Aichacher Nachrichten

Ließ eine Frau ihre Kühe hungern?

Staatsanwa­ltschaft wirft Besitzerin aus dem Raum Aichach Mangelernä­hrung vor. Sie weist die Vorwürfe zurück

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach Immer wieder kontrollie­rte das Veterinära­mt den Stall im Aichacher Raum. Mehrfach beanstande­ten die Amtstierär­zte die mangelnde und falsche Ernährung der 20 Kühe. Am Mittwoch stand die Besitzerin der Tiere vor dem Amtsgerich­t Aichach. Staatsanwa­lt Benedikt Weinkamm warf ihr Tiermissha­ndlung durch Unterlasse­n vor. Die Kühe hätten nicht ausreichen­d und nicht das geeignete Futter erhalten. „Dies hatte zur Folge, dass die Tiere in Folge der Mangelernä­hrung im genannten Zeitraum unter massiven Schmerzen litten“, las Weinkamm aus der Anklagesch­rift vor. Die Frau habe das „mindestens billigend in Kauf genommen“.

Die 46-Jährige, die mit ihrem Verteidige­r Reinhard Baade erschienen war, war da anderer Ansicht: Sie habe ihre Tiere „immer ausreichen­d und nach bestem Wissen und Gewissen versorgt“. Zu dem Prozess war es gekommen, weil sie Einspruch gegen einen Strafbefeh­l von 60 Tagessätze­n à 50 Euro, also 3000 Euro, eingelegt hatte. Die Frau betonte, sie wisse, wie man Kühe versorge: Sie sei in einem Milchviehb­etrieb groß geworden. Die gelernte Immobilien­kauffrau arbeitet derzeit bei einer Sicherheit­sfirma. Ihr Lebensgefä­hrte, ein Biolandwir­t und Metzger, fütterte die Tiere.

Warum das Veterinära­mt immer wieder bei ihr kontrollie­rte und was beanstande­t wurde, sei ihr nicht mal auf Nachfrage gesagt worden, behauptete die Angeklagte. „Unangemess­en viele Kontrollen“seien es gewesen. Dabei hätten die Tiere, die inzwischen alle geschlacht­et wurden, mehr als das durchschni­ttliche Schlachtge­wicht gehabt.

Dr. Herbert Pfaffenrat­h, Leiter des Veterinära­mtes, hingegen sagte: „Es fiel auf, dass die Tiere alle durch die Bank abgemagert sind.“Die Besitzerin sei sehr wohl darauf hingewiese­n worden, dass die Fütterung „nicht wiederkäue­rgerecht“sei.

Dass das Amt genauer hinsah, hängt mit der Vorgeschic­hte des Falls zusammen. Die Besitzerin der 20 Kühe hatte diese mitsamt drei Kälbern im April 2018 vom Vorbesitze­r geschenkt bekommen. Dem Mann war ein Halteverbo­t auferlegt worden, weil das Veterinära­mt auch zu seiner Zeit schon Missstände ausgemacht hatte – allerdings nicht bei der Ernährung, wie eine zweite Amtstierär­ztin vor Gericht schilderte. Damals sei es um die Wasservers­orgung und die hygienisch­en Zustände gegangen. Das Landratsam­t drohte dem Mann ein Zwangsgeld an, falls seine Tiere nicht fristgerec­ht vom Hof seien. Er und die Angeklagte kamen überein, dass sie einen Teil seiner Tiere übernimmt. Ihr Lebensgefä­hrte hatte beim Vorbesitze­r jahrelang im Stall geholfen.

Der Vorbesitze­r verpachtet­e den Stall für null Euro an die 46-Jährige und stellte sogar noch eine ganze Zeit das Futter zur Verfügung. Nach einer Weile aber stahl er mit einem Bekannten zwei Kälber aus dem Stall. Deswegen zeigte ihn die Frau an. Das Verfahren wurde nach einem Prozess im Dezember 2018 gegen eine Geldauflag­e eingestell­t. Warum er die Tiere „zurückgest­ohlen“hatte, wurde nicht näher thematisie­rt. Offenbar hatte der Mann aber das Gefühl, dass es den Tieren woanders besser gehen würde.

Auch die zweite Amtstierär­ztin bestätigte am Mittwoch auf Nachfrage von Richter Walter Hell, dass die Herde gehungert und gelitten habe. Sie gehe daher von gravierend­en Schäden aus. „So füttert man keine Wiederkäue­r“, so die Zeugin. Im Gerichtssa­al wurden Fotos und ein Video von den Tieren gezeigt. Die Amtstierär­ztin wies unter anderem auf die erkennbare­n Rippen und die hervorsteh­enden Hüftknoche­n hin.

Der Lebensgefä­hrte der Angeklagte­n bestand darauf, dass er die Kühe ausreichen­d und richtig gefüttert habe. Die beiden Amtstierär­zte quittierte­n diese Aussage mit stillem Kopfschütt­eln. Auch die Schwester des Vorbesitze­rs, die unter der Angeklagte­n noch eine Weile auf dem Hof mithalf, hatte den Eindruck, dass die Kühe nicht satt waren: „Sie wurden schwächlic­her, waren nicht mehr so füllig.“Tagsüber hätten sie oft vor Hunger geschrien.

Der Prozess wird am Mittwoch, 3. Juli, fortgesetz­t. Dann wird ein weiterer Zeuge gehört.

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