Der sensationelle italienische Wunderheiler
Historie Wie ein Kapuzinerpater die Stadt auf die Beine brachte. Das neue Jahrbuch zur Augsburger Bistumsgeschichte
Sein Auftreten war sensationell. Ein groß Geläuf vieler 1000 Personen verzeichnet 1680 der Chronist, als Pater Marcus d’Aviano nach Augsburg kam. Zahllose kranke und bresthafte Personen wollten sich von dem italienischen Bußprediger helfen lassen. Längst war ihm sein Ruf als wundertätiger Heiler vorausgeeilt. In der Kirche des Münchner Kapuzinerklosters hingen schließlich 150 Krücken, der bayerische Kurfürst Max II. Emmanuel ließ die mirakulösen Vorfälle präzise dokumentieren. Auch der Augsburger Bischof Johann Christoph von Freyberg ließ ein Mirakelbuch anfertigen.
Dies stellt der Volkskunde-Professor Walter Pötzl im neuen Jahrbuch für Augsburger Bistumsgeschichte vor. Nicht nur tausende Zuhörer am 17./18. November 1680 im Fronhof erlebten Erstaunliches, auch in Klöstern der Stadt wirkte der Pater segensreich. Man sah eine Besessene still und sanftmütig werden und eine Verkrümmte konnte wieder gehen. Selbst Fernheilungen soll es damals gegeben haben. Fünf Mal kam Pater Marcus d’Aviano bis 1695 insgesamt nach Augsburg.
An den Chorregent zu St. Moritz und Komponisten Anton Ortner (1823–1900) erinnert Herbert Huber.
Zu Unrecht ist er vergessen, dem der König die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verlieh. Sogar eine Oper („Faustina“) hat er geschrieben und neben der Kirchenmusik den Augsburger Männergesangsverein geleitet. Empfehlungen
von Rheinberger und Lachner brachte er aus München mit, als er sich 1871 zunächst vergebens als Domkapellmeister und dann erfolgreich in St. Moritz bewarb. Die Kritik war ihm gewogen, eine Barcarole aus seiner Oper bot „ein üppiges Bouquet mit berauschendem Duft“.
150 Jahre früher schoss Stiftsdekan Giovanni Battista Bassi (1713– 1776) von St. Moritz giftige Pfeile gegen die Augsburger Jesuiten. Der Aufklärer pries München glücklich, „wo man sich an den Früchten des wahren Wissens erfreut, des reinen Urteils, der nützlicheren und angenehmeren Bildung, im Gegensatz zum ruhigen und unwissenden Augsburg“. Eine Akademie zwecks innerkirchlicher Reformen hätte er 1748/49 gründen und dem Bildungsmonopol der verhassten Jesuiten eine wirksame Alternative entgegensetzen wollen, analysiert Markus Christopher Müller. Doch 1776 kämpfte Bassi immer noch: „Insgesamt bräuchte man, um unsere Feinde zu vernichten, nichts anderes als eine Korrektur, Verbesserung
und Lehre seitens der Autorität, die ihre fanatischen Prinzipien zerstören würde (...).“In der paritätischen Stadt hatte man lieber seine Ruhe vor Religionsstreitereien.
Auf eine spannende Spurensuche in der mittelalterlichen Kunstgeschichte Augsburgs begibt sich Philipp Thomas Wollmann. Er hat sich das erste romanische Reliquiar für das Wunderbarliche Gut von Heilig Kreuz genau angesehen und gelangt zu einer völlig neuen Bewertung. Nahm man bisher an, das sakrale Gefäß für eine 1199 aufgefundene Hostienreliquie zeige den Stifter Ulrich von Rechberg und seine beiden Ehefrauen Adelheid und Perchterada, so hat Wollmann gute Gründe, die Figuren als die Heiligen Ulrich und Afra zu identifizieren. Afra als adelige Dame in der Mode der Zeit und Ulrich ohne Ornat in privater Anbetung, dazu ein Priester im Moment der heiligen Wandlung.
» Jahrbuch 2020 des Vereins für Augs burger Bistumsgeschichte, hrsg. v. Tho mas Groll und Walter Ansbacher, Anton H. Konrad Verlag, 630 Seiten, 25 Euro.