Knoblauch-Heuschrecken sind der Renner
Ernährung Die Aichacher Volkshochschule hat einen besonderen Kurs im Programm: Kochen mit Insekten. Unsere Mitarbeiterin Anna Schmid wagt den Selbstversuch und kocht mit. Wie sie den Abend erlebt hat
Aichach Da steht sie vor mir, die Komposition mit Kniff: dampfender Duftreis, würzige Chili-TamarindeSoße und Thai-Basilikum-Blätter, garniert mit – in Knoblauch knusprig gebratenen – Heuschrecken. Eine kulinarische Offenbarung oder doch eher ein „Schrecken“auf dem Teller? Ich gehe dieser Frage in einem kleinen Selbstversuch auf den Grund.
Fühler, Beinchen mit Widerhaken, kleine Chitinkörper – klingt in meinen Ohren wenig verlockend. der Trend des Insektenessens breitet sich aus und ist längst nicht mehr nur als skurrile Erinnerung aus dem Asienurlaub bekannt. Für mein Experiment muss ich auch nicht mal das Land verlassen, sondern nur um die nächste Ecke spazieren. Die Volkshochschule (Vhs) in Aichach bietet einen Kurs für das Zubereiten und Kochen von Insekten an. Zum ersten Mal bei der Vhs in Deutschland überhaupt, wie Kursleiterin Marlene Oberhofer aus Dachau betont. Als Lebensmittel wurden Insekten erst 2018 in die „Novel Food“-Verordnung aufgenommen. Diese regelt die Zulassungen neuartiger Lebensmittel in der Europäischen Union (EU), wie es zuvor etwa bei dem Süßmittel Stevia oder Goji-Beeren der Fall war. Also kommen sie, die Grillen, Heuschrecken und Würmer. Und sie landen auf unseren Tellern.
Die Küche in der Edith-SteinSchule ist gut gefüllt. Zwischen Gemüsebergen, asiatischen Kochzutaten und ominösen Schüsselchen mit grauem Inhalt geselle ich mich zu den anderen zehn Teilnehmern des Kurses. Ein Blick in die Runde: Es sind außer mir nur Männer dabei. Einer von ihnen ist Manuel Frank. Er ist im Vhs- „Die Eule“auf den Kurs gestoßen. „Ich war einfach neugierig“, erklärt er den Grund, warum er sich angemeldet hat. Zwei seiner Freunde – Rainer Ottinger und Roland Haas – sind mit dabei.
Neben den Zutaten gibt es eine Menü-Übersicht mit allen zu kochenden Gerichten – asiatisch angehaucht, mit Grillen und Heuschrecken als Highlight.
Marlene Oberhofer hat die Rezepte für den Kurs selbst entwickelt. Ein Urlaub in Thailand hatte sie auf den Geschmack gebracht. Seitdem kocht die Grafikerin leidenschaftlich gern mit Insekten. „Es ist eine gesunde und leichte Küche“, fasst sie zusammen. Nur mit Würmern könne sie sich nicht anfreunden. Der Grund dafür sei die unleidliche Optik. Doch auch sie kommen im Workshop-Menü vor: als Mehl zu Basilikum-Fusilli verarbeitet.
In Grüppchen widmen sich die Teilnehmer den Gerichten. Der erste Schritt: das Entfernen von Flügeln und Beinen der Heuschrecken. Es ist etwas befremdlich: Die Insekten sind trocken und leicht, sie zerfallen schnell unter den Fingern. Dann geht es an die weitere Zubereitung. Ich stecke meine Nase in die verschiedenen Töpfe und Pfannen, plaudere hier und da, und beDoch komme prompt die erste Kostprobe gereicht. In Panko, einem Paniermehl aus Brot, frittierte Heuschrecke, zusammen mit Wasabi und Ingwer, stilvoll angerichtet auf einem Löffel. Erwartungsvolle Blicke. Ich beäuge das frittierte Insekt, den gerippten Körper unter der Panade, die durchschimmernden Augen, bekomme Zweifel – und schiebe mir den Löffel schnell in den Mund. Es ist knusprig, dann scharf, die Heuschrecke zerbröselt wie ein Kartoffelchip, schmeckt leicht nussig. Die Stückchen zerfallen nicht, sondern müssen zerkaut werden – sehr ungewöhnlich.
Bald sind auch die nächsten Gruppen mit ihren Gerichten fertig. Verkostet wird mit allen anderen Teilnehmern zusammen. Die Resonanz ist einmalig. Heuschrecken im Speckmantel mit Joghurt-Kurkuma-Soße, umhüllt von Tempura oder zu würzigem Chili, Wurm-Nudeln, angebratene Grillen im Zucchini-Gemüse: Alle sind begeistert. Der Höhepunkt ist das Chili mit den KnoblauchHeuschrecken, die Soße wird noch aus der Pfanne verzehrt, alle Reste gehen weg. Manuel Frank meint: „Die Konsistenz ist ein bisschen wie Blätterteig.“Sein Freund Rainer Ottinger scherzt, er werde jetzt auf Insektenfang im Haus geProgramm hen, so lecker seien die Krabbeltiere.
Pluspunkte für ihren Verzehr bieten neben der krossen Textur auch die umweltfreundliche Züchtung und die Nährwerte der Insekten. Ein hoher Proteingehalt, ungesättigte Fettsäuren und Vitamine, dazu eine unschlagbare Ökobilanz gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion – es spricht alles dafür.
Für meinen Geschmack könnten es weniger Augen, Flügel und Chitin sein. Das ist aber (knusprige) Geschmackssache.
Von elf Teilnehmern sind zehn Männer