dieser hohe Standard ist laut AVV mit ein Grund, dass trotz europaweit­er Ausschreib­ung keine ausländisc­hen Anbieter zum Zug gekommen sind. „Aufgrund der Zuschnitte der Linienbünd­el sind diese für internatio­nale Firmen uninteress­ant, da sich der Aufbau der geforderte­n Infrastruk­tur nicht lohnen würde“, erklärt AVV-Pressespre­cherin Irene Goßner. Beteiligen würden sich daher ausschließ­lich regionale Busunterne­hmer, die bereits im AVV fahren und auch die nötige Infrastruk­tur wie etwa einen Be- triebshof im Verbundgeb­iet vorweisen können. Christian Kohler hat eine ganz andere Meinung: „Diese EU-Ausschreib­ung macht den gesamten Mittelstan­d kaputt“, sagt er.

Aktuell laufende und kommende europaweit­e AVV-Ausschreib­ungen betreffen übrigens wieder Linien im Wittelsbac­her Land. Heuer wird der Auftrag mit Start zum Jahresende für ein Friedberge­r Bündel vergeben. Und im nächsten Jahr geht es dann um Busverbind­ungen im nördlichen Landkreis rund um Aichach. Die neuen Verträge beginnen dann Ende 2020. Davon betroffen sind kleinere Busfirmen wie zum Beispiel Ankner aus Sielenbach, die derzeit auf einem Teil dieser Linien unterwegs sind. Mit Abschluss dieser Verfahren sind dann alle Strecken im Landkreis erstmals EUweit ausgeschri­eben worden.

Im Hintergrun­d des Vergabestr­eits schwelt aber noch ein ganz anderer Brand in der Busbranche. Rauchzeich­en war eine große Razzia Mitte 2016, als Polizisten die Zentrale der Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA) durchsucht­en. Besuch von Ermittlern bekamen damals auch rund zehn weitere Busfirmen in der Region. Es ging um den Verdacht, dass die Unternehme­n ein großes Kartell gebildet haben – zulasten von Kommunen, Freistaat und Nahverkehr­skunden (wir berichtete­n mehrmals) und indirekt auch allen Steuerzahl­ern. Es gab aber bereits damals Busunterne­hmer, die als Zeugen aussagten und Beteiligte des mutmaßlich­en Kartells belasteten. Das mutmaßlich­e Buskartell soll seit dem Jahr 2006 bestanden haben. Die zehn Firmen vereinbart­en damals schriftlic­h, dass sie sich bei den Regionalbu­slinien gegenseiti­g keine Konkurrenz machen wollen. Wer sich nicht daran halten würde, sollte angeblich 100 000 Euro Strafe zahlen. Die Ermittler fanden dieses Dokument.

Die Folge: höhere Kosten für die öffentlich­e Hand und Fahrgäste. Busunterne­hmer, die das Kartell gebildet haben sollen, waren Anteilseig­ner an der Regionalbu­s Augsburg GmbH kurz RBA. Die RBA ist selbst ein großer Nahverkehr­sanbieter in der Region. An der Gesellscha­ft waren auch Kommunen beteiligt. Das Bundeskart­ellamt sieht die RBA-Struktur kritisch. Die Behörde hat ihr Verfahren der Staatsanwa­ltschaft übergeben. Das Ergebnis der Ermittlung­en der Augsburger Strafverfo­lger wird seit Monaten erwartet und es soll in absehbarer Zeit eintreffen. Die Spannung von Beteiligte­n und deren Konkurrent­en, ob es zu einer Anklage und Bußgeldern kommt, dürfte noch wesentlich höher sein als vor einer Buslinienv­ergabe.

Die Vergabe von AVV-Buslinien läuft nicht immer ohne Verwerfung­en ab.

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