Ausschreibungskampf bis zum letzten Euro
Nahverkehr Vergabe von AVV-Buslinien in der Region sorgt für Verwerfungen. Für einige Unternehmen endet eine Ära. Das erinnert an den Streit im Wittelsbacher Land vor einigen Jahren. Im Hintergrund schwelt dazu ein Brand in der Branche
Augsburg/Aichach-Friedberg Es geht um Buslinien und eine europaweite Vergabe, es gibt Verwerfungen, Streit zwischen Unternehmern und Kritik am Augsburger Verkehrsverbund (AVV). Das Ganze spielt im Landkreis Augsburg, denn dort sind die Linienbündel, um die es geht. Es erinnert aber stark an die Verwerfungen vor einigen Jahren im Wittelsbacher Land. Der Rehlinger Reiseunternehmer Xaver Hörmann führte in Sachen RegionalbuslinienVergabe mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem AVV – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Mit seiner Klage gegen die europaweite Ausschreibung seiner Linien scheiterte Hörmann im Frühjahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht in Augsburg. Hörmann unterlag in der folgenden Ausschreibung hauchdünn. Seit Anfang fährt die Bahntochter DB Regio Bus auf dessen früheren sieben Linien (450 000 Kilometer im Jahr) zwischen Aichach, Rehling, Gersthofen und Augsburg. Auch im Süden des Landkreises ist die DB Regio jetzt mit ihren Bussen unterwegs. Nach Anlaufschwierigkeiten ist es mittlerweile ruhig geworden. Auch auf Linien im Raum Aichach konnten sich bei der Ausschreibung damals mehrere alteingesessene Busunternehmer aus der Region wie Efinger-Reisen, Betzmair, Lunz, Angerer, die viele Jahre als Subunternehmer der RBA tätig waren, nicht durchsetzen. Ein Unternehmen aus Schrobenhausen fährt seither auf diesen Strecken. Die Begeisterung der unterlegenen Firmen hielt sich verständlicherweise in Grenzen. Kritisiert wurde insbesondere die Ungleichbehandlung im Ausschreibungsverfahren.
Vor vier Jahren kippte Hörmann mit einer Anfechtung bei der Vergabekammer Südbayern das geplante Stufenmodell des AVV mit fünf Paketen über mehrere Jahre bis 2021. Der Verkehrsverbund musste deshalb 2015 vier Fünftel des Busverkehrs in der Region (rund 18,7 Millionen Fahrkilometer pro Jahr bei einer Linienlänge von 3000 Kilometern in Stadt Augsburg, beiden Umlandkreisen, sowie Teile des Landkreises Dillingen) auf einmal ausschreiben. Bis heute sind noch nicht alle AVV-Linienbündel neu vergeben worden. Im Nachbarlandkreis ging es zuletzt um rund zwei Millionen Kilometer pro Jahr, die im Fahrplan der drei Bündel Paartal, Zusam und Stauden zu fahren sind. Einige Unternehmen waren dort, wie auch im Wittelsbacher Land, bereits seit 70 Jahren auf den Linien unterwegs. Das Ergebnis sorgte für Enttäuschung und auch ein Stück Wut. Das Busunternehmen Egenberger aus Thierhaupten verteidigte sein Bündel (Paartal), gewann ein anderes (Zusam) hinzu und befährt sie auch mit Subunternehmern.
Die Firma Kohler-Reisen aus Bieselbach (Gemeinde Horgau) hatte mit spitzer Feder für die Ausschreibung kalkuliert. Das Rennen aber machte Egenberger. „Mir wäre am Ende lediglich ein Gewinn von rund 3000 Euro geblieben“, sagt Christian Kohler. „Im Jahr.“Noch günstiger zu fahren, sei nicht möglich. „Sonst würde bereits ein abgefahrener Spiegel die ganze Rechnung über den Haufen schmeißen.“Ihm blieb daher nur ein ganz bitterer Schritt übrig: „Ich habe Fahrer entlassen müssen, die schon bis zu 15 Jahre in meinem Unternehmen tätig waren.“Ohne Linienverkehr müsse er neun Busse verkaufen und könne künftig nur noch Reise- und etwas Schulverkehr übernehmen. Kohler-Reisen sei durch den Verlust des Linienverkehrs „um zwei Drittel“geschrumpft.
Empfindlich getroffen hat die Neuverteilung auch die Firma Ludwig Tours aus Zusmarshausen. Ludwig bleibt zwar künftig als Subunternehmer für den Ausschreibungssieger Egenberger im Bereich Zusam auf der Straße und konnte betriebsbedingte Kündigungen vermeiden – der Betrieb musste dennoch deutlich verkleinert werden, da er nur eine begrenzte Anzahl Busse für Egenberger im AVV fahren lassen darf. Zudem muss Ludwig einiges investieren: „Ich benötige neue Busse, um den AVV-Standard zu erreichen“, sagt er. Und der ist recht hoch. Dabei handle es sich um Hybridomnibusse, die alle die aktuelle Euro-6-Abgasnorm erfüllen. Alle Neufahrzeuge sind zudem vollniederflurig und damit barrierefrei, verfügen über große Fahrzielanzeigen, sind klimatisiert und mit WLAN ausgestattet. Zudem können in den neuen Bussen auch E-Scooter mitgenommen werden.
Dieser hohe Standard ist laut AVV mit ein Grund, dass trotz europaweiter Ausschreibung keine ausländischen Anbieter zum Zug gekommen sind. „Aufgrund der Zuschnitte der Linienbündel sind diese für internationale Firmen uninteressant, da sich der Aufbau der geforderten Infrastruktur nicht lohnen würde“, erklärt AVV-Pressesprecherin Irene Goßner. Beteiligen würden sich daher ausschließlich regionale Busunternehmer, die bereits im AVV fahren und auch die nötige Infrastruktur wie etwa einen Be- triebshof im Verbundgebiet vorweisen können. Christian Kohler hat eine ganz andere Meinung: „Diese EU-Ausschreibung macht den gesamten Mittelstand kaputt“, sagt er.
Aktuell laufende und kommende europaweite AVV-Ausschreibungen betreffen übrigens wieder Linien im Wittelsbacher Land. Heuer wird der Auftrag mit Start zum Jahresende für ein Friedberger Bündel vergeben. Und im nächsten Jahr geht es dann um Busverbindungen im nördlichen Landkreis rund um Aichach. Die neuen Verträge beginnen dann Ende 2020. Davon betroffen sind kleinere Busfirmen wie zum Beispiel Ankner aus Sielenbach, die derzeit auf einem Teil dieser Linien unterwegs sind. Mit Abschluss dieser Verfahren sind dann alle Strecken im Landkreis erstmals EUweit ausgeschrieben worden.
Im Hintergrund des Vergabestreits schwelt aber noch ein ganz anderer Brand in der Busbranche. Rauchzeichen war eine große Razzia Mitte 2016, als Polizisten die Zentrale der Regionalbus Augsburg GmbH (RBA) durchsuchten. Besuch von Ermittlern bekamen damals auch rund zehn weitere Busfirmen in der Region. Es ging um den Verdacht, dass die Unternehmen ein großes Kartell gebildet haben – zulasten von Kommunen, Freistaat und Nahverkehrskunden (wir berichteten mehrmals) und indirekt auch allen Steuerzahlern. Es gab aber bereits damals Busunternehmer, die als Zeugen aussagten und Beteiligte des mutmaßlichen Kartells belasteten. Das mutmaßliche Buskartell soll seit dem Jahr 2006 bestanden haben. Die zehn Firmen vereinbarten damals schriftlich, dass sie sich bei den Regionalbuslinien gegenseitig keine Konkurrenz machen wollen. Wer sich nicht daran halten würde, sollte angeblich 100 000 Euro Strafe zahlen. Die Ermittler fanden dieses Dokument.
Die Folge: höhere Kosten für die öffentliche Hand und Fahrgäste. Busunternehmer, die das Kartell gebildet haben sollen, waren Anteilseigner an der Regionalbus Augsburg GmbH kurz RBA. Die RBA ist selbst ein großer Nahverkehrsanbieter in der Region. An der Gesellschaft waren auch Kommunen beteiligt. Das Bundeskartellamt sieht die RBA-Struktur kritisch. Die Behörde hat ihr Verfahren der Staatsanwaltschaft übergeben. Das Ergebnis der Ermittlungen der Augsburger Strafverfolger wird seit Monaten erwartet und es soll in absehbarer Zeit eintreffen. Die Spannung von Beteiligten und deren Konkurrenten, ob es zu einer Anklage und Bußgeldern kommt, dürfte noch wesentlich höher sein als vor einer Buslinienvergabe.
Die Vergabe von AVV-Buslinien läuft nicht immer ohne Verwerfungen ab.