FitnessGuru muss ins Gefängnis
Ein Sport-Coach und sein Freund haben bundesweit die Bodybuilder-Szene mit illegalen Dopingmitteln versorgt – auch in Augsburg. Nun wurden die Händler verurteilt
Zwei befreundete Männer aus Hannover haben bundesweit die Bodybuilder-Szene mit illegalen Dopingmitteln beliefert, auch in Augsburg hatten sie ihre Käufer. Dafür müssen sie jetzt ins Gefängnis. Die 9. Strafkammer des Augsburger Landgerichts verhängte Haftstrafen von fünf und fast vier Jahren gegen die 29 und 28 Jahre alten Angeklagten. Der Ältere ist Fitness-Coach und Ernährungsberater. Auftritte bei RTL und im Internet haben ihn in der Szene bekannt gemacht.
Der Prozess lieferte Einblicke in einen boomenden Markt. Wie der als Sachverständige geladene Dopinganalytiker Detlef Thieme ausführte, ist die Einnahme von Wachstumshormonen und fettabbauenden Substanzen für die Käufer mit Risiken verbunden. Den Anstoß zu den Ermittlungen des Münchner Zollfahndungsamts gab ein Paket, das im Juni 2018 nicht hatte zugestellt werden können. Einen Monat später traf in der Wuppertaler Paketvermittlungsstelle der DHL erneut eine solche Sendung aus Hannover ein. Wieder lagen darin Ampullen, beschriftet mit „Testosterone“.
Die Täter agierten äußerst vorsichtig, gaben falsche Namen an. So dauerte es mehr als Jahr, bis Fahnder durch die akribische Auswertung von Videoaufzeichnungen in Poststellen und Namensvergleichen auf den Sendungen auf ihre Identität kamen; auch, weil der jüngere der beiden Männer so unvorsichtig gewesen war, eine Sendung mit seiner EC-Karte zu bezahlen.
Männer wie Frauen, die bei dem Coach ihren Körper formen wollten, ließen sich von ihm gegen monatliche Pauschalen beraten und kauften ein. Wer nicht selbst nach Hannover kam, gab seine Bestellung – Mindesteinkaufswert 500 Euro – schriftlich über einen Messenger-Dienst auf. Dieser löscht Nachrichten selbstständig und unwiederbringlich schon nach wenigen Tagen.
In Hannover befand sich auch das Lager der Firma, ein einfacher Kellerraum in einem Mietshaus. Er gehört der Mutter des jüngeren Angeklagten. Ihr Sohn, der als Maurer arbeitet, erhielt die Aufträge schriftlich auf seinem Laptop, stellte das Gewünschte zusammen und brachte es zur Post. Vor dem Augsburger Landgericht saß jetzt auch seine Mutter auf der Anklagebank. Als sie dahintergekommen war, was ihr Sohn im Keller trieb, hatte sie ihm Kartons gefaltet und Paketaufkleber mit falschen Adressen ausgefüllt. Das Gericht ahndete ihr Mitwirken als Beihilfe. Die 62-Jährige wurde zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
„So eine große Menge haben wir
Den Angeklagten konnte der Handel mit tausenden Ampullen und Tabletten nach gewiesen werden. nicht alle Tage“, sagte eine Zollfahnderin aus. In den Regalen stapelten sich Kartons und Tüten mit rund 90 muskelaufbauenden Mitteln. So das Sexualhormon Testosteron in unterschiedlicher Dosierung sowie künstliche Steroide, die eine ähnliche Wirkung zeigen. Verkauft wurde auch der Viagra-Wirkstoff Sildenafil. Er soll unerwünschte Nebenwirkungen wie erektile Dysfunktionen lindern. „Auf den ersten Blick hat uns das erschlagen“, berichtete die Zollfahnderin. Der Abtransport der Ware „im ShuttleService“dauerte mehrere Stunden.
Die Staatsanwalt München, seit 2009 für alle Ermittlungsverfahren in Bayern zuständig, die im Zusammenhang mit Doping im Sport stehen, hatte den Fall in Augsburg angeklagt. Hier wie im Großraum München und Nürnberg hatten Kunden bei dem Fitness-Guru in Hannover gekauft. Auch gegen die Abnehmer laufen Strafverfahren. Staatsanwältin Sandra Thomalla ergeholfen, wähnte in ihrem Plädoyer Indizien, wonach die Angeklagten mutmaßlich etwa 700 Pakete mit Dopingmitteln versandt haben. Angeklagt und verurteilt wurden sie nur für 30 Pakete.
Anders als die Staatsanwaltschaft erkannte das Gericht kein strafverschärfendes, bandenmäßiges Vorgehen der Angeklagten. Wie der Vorsitzende Richter Wolfgang Natale im Urteil begründete, wäre dazu notwendig gewesen zu wissen, wer ihr Geschäftspartner war, der die Ware hergestellt und nach Deutschland geliefert hatte. Die Zollfahnder vermuten ihn in Rumänien.
Den geständigen Angeklagten konnte der Handel mit 19000 Ampullen in unterschiedlicher Größe sowie mit 80000 Tabletten nachgewiesen werden. Zu den Testosteron-Präparaten führte Gutachter Thieme aus, viele auf dem Markt seien Fälschungen: „Sie werden in Untergrundlaboren aus Grundsubstanzen zusammengemixt, die aus
China kommen. Ein relativ einfacher Vorgang.“
Thieme, der unweit Dresden ein Kontrolllabor leitet und bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) akkreditiert ist, warnte vor den lebensbedrohlichen Folgen der Einnahme solcher Präparate. Wer seine Muskeln mit Dopingmittel „aufpumpt“, riskiere demnach Herzinfarkt, Krebs, einen Schlaganfall oder Thrombosen. Akne oder eine tiefe männliche Stimme wie bei einer jungen Bankangestellten, die das Gericht als Zeugin hörte, seien noch die harmloseren Folgen, hieß es. Das zeigt sich auch am angeklagten Fitness-Trainer.
Nach seiner Festnahme erfuhr der Mann, dass seine Leber geschädigt ist. Er gestand zudem, auch illegale Drogen wie Kokain und Spice konsumiert zu haben. Das Gericht folgte mit seinem Urteil der Empfehlung eines forensischen Gutachters und wies den 29-Jährigen in eine Suchtklinik ein.