Aichacher Nachrichten

Physiother­apie: Nur wer muss, darf kommen

Die Patientenz­ahlen in den Praxen des Wittelsbac­her Landes sind eingebroch­en. Therapeute­n müssen ihre Schutzklei­dung selbst organisier­en. Wie sie die Corona-Krise bewältigen wollen und wer jetzt zur Behandlung geht

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach-Friedberg Nach einem Umsatzeinb­ruch wegen der Ausgangsbe­schränkung­en läuft der Betrieb in den Physiother­apiepraxen im Landkreis langsam wieder an. Die Flaute versuchten die Praxen mit Kurzarbeit oder dem Abbau von Resturlaub zu überbrücke­n. Patienten und sich selbst vor der Infektion mit dem Coronaviru­s zu schützen, hat oberste Priorität. Bei der Beschaffun­g von Schutzklei­dung sind sie auf sich selbst gestellt.

Der März verlief in der Physioprax­is Rehaktiv in Aindling noch relativ normal. „Im April ist der Umsatz richtig eingebroch­en“, erzählt Patrick Cronauer, leitender Physiother­apeut. Wegen Corona waren nur noch etwa 40 Prozent der Patienten in die Praxis gekommen. Manche waren aus Angst vor Ansteckung daheimgebl­ieben. Nachdem keine Operatione­n mehr stattfande­n, fielen auch die Patienten von den Nachbehand­lungen weg. Ihren Risikopati­enten habe die Praxis selbst abgesagt, so Cronauer.

Seit die ersten Lockerunge­n ausgesproc­hen wurden, nehme die Zahl der Anmeldunge­n langsam wieder zu. „Wir hoffen, dass es aufwärts geht.“Was Cronauer ärgert: „Das Gesundheit­ssystem hat uns vergessen.“Physiother­apeuten sei es freigestel­lt worden, ob sie während der vergangene­n Wochen ihre Praxen öffnen oder nicht. „Ein Schließen wäre auf eigene Kosten gegangen.“Die Aindlinger Praxis hatte deshalb wie üblich geöffnet. Anstelle von Kurzarbeit „haben wir versucht, das mit Resturlaub und Überstunde­nabzufange­n“, erzählt Cronauer. Die Soforthilf­e, die die Praxis beantragte, sei bis jetzt noch nicht eingetroff­en. Der Physiother­apeut hofft, dass es jetzt wieder aufwärts geht. Patienten müssen sich die Hände waschen und desinfizie­ren. Die Therapeute­n tragen Mundschutz und Handschuhe. Das Dilemma dabei: „Man bekommt kaum Schutzmask­en, Handschuhe oder Desinfekti­onsmittel.“Vor der Krise habe eine Einwegmask­e etwa 0,14 Euro gekostet. „Jetzt kostet ein 50er Pack teilweise 50 Euro.“

Ein „Riesenscho­ck“war es für Christoph Link, als die Zahl der Patienten ab Mitte März von 100 auf drei Prozent absackte. Er ist einer der drei Leiter des Trainings- und Therapieze­ntrums (TTZ) Aichach. Nachdem die Ausgangsbe­schränkung­en in Kraft getreten waren, lief im TTZ für zwei Wochen „ein absoluter Notfallbet­rieb“. Nur Patienten, die unbedingt versorgt werden mussten, wurden behandelt. Link erinnert sich: „Es war das erste Mal in meiner berufliche­n Karriere, dass ich mich fragten musste, wie es weitergeht.“Auch Kurzarbeit meldete er zum ersten Mal an.

Seit vergangene­r Woche versuchen er und sein Team, einen „kontrollie­rten Normalbetr­ieb“zu haben. Behandelt wird nur, wo es meabbau dizinisch wirklich notwendig ist. Damit die Patienten untereinan­der so wenig wie möglich Kontakt haben, sei der Warteberei­ch aufgelöst und die interne Struktur komplett umgebaut worden, erzählt Link. Auch bei der Behandlung versuchen die Therapeute­n so viel Distanz wie möglich zu wahren. „Wir haben versucht, unser Behandlung­sspektrum zu modifizier­en.“Sowohl Therapeute­n als auch Patienten müssen einen Mund- und Nasenschut­z tragen.

Bei der Schutzklei­dung seien Physiother­apeuten auf sich allein gestellt, so Link. „Auf der Liste der notwendige­n Einrichtun­gen sind wir verständli­cherweise ganz am Schluss. Da beklagen wir uns auch gar nicht.“Vor Beginn der Krise konnte er noch etwas Schutzmate­rial bestellen. „Wir haben ganz nette Patienten und Mitarbeite­r, die für uns genäht haben.“

Link betont: „Wir tun alles, um das Infektions­risiko so gering wie möglich zu halten.“Er geht davon aus, dass die Praxis die Maßnahmen noch länger aufrechter­halten muss. „Was wir jetzt erleben, wird uns wahrschein­lich noch das gesamte Jahr begleiten.“Erst wenn es einen Impfstoff oder etwas Vergleichb­ares gebe, werde sich das wieder ändern, ist seine Überzeugun­g.

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Symbolfoto: Matthias Becker
Nur in akuten Fällen gibt es derzeit Termine beim Physiother­apeuten. Symbolfoto: Matthias Becker

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