„Bücher lassen reisen“
Nicola Förg
Theater, Konzerte, Ausstellungen, Lesungen – alles abgesagt, stillgelegt und aus der Öffentlichkeit verschwunden. Wir bringen in Coronazeiten an dieser Stelle Wortmeldungen aus der Kultur, die ins Private verbannt ist.
In Frankreich wird der Rotwein knapp in den Regalen, in Deutschland das Klopapier – was sagt das über den Grad einer Zivilisation aus? Die Urangst der Deutschen ist, dass das Scheißhauspapier ausgeht? Die Medien suhlen sich darin, über leere Fußballstadien zu lamentieren, und überbezahlte Fußballsöldnerjungs weinen fast, weil sie ohne Zuschauer nicht kicken können. Das bewegt Deutschland? Dabei waren wir mal eine Kulturnation, Goethe und Schiller würden von ihren Statuen runterreihern…
Auch all die ungenannten Kulturschaffenden, die schon ohne Corona keine Lobby in Fußballdeutschland haben, leiden! Denn unzählige Veranstaltungen in kleinen Klubs werden abgesagt, der Künstler schaut mit dem Ofenrohr ins Gebirge, auch in die Alpen, wo die Skigebiete längst geschlossen haben. Der Künstler lebt von seinen Gagen, er lebt von jeder kleinen Veranstaltung. Er lebt von den CDs, die er dort verkauft. Und wir Schreiberlinge leben in großem Maße von Lesungen. Dort gibt es auch Gagen, die bei vielen Kollegen einen erklecklichen Teil des Jahreseinkommens ausmachen. Auf Lesungen werden zudem Bücher verkauft, aber es geht ja um weit mehr. Lesung ist eine emotionale Bindung zum Leser weit über die Veranstaltung hinaus. Kultur ist Austausch, Gespräch, auch mal widersprüchliche Reaktionen – Kultur ist Menschsein. Mein aktuelles Buch „Flüsternde Wälder“ist mitten in die Krise hinein erschienen und es schmerzt, es nicht vorstellen zu können. Ich kann allen inmitten der Zwangsentschleunigung nur raten, mehr zu lesen. Weil Buchhandlungen ja auch nicht „kriegswichtig“sind, wird man die Bücher online bestellen müssen. Das kann man – bitte, bitte – auch in den Onlineshops der Kleinen tun und nicht bei Amazon. Leute, lest – auf Balkonen, in Gärten, am Kanapee! Bücher schaffen Mirakel, Bücher lassen reisen, auch wenn man es an Ostern dann nicht „auf Malle“schafft.
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Nicola Förg, 57, lebt in Kempten und ist als Autorin gleich zweier Regionalkrimi-Reihen erfolgreich – soeben neu erschienen ist „Flüsternde Wälder“.