Pit und Paule als Part im Politpoker
Der Panda-Nachwuchs in Berlin erregt weltweites Aufsehen, ist deutschlandweit einzigartig. Tausende Besucher sind bereits in den Zoo geströmt, um die süßen Zwillinge zu sehen. Es gilt, die bedrohte Tierart zu retten – oder?
Berlin Hellrosa und ziemlich zerknautscht, so kamen die Zwillinge Meng Xiang und Meng Yuan auf die Welt. Die Berliner nennen die zwei Pandas seitdem liebevoll Pit und Paule. Sind das wirklich Bären oder doch eher haarlose Hamster, hatte sich der Berliner Zoodirektor noch gefragt. Heute, knapp acht Monate später, sind Fell und Farbe längst zu sehen und der Hype um die flauschigen Bärchen ist weit über die Hauptstadtgrenzen hinaus gewachsen. Bis zur vorübergehenden Schließung wegen des Coronavirus sind begeisterte Besucher in Scharen in den Zoo geströmt. Klar, wahnsinnig süß und unglaublich knuffig sind sie, die beiden schwarz-weißen Fellknäuel. Deutschlands erster PandaNachwuchs noch dazu. Und es wird eine bedrohte Tierart gerettet, darum geht es schließlich im Kern – oder steckt doch mehr dahinter?
Die Eltern von Pit und Paule sind in der Volksrepublik China geboren. Mutter Meng Meng, sechs Jahre alt, und Vater Jiao Quing, neun, leben seit Sommer 2017 im Berliner Zoo. Die Pandas, heißt es vonseiten des Tierparks, seien als das Symbol für den Artenschutz schlechthin wichtige Botschafter und sensibilisierten die Besucher. Aktuell leben in China rund 2000 Pandas in freier Wildbahn, etwas mehr als zwei Drittel davon in staatlichen Schutzgebieten. Die Tiere in Gefangenschaft sind derweil eine kostspielige Angelegenheit für jeden Tierpark.
Für die heutigen Panda-Eltern wurde damals extra ein geeignetes Gehege, der sogenannte Panda Garden, für knapp zehn Millionen Euro gebaut. Die Auflagen dafür stellte größtenteils China, etwa für eine eigene Panda-Klinik auf dem Gelände. Hinzu kommen jährlich knapp 200000 Euro für das Futter. Die Tiere gehören derweil mit Haut und Haar der Volksrepublik, sind nur Leihgaben aus Fernost. Laufzeit: 15 Jahre. Als Miete für die zwei erwachsenen Pandas überweist der Berliner Zoo nach eigenen Angaben jedes Jahr rund 920000 Euro an China. 70 Prozent davon fließen laut Tierpark in den Artenschutz im natürlichen Lebensraum der Pandas in China, 20 Prozent des Geldes flößen in die Forschung, zehn Prozent seien Verwaltungskosten. Auch für Pit und Paule fällt eine Mietpauschale an – über deren Höhe herrscht allerdings Stillschweigen. Die zwei Jungtiere dürfen voraussichtlich ohnehin nur höchstens vier Jahre in Berlin bleiben und werden dann nach China gebracht.
Angesichts vieler notwendiger Investitionen im Zoo wäre das Geld
anderweitig notwendig gewesen, kritisiert James Brückner, Leiter des Fachreferats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund: „Etwa um die Haltungsbedingungen vieler anderer Tiere zu verbessern.“Der Tierschützer stellt auch in Frage, ob die Pandas tatsächlich Botschafter für Artenschutz sind und die Besucher sensibilisieren: „Es fehlen nach wie vor entsprechende Belege, dass der normale Zoobesucher sein Verhalten ändert oder sich stärker für Artenschutzbeeinsetzt.“Insgesamt hätten Zoos bisher nur wenige Tierarten durch Nachzucht und Haltung vor dem Aussterben bewahren können, sagt Brückner: „Aus unserer Sicht sollte der Fokus der Zoos grundsätzlich verstärkt auf heimische Arten gelegt werden anstatt auf eine Vielzahl von Exoten.“
Gerade mal eine Handvoll in Gefangenschaft gezüchteter Pandas seien bisher in China ausgewildert worden, gibt der Tierschützer zu bedenken: „Der Beitrag zur Arterauch haltung ist entsprechend gering.“Aus seiner Sicht geht es bei den Pandas in der Hauptstadt vordergründig nicht um Artenschutz und Nachhaltigkeit, sondern darum, neue Zuschauermagneten im Zoo zu halten: „Die letzten Panda-Paare in Berlin zeugten keinen Nachwuchs. Sie waren dort als Zuschauermagnet bis zu ihrem Tod.“Dass die Nachzucht kürzlich nun doch geglückt ist, hält natürlich auch Brückner für eine erfreuliche Nachricht – ganz unkritisch sieht er aber auch diese nicht, denn: „Der lange Transport, den die jetzigen Jungtiere vor sich haben, wenn sie zurück nach China gebracht werden, bedeutet erheblichen Stress für die Tiere. “
Eines dürfte hingegen unbestritten sein: Die Pandas polarisieren. Diesen Umstand nutzt China bereits seit vielen Jahrzehnten als Diplomatie-Modell, um sich ausgewählten Ländern politisch anzunähern. Die sogenannte Panda-Politik hat eine lange Geschichte. So hat US-Präsident Richard Nixon 1972 einen Pandabären von einem Staatsbesuch beim damaligen chinesischen Staatschef Mao Zedong mitgebracht. Auch Kanzler Helmut Schmidt bekam 1980 zwei Bären für Berlin. Die Geschenke wurden aber nicht imlange mer angenommen, zuletzt verweigerte Taiwan im Jahr 2005 aus politischen Gründen zwei Bären. Bis 2007 hat China dennoch insgesamt 24 Mal Pandas verschenkt. Seitdem werden die Tiere hingegen nicht mehr als Geschenke verteilt, sondern ausschließlich verliehen. Lassen sich die Zoos, geblendet von satten Besucherzahlen, nun also mit den knuffigen Bärchen kaufen?
Ganz so einfach ist es nicht, sagt Panda-Experte und Autor Jan Mohnhaupt: „Die Zoos machen sich in gewisser Weise schon abhängig, denn China gibt seine Leihgaben nicht wahllos heraus, sondern hat hohe Anforderungen und schaut sich die Bewerber sowie die dortigen Bedingungen genau an.“Die Panda-Diplomatie, wie sie im Kalten Krieg betrieben wurde, sei aber längst vorbei. „Damals waren es echte Staatsgeschenke und keine Leihgaben wie heutzutage.“Aber Pandas hätten immer noch eine politische Aufgabe, sagt der Experte – wenn auch indirekt: „Sie sorgen in den Zoos weltweit als positive Botschafter für ihr Herkunftsland und nicht nur für die dortige Natur. Und es ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer Panda-Leihgabe auch weitere Geschäfte getätigt werden.“