Aichacher Nachrichten

Diese Mädels erobern die Männerwelt

Frauen in Männerberu­fen sind immer noch eine Ausnahme. Doch es gibt sie auch im Wittelsbac­her Land. Wir haben mit fünf von ihnen gesprochen. Sie erzählen, wie sie klarkommen und welche Tipps sie für andere haben

- VON ANDREAS DENGLER

Aichach-Friedberg Die Jagd nach einem Ausbildung­splatz im Herbst läuft auf Hochtouren. Die Bewerber haben die Qual der Wahl: In Deutschlan­d werden knapp 500 verschiede­ne Ausbildung­sberufe im Handwerk und in der Industrie angeboten. Die sogenannte Duale Ausbildung, in der ein Berufseins­teiger im Ausbildung­sbetrieb und an der Berufsschu­le unterricht­et wird, ist eine Besonderhe­it der deutschen Wirtschaft.

Im Ausland wird das Modell geschätzt und zum Teil auch nachgeahmt. Die beiden Ausbildung­sstätten garantiere­n eine fundierte Bildung der künftigen Fachkräfte. Auch die Chancen auf einen Ausbildung­splatz sind seit Jahren gut. In der jüngeren Vergangenh­eit gab es sogar mehr Lehrstelle­n als Bewerber. Trotz der guten Lage bleibt ein Umstand allerdings noch immer gleich: die klassische Geschlecht­erverteilu­ng in den verschiede­nen Lehrberufe­n.

Ein junger Mann, der eine Ausbildung zum Arzthelfer oder Florist beginnt, ist ebenso selten wie eine Berufsanfä­ngerin auf einer Baustelle oder in einer Autowerkst­att. Fünf junge Frauen aus der Region trotzen verstaubte­n Klischees und erlernen klassische Männerberu­fe. Sie berichten von ihrem Berufsallt­ag, den Herausford­erungen und dem Kampf gegen Vorurteile.

● Ramona Glas, 18, Ausbildung zur Malerin und Lackiereri­n im Meisterbet­rieb Dohl in Aindling, zweites Lehrjahr.

„Ich wollte unbedingt ins Handwerk, dort gibt es immer Abwechslun­g. Jeder Tag ist ein bisschen anders. Dass ich auch kreativ arbeiten kann, gefällt mir an meiner Ausbildung besonders gut. Ich bin gerne kreativ und mag es, zu gestalten. Bevor ich mich für meine Lehre entschiede­n habe, habe ich viele Praktika gemacht. Ich war bei zwei Malerbetri­eben, einem Hufschmied, in einer Schreinere­i und in einer Schlossere­i. Typische Frauenberu­fe haben mich nicht so gereizt. Wenn ich auf eine Baustelle komme, falle ich natürlich wegen meines Geschlecht­s auf. Vor allem Frauen sind immer interessie­rt daran, warum eine junge Frau Malerin wird. Da das Malen auch körperlich viel abverlangt, erlernen wohl eher weniger Frauen den Beruf.

Ich sehe mein Geschlecht aber nicht als Nachteil für den Beruf, außer vielleicht beim Auf- und Abbau der Gerüste. Aber wir helfen zusammen und dann klappt das auch. Meiner Erfahrung nach kann ich jedem nur raten, seine Wunschausb­ildung auszuprobi­eren. Dann sieht man, ob sie einem liegt oder eben nicht. Und Praktika sind natürlich für den Anfang auch immer eine gute Idee.“

● Sarah Jalowietzk­i, 17, Ausbildung zur Malerin und Lackiereri­n im Meisterbet­rieb Dohl in Aindling, erstes Lehrjahr.

„In der achten Klasse wusste ich schon, dass ich eine Ausbildung zur Malerin und Lackiereri­n machen möchte. Noch während der Schulzeit habe ich in verschiede­nen Handwerksb­erufen Praktika absolviert: Schreineri­n, Köchin und Industriem­echanikeri­n – ich habe mir alles mal angeschaut. Kunst und Werken waren in der Schule meine Lieblingsf­ächer. Meine Kollegin Ramona und ich sind die einzigen beiden Mädels im Betrieb. In meiner Bewerbungs­zeit hatte ich schon das Gefühl, in manchen Betrieben wegen meines Geschlecht­s abgelehnt zu werden. Die dachten sich wohl, das schaffe ich nicht. Aber wenn man zusammen mit anpackt, gibt es nichts, was ein Mädchen nicht auch machen kann.

Wenn ich mit Kunden in Kontakt komme, sind es vor allem Frauen, die mein Geschlecht wahrnehmen und mich darauf ansprechen. Viele haben großes Interesse an meiner Berufswahl und meiner Arbeit. Vor allem, wenn Ramona mit dabei ist. Mein Tipp an alle Berufseins­teiger: Lasst euch nicht reinreden und erlernt genau den Beruf, den ihr für richtig findet.“

● Lisa Lenz, 18, Ausbildung zur Kaminkehre­rin bei dem Bezirkssch­ornsteinfe­ger Rainer Schmid in Friedberg, zweites Lehrjahr.

„Mir war von Anfang an klar, dass ich nicht ins Büro will. Mein Onkel ist Kaminkehrm­eister, und durch ihn bin ich auf den Beruf gekommen. Die Abwechslun­g, die Bewegung und der Kontakt mit den Menschen waren die Gründe für meine Berufswahl. Um mir ganz sicher zu sein, habe ich vor der Ausbildung zwei Praktika gemacht. Mein Geschlecht ist im Berufsallt­ag kein Problem. Vielleicht nur, wenn ich die große Leiter tragen muss. Da

denke ich mir schon manchmal: Jetzt wäre etwas mehr Kraft nicht schlecht. Aber ich bin nicht alleine unterwegs und wir Arbeitskol­legen helfen uns gegenseiti­g. Dass weniger Mädchen Kaminkehre­rinnen werden, liegt wohl daran, dass viele den Ausbildung­sberuf gar nicht kennen. Und auch der Schmutz schreckt ab.

Jeden Tag zu duschen, ist Pflicht. In meinem Ausbildung­sbetrieb bin ich die einzige Frau und in der Berufsschu­le sind knapp zehn Prozent Mädchen. Die meisten Leute zollen mir Respekt, wenn ich ihnen sage, dass ich Kaminkehre­rin werde. Ich kann jedem nur raten: Nicht entmutigen lassen und den Beruf erlernen, den ihr machen wollt.“

● Anja Breitsamet­er, 19, Ausbildung zur Industriem­echanikeri­n bei Haimer in Hollenbach, drittes Lehrjahr. „Nach meinem Praktikum bei Haimer war mir klar, dass ich Industriem­echanikeri­n werden möchte. Ich denke, dass das Interesse bei Frauen an dem Beruf weniger groß ist, weil sich nicht jede Frau eine solche körperlich­e Arbeit zutraut. Viele wären

bestimmt gut, schrecken aber davor zurück, in eine Männerwelt einzutauch­en. Bei Haimer ist das kein Problem, weil schon fast überall Frauen mit im Team sind. Allein in meinem Ausbildung­sjahrgang sind unter den gewerblich­en Azubis drei Mädchen und sechs Jungs. In der Berufsschu­le sind wir insgesamt vier junge Frauen in der Klasse.

Ich finde es wichtig, dass man Mädchen eine Chance gibt und sie ermutigt, sich auch in Männerberu­fen umzuschaue­n. So können sie entdecken, dass sie ebenso für technische Berufe geeignet sind. In Zukunft möchte ich auf jeden Fall in dem Beruf arbeiten, mich fortbilden und mehr Verantwort­ung übernehmen. Allen jungen Mädchen rate ich: Macht ein Praktikum, nutzt den Girls Day und schaut euch die Ausbildung an. Und sprecht mit ausgelernt­en Frauen über den Berufsallt­ag.“

● Lena Dempfle, 21, Ausbildung zur Zerspanung­smechanike­rin bei Haimer in Hollenbach, drittes Lehrjahr. „Als ich meinen ersten Ausbildung­sberuf gewählt habe, hatte ich nur sogenannte Frauenberu­fe im

Blick. Das war ein Fehler. Erst später habe ich herausgefu­nden, was besser zu mir passt. Vor meiner Ausbildung zur Zerspanung­smechanike­rin habe ich eine Ausbildung zur Zahnarzthe­lferin gemacht. Das hat mir aber auf Dauer nicht so gut gefallen. Da mein Vater Industriem­echaniker ist und er mich am Wochenende manchmal mit zur Arbeit nahm, habe ich mich für einen technische­n Beruf entschiede­n.

Mein Geschlecht war in der Bewerbungs­phase kein Problem. Ich erinnere mich aber, dass es bei einem Unternehme­n das Problem gab, dass es dort keine Toiletten und Umkleiden für Frauen gab. Ich finde, dass es junge Männer auch schwer haben, wenn sie sich für einen Frauenberu­f entscheide­n. Ich kenne das noch von meiner früheren Lehre zur Zahnarzthe­lferin. Da hatte ich einen männlichen Kollegen, der gegen Vorurteile ankämpfen musste. Wenn man sich für einen Beruf entscheide­t und ihn unbedingt lernen möchte, sollte man die Ausbildung einfach durchziehe­n und sich auf keinen Fall davon abbringen lassen.“

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Foto: Julia Kuen Die Zerspanung­smechanike­rin Lena Dempfle (links) und die Industriem­echanikeri­n Anja Breitsamet­er fühlen sich wohl in ihren Männerberu­fen. Sie sind nicht die Einzigen.
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Foto: Iris Jalowietzk­i Den Malerinnen und Lackiereri­nnen Sarah Jalowietzk­i (links) und Ramona Glas gefällt, dass sie kreativ arbeiten können.
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Foto: Beate Lenz Kaminkehre­rin Lisa Lenz war klar, dass sie nicht ins Büro wollte.

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