Ein Tag beim Amtsgericht Aichach
Der Wecker klingelt früher als sonst. Während ich meinen morgendlichen Routinen nachgehe, versuche ich mir vorzustellen, was mich heute erwartet. Neben Bildern von modernen Anwaltsserien, die ich auf Netflix gesehen habe, kommen auch Erinnerungen von längst abgesetzten deutschen Gerichtssendungen hoch. So richtig kann ich mir aber nicht vorstellen, wie der Tag ablaufen wird. Auf dem Weg zum Bahnhof fängt es an zu schneien. Auch wenn der Zug in Friedberg hält, steige ich nicht aus, denn heute geht es erstmalig nicht in die Redaktion, sondern ans Amtsgericht nach Aichach, um über die Verhandlungen zu berichten.
Ich komme viel zu früh an, und da es mir unangenehm ist, eine Dreiviertelstunde vor dem Saal zu sitzen, warte ich trotz der Kälte draußen. Während ich warte, gehen einige Menschen an mir vorbei ins Gericht. Bei jeder Person denke ich: Ist das der oder die Angeklagte? Als ich reingehe, bin ich schnell an den Kontrollen vorbei und setze mich auf die hölzerne Wartebank vor den Saal. So langsam steigt die Nervosität. Als sich endlich alle eingefunden haben, gehe ich in den Saal und nehme im Zuschauerraum Platz. Wegen Corona tragen alle FFP2-Masken, und die Fenster stehen sperrangelweit offen.
Pünktlich beginnt die erste Verhandlung. Es geht um Nötigung im Straßenverkehr. Mein Blick ist vorrangig auf meinen Schreibblock geheftet, da ich kaum hinterherkomme, alles Gesagte mitzuschreiben. Dabei ist natürlich niemand darauf bedacht, sich besonders langsam oder deutlich zu artikulieren, um es mir einfacher zu machen. Da die Angeklagte die Tat einräumt, ist der Sachverhalt von ihrer Seite aus schnell geklärt. Problem ist nur, dass der Hauptzeuge nicht erscheint. Erst nach einem Anruf des Richters macht er sich auf den Weg. Während alle warten, fängt es an zu hageln, und durch die offenen Fenster gelangen haufenweise Körner in den Raum. Ich habe längst das Frieren angefangen und versuche meine steifen Finger aufzuwärmen, um weiterschreiben zu können. Als der Zeuge auftaucht, kann es weitergehen.
Mit Verspätung beginnt die zweite Verhandlung, wobei es um Sachbeschädigung im Zusammenhang mit Gemüsepflanzen geht. Die Aussagen des Angeklagten und die der beiden Hauptzeugen sind so widersprüchlich, weshalb das Vergehen nicht klar ersichtlich wird. Daraufhin fällt es dem Richter und der Staatsanwaltschaft am Ende schwer, ein Urteil zu fällen.
Erleichtert, mich wieder bewegen zu können und der Kälte zu entfliehen, stehe ich am Ende auf. Im Zug auf dem Weg in die Redaktion muss ich schmunzeln, da die beiden Verhandlungen viel unspektakulärer als in meiner Vorstellung waren.