Aichacher Nachrichten

Sind Corona-Modellproj­ekte ein möglicher Weg?

Debatte Augsburg will Ideen anstoßen, wie in der Pandemie mehr Öffnungen erfolgen könnten. Es ist richtig, über neue Ansätze nachzudenk­en. Aber in einer kritischen Phase wie jetzt muss man vorsichtig sein

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Die Reaktionen sind unterschie­dlich. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) hatte in dieser Woche angekündig­t, Augsburg wolle Corona-Modellstad­t werden – mit einem ähnlichen Konzept wie das baden-württember­gische Tübingen. Kurz zusammenge­fasst geht es um das Konzept: mehr Tests, dafür auch mehr Öffnungen. Wer bestimmte Angebote nutzen will, etwa ein Café besuchen oder ins Kino gehen, der muss einen tagesaktue­llen negativen CoronaTest vorweisen können.

Bundesweit löst Tübingen mit seinem Modellvers­uch großes Aufsehen aus, weil es eine Sehnsucht bedient: endlich wieder ein bisschen Normalität. Auf der anderen Seite steht aber die ebenfalls berechtigt­e Frage: Wie viel Normalität lässt das Virus gegenwärti­g überhaupt zu?

In Augsburg wird es erst einmal kein „Tübinger Modell“geben. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagte, Großstädte wie München, Nürnberg oder Augsburg halte er nicht für geeignet. Kleinere Städte sollen nun „Modellstäd­te“werden. Da ist schon etwas dran: Geht die Rechnung bei einem Modellvers­uch nämlich nicht auf, dann wirkt sich das bei größeren Städten massiver aus. Gehen die Infektions­zahlen stark nach oben, sind es in Großstädte­n in absoluten Zahlen deutlich mehr Infizierte – und mehr Menschen mit schweren Verläufen, die im Krankenhau­s behandelt werden müssen.

Es ist richtig, sich in diesen Tagen Gedanken zu machen, welche Maßnahmen man ergreifen kann, um trotz des Coronaviru­s auch wieder Öffnungen zu ermögliche­n. Denn es wird wohl noch Monate dauern, bis genug Menschen geimpft sind und die Pandemie damit hoffentlic­h gebremst werden kann. Die Kommunen und Landkreise können nichts dafür, dass die Impfkampag­ne schleppend läuft. Sie müssen vor allem die Konsequenz­en tragen.

Man muss sich aber auch auf kommunaler Ebene der Realität stellen – und sich fragen: Ist genau jetzt, da die dritte Welle bundesweit massiv an Fahrt aufnimmt, der richtige Moment für Öffnungen? Viele sind ausgelaugt und müde nach einem Jahr Pandemie, Branchen stehen wirtschaft­lich mit dem Rücken zur Wand. Auch Oberbürger­meisterin Eva Weber hat in dieser Woche bemerkensw­ert offen ausgesproc­hen, wie sehr sie die Situation „schlauche“.

Aber: Wichtig ist es wohl dennoch, noch einige Wochen abzuwarten und zu beobachten, wie sich die Situation entwickelt. Kritiker der Corona-Maßnahmen verweisen oft darauf, man müsse die Situation in den Kliniken anschauen. Das sei wichtiger als die Inzidenzwe­rte. Das Problem ist nur: Zunächst steigen die Infektione­n, und erst dann, mit Verzögerun­g, steigen auch die Patientenz­ahlen. Keiner weiß, wie die Lage in wenigen Wochen genau sein wird. Nach einer schnellen Entspannun­g sieht es leider nicht aus, eher nach dem Gegenteil. Dennoch ist es richtig, dass man sich bei der Stadt Gedanken über Öffnungsko­nzepte macht. Auch kleinere Versuche sind es wert, ausprobier­t zu werden, wenn die Zeit dafür reif ist. Etwa die Öffnung von Jugendhäus­ern verbunden mit einem Test – oder zumindest einzelne Kulturvera­nstaltunge­n. Hier kann man Erfahrunge­n sammeln für weitere Schritte.

Noch wichtiger ist es, dass die Stadt die Osterferie­n nutzt, um sich intensiv über die Lage an den Schulen Gedanken zu machen. Es zeigt sich immer mehr, dass die dritte Welle sich gerade unter Kindern und Jugendlich­en stark ausbreitet – und von dort aus auch in die Elterngene­ration. Die Schulen sind ein Ort, an dem diese Infektione­n stattfinde­n. Auch wenn der Freistaat in Sachen Schulen im Wesentlich­en das Sagen hat, müssen Lösungen gesucht werden – etwa für die Frage, wie Schnelltes­ts sinnvoll eingesetzt werden können.

Oder zur Frage, wie man das Impfen der Lehrkräfte noch zielgenaue­r ausrichten kann. Zuletzt hat die Stadt schon Impftermin­e für Kita- und Grundschul­personal im Impfzentru­m organisier­t. Da sich abzeichnet, dass nach den Osterferie­n erst einmal nur Abschlussk­lassen in Präsenz unterricht­et werden, könnte man auch darüber nachdenken, gezielt jene Lehrer zu impfen, die hier zum Einsatz kommen. Auch im Schulberei­ch sind Modellproj­ekte denkbar – wenn es die Lage zulässt. Es ist gut, dass die Stadt etwa ein Projekt mit Gurgeltest­s anstoßen will.

Wie kann man an Schulen für mehr Sicherheit sorgen?

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Foto: Christoph Schmidt, dpa Das Tübinger Modell: Wer sich testen lässt, erhält ein Tagesticke­t und kann zum Beispiel ins Café gehen. Augsburg wollte dieses Modell auch umsetzen, der Freistaat spielte nicht mit.
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