„Äußern Sie Ihre kulturellen Bedürfnisse!“
Die bayerischen Staatsorchester wenden sich öffentlich an ihr Publikum
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“Den Satz aus Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“werden in der gegenwärtigen Lage viele bestätigen wollen, das Kulturpublikum ebenso wie die Kulturschaffenden. Und so zitieren ihn auch die Orchestervorstände der bayerischen Staatstheater in einem offenen Brief, mit dem sie sich an ihr Publikum wenden.
Anlass für das öffentliche Schreiben, das die Vorstände der Orchester der Bayerischen Staatsoper, des Münchner Gärtnerplatztheaters sowie der beiden Staatstheater in
Augsburg und Nürnberg gemeinsam verfasst haben, ist natürlich der Lockdown, der ja in erheblichem Maße auch Kultureinrichtungen betrifft. Aufgrund dieser Situation, heißt es in dem Brief, seien Kulturinstitutionen mehr denn je auf ihr Publikum angewiesen. „Sie als unser Publikum sind unser Sprachrohr in die Politik und Gesellschaft, wenn es um die Unverzichtbarkeit von Kunst und Kultur geht.“
Zwar betonen die Orchester ausdrücklich, dass sie im Grundsatz hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stünden. Zugleich aber „wünschen wir uns, dass die bestehenden Hygienekonzepte an den bayerischen Staatstheatern
in ihrer Wirksamkeit anerkannt und für die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen konsequent herangezogen werden“.
In dem Schreiben beklagen die Unterzeichner auch die mangelnde Differenzierung. Da die Kultur der Freizeitgestaltung zugeordnet werde, würden Kulturstätten „durch die aktuellen Maßnahmen den Badeanstalten, Freizeitparks, aber auch Spielhallen und Bordellbetrieben gleichgestellt“. Eine falsche Zuordnung, wie die Orchester finden, dienten Kunst und Kultur doch „nicht ,nur‘ der temporären Zerstreuung“, sondern auch der „nachhaltigen Reflexion“. Die Orchestervorstände
rufen deshalb ihr Publikum auf: „Diskutieren Sie mit Freunden und Bekannten, äußern Sie gegenüber ihren örtlichen Politiker:innen, Ihren Wahlkreisabgeordneten Ihre kulturellen Bedürfnisse.“Durch solch gemeinschaftliches Artikulieren zusammen mit dem Publikum hoffen die Orchester, in Gesellschaft und Politik mehr Gehör zu finden.
Die Kulturinstitutionen wissen, was schon Brecht wusste: „Dabei sind wir doch auf Sie angewiesen / Dass Sie bei uns zu Hause sind und genießen.“Dem wäre nur hinzuzufügen, dass das Publikum nicht weniger angewiesen ist – auf die Orchester, die Künstler.