Ein Stadtrat auf Kuschelkurs
Debatte Eva Weber will sich dafür einsetzen, dass sich die Parteien in den politischen Gremien besser wiederfinden. Bei 15 Gruppierungen könnte das schwer sein. Ein Plädoyer für die Kontroverse
Es ist eine Premiere für Augsburg: Noch nie wurde die Stadt von einer Frau regiert, ab 1. Mai wird sich das ändern. Eva Weber, 42, CSU-Politikerin, hat bei der Stichwahl über 60 Prozent der Stimmen geholt. Es war ein klares Votum.
Beim ein oder anderen Wähler wird die Frage nach Mann oder Frau im OB-Sessel eine Rolle gespielt haben. Den meisten – allen voran Eva Weber selbst – kommt es aber auf etwas anderes an: Hat der oder die Neue die Kompetenz, das Geschick, ja die Leidensfähigkeit, an der Spitze einer 300 000-Einwohner-Stadt zu stehen?
Eva Weber beantwortet diese Frage für sich mit einem klaren Ja. Als Bürgermeisterin und Referentin hat sie in den vergangenen sechs Jahren sicherlich viel gelernt. Mit dem Doppelreferat für Finanzen und Wirtschaft hatte ihr Vorgänger und Förderer Kurt Gribl (CSU) ihr eine mächtige Position innerhalb der Stadtregierung anvertraut. Er hat sie eng in Entscheidungen und Überlegungen eingebunden. Dennoch wird in Webers Ära als Oberbürgermeisterin vieles neu sein – schon deshalb, weil ihr Amtsantritt aufgrund der Corona-Krise in eine Zeit fällt, die Augsburg so noch nie erlebt hat.
Weber ist eine Politikerin mit Prinzipien und klaren Vorstellungen. Wer sie in Sitzungen politischer Gremien erlebt hat, weiß, dass sie klare Ansagen macht. Sie lässt andere Meinungen gelten, doch sie scheut sich nicht, Vorschläge auch mal mit wenigen Argumenten vom Tisch zu fegen, wenn sie sie für unrealisierbar hält. Als Frau unterscheidet sie sich in dieser Hinsicht wenig von ihrem Vorgänger.
In der auslaufenden Amtsperiode gab es zuhauf Kritik an Oberbürgermeister und Referenten – vor allem an deren Stil, einfach „durchrer Die Opposition, geschrumpft zu einer kleinen, wenig einflussreichen Zweckgemeinschaft aus Ohnmächtigen, bemängelte regelmäßig, in Entscheidungen nicht eingebunden zu werden. An der Wand, die die Koalition aus CSU, SPD und Grünen aufgebaut hatte, kam kaum einer vorbei.
Damit soll nun Schluss sein. In ihren jüngsten Interviews hat Eva Weber betont, dass sie Führungsstärke anders definiert, „als dies Kurt Gribl vielleicht getan hat“. Weber will dafür sorgen, dass sich die Gruppierungen im Stadtrat wiederfinden. Ein ehrgeiziges Vorhaben: Statt bislang acht Parteien werden künftig 14 im Augsburger Stadtrat vertreten sein – neun davon mit nur einem oder zwei Politikern. Ein buntes Spektrum an politischen Ansichten.
Die spannende Frage ist, wie die neue Oberbürgermeisterin ein „sich Wiederfinden“definiert. Es könnte heißen, dass Stadträte künftig besser in Entscheidungsfindungen eingebunden werden, statt über fertige Beschlussvorlagen abstimmen zu müssen – was freilich auch in der auslaufenden Amtsperiode nicht immer der Fall war. Es könnte heißen, dass Eva Weber nicht auf eine übermächtige Koalition setzt, sondern sich mit der Mehrheit von 34 Stimmen plus ihzuregieren“.
eigenen zufriedengibt, die ihr eine Verbindung aus CSU und Grünen bescheren würde.
Wer die neue Regierung nun schon auf Kuschelkurs wähnt, liegt falsch. Nicht nur thematisch, auch auf persönlicher Ebene gibt es im Gremium ausreichend Stoff für Kontroversen. Und selbst wenn Parteiinteressen auf kommunalpolitischer Ebene eine kleinere Rolle spielen (sollten) als in der Bundespolitik, komplett zurückstellen lassen sie sich nicht.
Aus Bürgersicht ist eine ernst zu nehmende Opposition ja auch in einem Stadtrat wünschenswert. Was geschieht, wenn sie fehlt, war in den letzten sechs Jahren oft genug zu beobachten: Bürgerproteste wie zuletzt bei der Gelben Tonne oder vor zwei Jahren bei den Baumfällungen am Herrenbach werden umso lauter, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Anliegen von Politikern nicht ernst genommen werden oder sich ein Teil der Politiker in den Gremien nicht durchsetzen kann.