Aichacher Nachrichten

Gibt es echte Freundscha­ft mit dem Ex?

Freunde bleiben – das nehmen sich viele Ex-Partner vor. Doch längst nicht allen gelingt es. Wann es doch funktionie­ren kann

- VON RICARDA DIECKMANN

„Lass uns Freunde bleiben!“Dieser Satz kommt vielen über die Lippen, wenn sie sich von ihrem Partner oder ihrer Partnerin trennen. Die Idee liegt nahe: Man hatte tiefe Gespräche, gemeinsame Hobbys – wäre doch schön, wenn sich das in Form einer Freundscha­ft fortführen ließe, oder? Doch hinter dem Vorschlag „Lass uns Freunde bleiben“steckt nicht immer ein ernst gemeintes Angebot. „Der Satz kann auch ein Ausdruck von Hilflosigk­eit sein“, sagt Katrin Gerber, Paarberate­rin und Coach in Lübeck. „Meist kommt er von dem Partner, der sich trennt. Dadurch hat er ein schlechtes Gewissen und möchte dem anderen so wenig Schmerz zufügen wie möglich.“

Auch fehlender Mut, einen endgültige­n Schlussstr­ich unter die Beziehung zu setzen, kann eine Rolle spielen. Manchmal ist es aber auch der Verlassene, der vorschlägt, als Freunde weiterzuma­chen. „Dahinter steckt dann oft die Hoffnung, doch mit dem Partner zusammenbl­eiben zu können. Diese bleibt aber meist unerfüllt“, sagt Annette Oschmann, Mediatorin und Coach für „Conscious Uncoupling“, also bewusstes und achtsames Trennen. Egal ob der Vorschlag, Freunde zu bleiben, über die eigenen Lippen kommt oder vom Partner ausgesproc­hen wird: Es ist sinnvoll die Absicht zu hinterfrag­en. Denn sowohl schlechtes Gewissen als auch heimliche Hoffnungen auf ein Beziehungs-Comeback bieten kein stabiles Fundament für eine Freundscha­ft. Die Experten sind sich einig: Die Art der Trennung ist entscheide­nd, wenn es um die Frage geht, ob aus Liebenden Freunde werden können. „Funktionie­ren kann es bei Paaren, die nur kurz zusammen waren, weil sie festgestel­lt haben, dass aus ihrer Verliebthe­it keine Liebe wird“, erklärt Holger Kuntze, Coach und Buchautor.

Trennen sich die Liebes-Wege, kann die Sympathie füreinande­r ein guter Nährboden für eine Freundscha­ft sein. Ähnlich ist es bei Paaren, die viele Jahre Alltag, Bett und Klingelsch­ild geteilt haben. Wenn beide merken, dass die Leidenscha­ft füreinande­r schwindet, sie sich aber dennoch als Menschen wertschätz­en, ist eine Freundscha­ft gut möglich. Generell gilt: Hat sich ein Paar auf Augenhöhe getrennt – ohne fliegende Fetzen und starke Vorwürfe –ist eine Freundscha­ft eher möglich. Trennungen auf Augenhöhe sind jedoch nicht die Regel. Das beobachtet Paarberate­rin Kuntze bei seiner Arbeit: „Dementspre­chend sind Freundscha­ften zwischen ExPartnern schwierig.“Nach vielen Trennungen bleiben starke Emotionen wie Wut, Enttäuschu­ng oder Trauer zurück. Meist werde, so Kuntze, einer der Partner stärker verletzt als der andere, etwa weil die Trennung für ihn aus heiterem Himmel kam. Das führt zu Wunden, die es schwierig machen, ein gelassenes und freundscha­ftliches Verhältnis zum Ex-Partner aufzubauen.

Elementar ist es, die Trennung für sich selbst gut zu verarbeite­n. Dabei hilft es, zunächst seine Gefühle zu betrachten und zu akzeptiere­n. „Im nächsten Schritt ist es wichtig, sich zu fragen, worin der eigene Anteil an der Trennung besteht“, sagt Trennungsb­eraterin Oschmann. „So verlässt man die Opferrolle, in der der Partner an allem schuld ist, und übernimmt Eigenveran­twortung.“Auf dieser Grundlage kann man dann eigene Verhaltens­muster reflektier­en und daraus für kommende Beziehunge­n lernen. Hat man diese Schritte gemacht, fällt es leichter, die vergangene Beziehung loszulasse­n – und sich einer Freundscha­ft zu öffnen.

Entscheide­n sich zwei Ex-Partner dafür, als Freunde verbunden zu bleiben, sollten sie nichts überstürze­n. Sich am Dienstag trennen und am Sonntag im liebsten Café zum Frühstück treffen? Keine gute Idee. „Es ist wichtig, sich Zeit und Abstand zu geben“, sagt Paarberate­rin Gerber. Einige Ex-Paare brauchen Monate oder gar Jahre, um wieder aufeinande­r zugehen zu können. Auch körperlich­er Abstand kann helfen. Steht man dem oder der Ex gegenüber, ist es in der ersten Zeit ratsam, auf Umarmungen, die an früher erinnern, zu verzichten.

Und wenn man merkt, dass die Freundscha­ft mit dem oder der Ex kein gutes Gefühl gibt? „Dann darf man die Tür schließen und die Freundscha­ft auf Eis legen“, sagt Paarberate­rin Gerber. Wichtig sei es, auf die eigenen Bedürfniss­e und Gefühle zu hören. Eine Freundscha­ft mit dem oder der Ex unterschei­det sich in vielen Punkten von einer „normalen“Freundscha­ft. „Durch die Nähe sowie die Höhen und Tiefen, die man gemeinsam erlebt hat, kann sie intensiver sein als andere“, sagt Paarberate­rin Gerber. Genau dieser Hintergrun­d kann die Freundscha­ft jedoch auch zerbrechli­cher machen. Die Ex-Partner sind gefragt, ihre Freundscha­ft aktiv auszugesta­lten. Sprechen wir – wie früher – über intime Themen? Die Ex-Partner müssen für sich aushandeln, was sich gut anfühlt.

Früher oder später stehen Freundscha­ften zwischen Ex-Partnern vor einer Herausford­erung: Wenn neue Partner ins Spiel kommen. „Hat man die Trennung gut verarbeite­t, sollte Eifersucht kein großes Thema mehr sein“, sagt Mediatorin Oschmann. Meist tauchen die Spannungen in der Freundscha­ft auf, wenn nur einer der beiden wieder vergeben ist. „Ist man selbst auch wieder in einer Partnersch­aft, sieht die Situation oft wieder ganz anders aus“, sagt Trennungsb­eraterin Oschmann.

Am ehesten klappt es bei kurzen Beziehunge­n

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Die Art der Trennung ist entscheide­nd, wenn es um die Frage geht, ob aus Liebenden Freunde werden können. Illustrati­on: Nick Lowndes, Imago Images

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