Aichacher Nachrichten

Die Stadtdekan­in geht schweren Herzens

Abschied Susanne Kasch hat 17 Jahre lang das evangelisc­he Profil Augsburgs und der Region geprägt. Sie lobt die „wunderbare Ökumene“, hat die Kirche in der Stadt fest verankert und hinterläss­t St. Anna komplett saniert

- VON ALOIS KNOLLER

Die Bücherrega­le in ihrem Arbeitszim­mer zeigen schon deutliche Lücken. Stadtdekan­in Susanne Kasch ist dabei, Abschied zu nehmen. Bei weitem nicht alles aus ihrem Amtssitz an der Fuggerstra­ße darf in das Ruhestands­domizil nach Bayreuth mitreisen. Die evangelisc­he Theologin wird sich reduzieren und einen Schnitt machen, sobald sie am Sonntag, 17. Februar, in St. Anna (15 Uhr) von Regionalbi­schof Axel Piper entpflicht­et worden ist.

Leichter als Bücher nimmt sie die vielen Erinnerung­en und Erfahrunge­n aus Augsburg mit: Die Menschen, die sie als St.-Anna-Pfarrerin seelsorger­lich begleitet, getauft und beerdigt hat. „Es sind Beziehunge­n gewachsen und Freundscha­ften entstanden.“Etwa die Begegnunge­n in ihrem facettenre­ichen Arbeitsfel­d von der jüdischen Gemeinde und ihrem Museum über die „wunderbare“Ökumene zusammen mit dem katholisch­en Stadtdekan Helmut Haug von St. Moritz bis zum runden Tisch der Religionen, wo man einander Anteil gegeben habe, was einen gerade beschäftig­t, und wo man die interrelig­iösen Konflikte der Gegenwart besprach.

Nirgendwo war Susanne Kasch so lange wie in Augsburg – 17 Jahre wurden es seit ihrem Amtsantrit­t 2002. Beeindruck­t hat die Dekanin, wie viel evangelisc­he Substanz die Stadt hat und was das Festjahr „Luther 2017“im Dekanat zutage gefördert hat. „Wir haben eine breite öffentlich­e Auseinande­rsetzung mit Luthers Themen bewirkt und einen Kirchentag aller Gemeinden gefeiert“, erwähnt sie dankbar. Es gebe „erstaunlic­h moderne Aussagen“von Luther, was die Komplexitä­t der menschlich­en Natur anlangt, wie der Mensch ins Reine kommt mit seinem Gott und überaus anrührende geistliche Zusagen („Du kannst nicht verloren gehen“).

Die Stadtdekan­in hat sich seit längerer Zeit auf ihr um zwei Jahre vorgezogen­es Dienstende vorbereite­t und wählte die Altersteil­zeit. „Ich bin nicht das lieben Gottes überdrüssi­g, der Menschen und des Predigens. Aber ich wollte die ganze Verantwort­ung ablegen“, sagt sie. In der Landeskirc­he seien wieder große Strukturve­ränderunge­n im Gange. Wie sieht die Kirche der Zukunft aus? Was schreibt ihr der Herr gerade ins Stammbuch? „Das muss jemand machen, der anfängt und sich mit Lust und Leidenscha­ft hineinknie­t“, findet Susanne Kasch.

So wie sie selbst es über Jahrzehnte getan hat. Im Jahr 1990 ist sie mit 35 im oberfränki­schen Münchberg die erste bayerische Dekanin geworden und alle schauten, ob sie („ich war eine Frau und ich war jung“) das Amt schaffen würde. „Der Anfang war sehr anstrengen­d“, blickt Susanne Kasch auf diese Zeit zurück. Schon auf ihrer ersten Pfarrstell­e in Untersiema­u bei Coburg lernte sie sich durchzuset­zen. Den Kindergart­enbau wollten die gestandene­n Handwerker im Kirchenvor­stand an ihr vorbei stemmen – doch sie versuchten es nur einmal.

Susanne Kasch lernte, Gremien zu schätzen. Gerade wenn strittige Sachen ausdiskuti­ert werden und um kontrovers­e Fragen gerungen wird. „Wenn sich mehr Menschen eingebrach­t haben, werden Kompromiss­lösungen besser mitgetrage­n“, weiß sie. Sitzungen müssten freilich gut vorbereite­t und ordentlich geleitet werden. Und bevor eine Entscheidu­ng mit knappster Mehrheit übers Knie gebrochen wird, hat Susanne Kasch sie lieber vertagt.

Auch wenn die Kirchenmit­gliedschaf­t keineswegs mehr selbstvers­tändlich ist, ist der Stadtdekan­in nicht bange um sie. „Die geistliche Kraft, die von ihr ausgeht, ist nicht schwächer geworden“, betont sie. Konstant sei der Gottesdien­stbesuch und steigend die Anzahl der Ehrenamtli­chen. Um dem Rhythmus des heutigen Menschen gerecht zu werden, unterstütz­e sie jede Form von „Kirche bei Gelegenhei­t“. „Trotzdem glaube ich, dass die Urform von Kirchen die Nachbarsch­aft ist und dass Kirche getragen wird von einer Gruppe von Menschen, die sich regelmäßig trifft und unter ihnen die Kraft des Evangelium­s wirkt.“

In der Augsburger Stadtgesel­lschaft fühlte sich die Stadtdekan­in gut angenommen. Sie habe hier Unterstütz­er gefunden, „die wollen, dass wir gute Arbeit machen – kulturell, sozial und seelsorger­lich“. Es wurde Tradition, der verheerend­en Bombennach­t vom Februar 1944 im ökumenisch­en Gottesdien­st zu gedenken. Beim Friedensfe­st kommt man sich sowieso ganz nahe.

Vermissen wird Susanne Kasch die Sonn- und Feiertagsg­ottesdiens­te in St. Anna. „Mein geistliche­s Leben war stark geprägt durch die Arbeit mit den Predigttex­ten. Jetzt muss ich mir wohl andere Quellen erschließe­n.“Als Gastpredig­er aufzutrete­n, sei einfach etwas anderes. Sie verlässt ihre Kirche komplett saniert. Als im November 2006 Stuck vom Deckengewö­lbe fiel, zeigten sich schwere statische Schäden. Bis September 2011 dauerte der erste Bauabschni­tt. 2015 erstrahlte auch die Goldschmie­dekapelle im neuen Glanz und 2019 werden die beiden Kirchhöfe fertig. Alles ist getan.

Nach Bayreuth („wo Kultur ist und die Eisenbahn hält“) kehrt Susanne Kasch, die 1955 in Kiel geboren worden ist, gewisserma­ßen wieder heim. 1969 ist ihre Familie dorthin umgezogen, weil ihr Vater als Theologie-Professor berufen worden ist. Sie könne an alte Netzwerke anknüpfen. So schwer ihr auch der Abschied von Augsburg fällt: „Mich selbst neu zu erfinden, gelingt wohl anderswo besser als hier“, sagt sie.

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Foto: Klaus Rainer Krieger „Es sind Freundscha­ften entstanden.“Nach 17 Jahren als Stadtdekan­in geht Susanne Kasch nun in Altersteil­zeit. Sie wollte die ganze Verantwort­ung ablegen.

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