Wiener Seele
Die Amme Moritz Eisner und Bibi Fellner suchen einen Psychopathen – und inneren Frieden
„Das versteh ich ned, ich hab Sie doch anonym angerufen.“Oder als Eisner Bibi fragt: „Sag mal, schau ich eigentlich aus wie ein Sozialarbeiter?“Ansonsten prägen Düsternis und emotionale Abgründe diesen Film.
„Die Amme“erzählt die Geschichte eines drogensüchtigen Psychopathen, der zwei Prostituierte ermordet und ihre Kinder entführt. Das Gruselige daran ist: Er verkleidet sich jedes Mal als Frau, fühlt sich in Gegenwart der Jungen als „gute Mama“, wird selbst zum Kind, als er sich auf der Bettkante sitzend an der Lektüre der „Kleinen Raupe Nimmersatt“berauscht.
Der Zuschauer weiß sehr früh sehr viel über ihn. Sieht, wie ein nichts ahnender Eisner einen Pakt mit dem Teufel namens Janko (schauerlich-überzeugend: Max
Mayer) schließt. Denn außerhalb seiner Frauenklamotten ist der Mann Undercover-Ermittler vom Drogendezernat in Graz. Die Frage ist: Wird er weiter morden? Und: Wo sind die Kinder?
Nie hat man so tief in die Seele der Wiener Ermittler geschaut. Bibi Fellner, notorisch gereizt, weil unter Schlaflosigkeit leidend, taumelt panisch durch den Fall. Einmal sitzt sie zuhause und lauscht dem Meeresrauschen auf einer CD, die Eisner ihr als Einschlafhilfe besorgt hat. Dann legt sich der meditative Sound des Ozeans über Szenen, die die scheinbare Aussichtslosigkeit der Lage widerspiegeln. Das Grundrauschen der Düsternis. Ein großartiger Moment des Widerspruchs von Bild und Ton.
Und der muffelige Eisner? Seit seine Filmtochter Claudia 2014 in einem manipulierten Auto verunglückt ist, das er hätte fahren sollen, hat man ihn nicht mehr so aufgewühlt gesehen. Hier der Polizist und der Wettlauf mit der Zeit, da der Mensch und die leidende Kollegin. „Die Amme“ist Eisners 50. „Tatort“. Er ist einer seiner besten. Am Ende streichelt er Bibi über die Stirn und weint. Andreas Frei