Wie riskant der Wechsel zum Strom-Billiganbieter ist
Energie Die Pleite des Unternehmens BEV hat bis zu 500000 Kunden getroffen. Die Insolvenz zeigt die Fallen der Schnäppchenjagd
Essen Der Wechsel des Strom- oder Gasanbieters ist finanziell attraktiv – einige hundert Euro kann eine Familie im Jahr sparen, wenn sie sich von einem Energiediscounter statt von Stadtwerken oder anderen etablierten Stromversorgern beliefern lässt. Doch so ein Wechsel ist nicht immer risikolos. Das mussten jetzt die rund 500 000 Kunden des Billiganbieters Bayerische Energieversorgung (BEV) erfahren, der in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet hat. Sie bekommen zwar weiter Strom und Gas geliefert, aber nicht mehr zu den günstigen BEVKonditionen, sondern zu den höheren Preisen ihres örtlichen Grundversorgers, der in solchen Fällen einspringen muss. Noch nicht ausgezahlte Boni, mit denen BEV Kunden angelockt hat, könnten verloren sein. Die BEV-Insolvenz hat eine Diskussion darüber ausgelöst, ob den Billiganbietern nicht genauer auf die Finger geschaut werden müsse, und wer das tun sollte.
Die Pleite ist nur das jüngste Beispiel unter den Billigstromanbietern. Im Jahr 2017 hatte es den Anbieter Care Energy aus Hamburg erwischt. Etwas länger zurückliegen die Insolvenzen von Flexstrom und Teldafax mit jeweils mehreren 100000 betroffenen Kunden. Nach der BEV-Insolvenz sind die Vergleichsportale in die Kritik geraten.
Kritik über den Bundesverband der Verbraucherzentralen: „Verbraucher wären besser geschützt, würden Vergleichsportale beim Ranking der Energieanbieter stärker berücksichtigen müssen, ob diese nur kurzfristig oder dauerhaft günstige Tarife anbieten“, fordert Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Portale „mit großer Sorgfalt und Transparenz informieren“, sagt der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.
Vergleichsportale Verivox und Check24 spielen auf dem Strommarkt eine immer wichtigere Rolle. „Fast jeder vierte Energieversorgungsvertrag von Haushaltskunden wird inzwischen über ein Vergleichsportal vermittelt“, stellt der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, fest. Alleine kann sich ein Stromkunde kaum einen Überblick über die Angebotsvielfalt verschaffen, denn im Durchschnitt kann jeder Haushalt unter 124 Anbietern wählen, wie die Bundesnetzagentur errechnet hat. Die Portale bekommen für die Vermittlung neuer Kunden Provisionen von den Lieferanten. Deren Höhe habe aber keinen Einfluss auf das Ranking der Angebote, versichern sie.
Verivox und Co. sehen ihre Rolle auch nicht als Kontrolleure der Stromlieferanten. „Wir sind als Vergleichsportal nicht die Wächter des Marktes, sondern können den Markt nur transparent widerspiegeln“, sagte Verivox-Managerin Dagmar Ginzel. Ähnlich argumentiert Check24: „Wir haben keine umfassende Einsicht in die finanzielle Situation von Energieanbietern“, teilte ein Sprecher mit. Es sei Aufgabe der Bundesnetzagentur, „eine möglichst sichere, preisgünstige und verbraucherfreundliche Versorgung mit Strom und Gas sicherzustellen“, betonte Ginzel. Im Fall BEV wie bei früheren Anbieterinsolvenzen zeige sich aber, dass die Behörde „eher zu spät als zu früh eingreift“. Was die Bonner Behörde anders sieht.
In allen Fällen seien „stets die jeweils erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen eingeleitet“worden, erklärte die Bundesnetzagentur. Die Behörde wirbt dafür, den Wettbewerb zwischen den Anbietern zu nutzen, um sich gegen steigende Strompreise zu wappnen. Viele Haushaltskunden tun das. Fast 4,7 Millionen von ihnen haben im Jahr 2017 ihren Stromlieferanten gewechselt. Die Zahlen stagnierten im Vergleich zum Vorjahr, was Netz- agentur-Chef Jochen Homann für „unverständlich“hält.
Unter denen, die einen neuen Stromanbieter suchen, sind aber immer mehr Profiwechsler, „die jedes Jahr ein neues günstiges Angebot finden“, beobachtet Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Die Billiganbieter geraten damit von zwei Seiten unter Druck. Weniger Kunden bleiben ihnen auch nach Auslaufen der Lockvogelangebote treu. Zugleich steigen ihre Beschaffungskosten. Denn der Preis an der
„Wir empfehlen, auffallend günstige Angebote genau zu prüfen und sich der Risiken bewusst zu sein.“
Ein Sprecher der Bundesnetzagentur
Strombörse, wo sich viele Discounter kurzfristig eindecken, ist nach Zahlen der Bundesnetzagentur seit Anfang 2018 um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Im Endeffekt, da sind sich Vergleichsportale und Netzagentur einig, muss der Verbraucher selbst aufpassen. Grundsätzlich gebe es „keine dauerhaft günstigen Tarife“, betonte Verivox-Managerin Ginzel.
„Ob ein Unternehmen über das erste Vertragsjahr hinaus dauerhaft günstige Tarife anbieten kann, ist ein Blick in die Glaskugel“, hieß es bei Check24. Ein Sprecher der Netzagentur sagt: „Generell empfehlen wir Verbrauchern, auffallend günstige Angebote genau zu prüfen und sich der möglichen Risiken bewusst zu sein.“Claus Haffert, dpa