Ein Füllhorn an Kulturschätzen
Landeshistoriker bereiten auch auf einem Internetportal ihre riesigen Wissensbestände auf. Bavarikon bietet die Möglichkeit, auf große Entdeckungsreise zu gehen
Augsburg Wir schreiben das Jahr 1249. Der „miles“(Soldat) Sifridus de Bannakern hat dem Augsburger Heilig-Geist-Spital sein Erbgut, „patrimonium suum“, in der „villa Bannakern“zum Geschenk gemacht, und Bischof Hartmann bestätigt die Schenkung. Damit ist die Geschichte eines Anwesens nahe Augsburg erstmals aktenkundig geworden, und seit dieser Erwähnung taucht der Name immer wieder auf – 1567 als Pannackher mit zwei Höfen und zwei Sölden, 1750 als Bonacker, ein „Weyler von 5 Feuerstätten inclusive eines Zapfenwirths. Die hohe Jurisdiction gehöret Burgau, die Nidrige aber dem Eigenthümer“, und das war nach wie vor das Hl. Geist-Spital. 1819 ist Bannacker ein Weiler mit sechs Häusern, einer Kapelle, einer Ziegelhütte; 1883 wohnen dort 36 Menschen.
Das Anwesen mag als Beispiel dafür gelten, wie akribisch die Historiker der Vergangenheit auch kleinster Siedlungen nachgehen. Gerade hat die Kommission für bayerische Landesgeschichte KBL ihr neuestes Ortsnamenbuch herausgebracht, Band 14, und darin geht es um Augsburg und Umgebung. Es bietet über die Namen von Ortschaften, deren Herleitung und wechselnde Schreibweise einen besonderen Zugang zur Historie Bayerns. Personen tauchen auf, die ohne die Koppelung an Orte, ohne dokumentierte Schenkungen oder Verkäufe längst im Nebel der Geschichte verschwunden wären – wie jener Sifridus de Bannakern, oder wie ein Ritter Berchtold von Alpershofen, der 1241 an das Augsburger HeiligKreuz-Kloster seinen Besitz Tebeshouen verkaufte – das kleine Dorf Döpshofen westlich von Augsburg. Auch bekannte Figuren werden erwähnt, etwa Papst Innozenz IV., der 1248 dem „Kloster Schonenwelt“die Privilegien des Zisterzienserordens gewährte. Es handelt sich um das Kloster Oberschönenfeld, das erstmals 1256 so genannt wurde, als Papst Alexander IV. in einer Urkunde vom Kloster „superior Schonenuelt“sprach.
Wer Ortsnamenbücher studiert, taucht in mittelalterliche Herrschaftsund Siedlungsgeschichte ein, entdeckt Mundartformen und verschiedene Lautungen. Für Heimatforscher sind die Ortsnamenbücher wichtige Hilfsmittel. Sie zu erstellen, ist eine komplexe Angelegenheit, weiß Prof. Ferdinand Kramer, Münchner Lehrstuhlinhaber für Bayerische Geschichte und Vorsitzender der KBL, weil Landesgeschichte und Sprachwissenschaft kombiniert werden müssen. Dank eines mundart-wissenschaftlichen Pioniers, Prof. Werner König von der Uni Augsburg, ist das Projekt der Ortsnamenbücher für Schwaben weit fortgeschritten. Deswegen werden die bayerisch-schwäbischen
Ortsnamen auch digital aufbereitet, als Modellprojekt für die Webseite bavarikon.de.
Auf diesem Internetportal präsentieren Archive, Bibliotheken, Denkmalpfleger und Museen des Freistaats ihre Kulturschätze. Dort öffnet sich ein Füllhorn an Themen und Objekten, die exemplarisch für die „Kulturgeschichte Bayern“stehen – eine fantastische Möglichkeit, in eingeschränkten Corona-Zeiten auf Entdeckungsreise durch Bayerns Kultur zu gehen, quer durch alle Genres der Kunst.
Man findet dort Glanzlichter wie Dürers „Selbstbildnis im Pelzrock“aus der Alten Pinakothek, Hans Burgkmairs Cäsarenportraits für Konrad Peutinger von 1505, die Handschrift des Wessobrunner Gebets aus der Bayerischen Staatsbibliothek oder Fritz Königs Plastik „Großes Kreuz“von 1966 – alles mit genauer Objektbeschreibung und zum Teil über 3D-Technik im Detail zu betrachten. Man kann
Baudenkmale, Dokumente oder Personen suchen, man kann im Literaturportal ein Corona-Gedicht von Andrea Heuser lesen oder Ernst Tollers „Jugend in Bayern“wiederentdecken.
Auch zum Historischen Lexikon Bayerns gelangt man über bavarikon.de. Dort findet man Interessantes über Epidemien in Bayern. Als im späten 11. und im 12./13. Jahrhundert die Zahl der Leprakranken infolge der Kreuzzüge enorm zunahm, schreibt Ulrich Knefelkamp, ergriff die Gesellschaft neue Maßnahmen. In der Regel lagerten die Kranken vor den Städten als „Feldsieche“, nun wollte man sie in festen Häusern unter Kontrolle haben. Diese „Leprosorien“, auch Siechenhäuser, Siechköbel oder Gutleuthäuser genannt, wurden an den Ausfallstraßen der Städte errichtet, um möglichst viel Almosen zu erhalten. In Nürnberg etwa gab es ab 1317 ein Siechenhaus St. Leonhard an der Straße Richtung Augsburg.
Über eine neuere Epidemie, die Spanische Grippe von 1918, berichtet ebenfalls im Historischen Lexikon Manfred Vasold: „Vielerorts wurden die Schulen für mehrere Wochen geschlossen, weil zahlreiche Schüler erkrankt waren. Weiterhin geöffnet blieben zumeist jedoch die Theater und Kinos – man wollte der Bevölkerung nicht die Stimmung verderben.“
Durch Portale wie bavarikon lassen sich mit digitaler Technik gewaltige Wissensbestände aufbereiten. Das ist nützlich für Wissenschaftler und unterhaltsam und lehrreich fürs Publikum. Vielleicht noch mehr? Ferdinand Kramer sieht es so: „Wir können unser kulturelles Erbe im 21. Jahrhundert neu nutzen als Instrument gesellschaftlicher Integration.“Dieses Kulturerbe biete viele Ansatzpunkte durch gemeinsame Bilder und Wissensbestände in den Köpfen unterschiedlicher Menschen – „ganz gleich, ob von hier oder zugezogen.“