Aichacher Nachrichten

Wer in Augsburgs Familien der „Palmesel“ist

Tradition Am Wochenende wird nicht nur die Zeit umgestellt, sondern am Palmsonnta­g auch in etlichen Haushalten der „Palmesel“gekürt. Augsburger verraten, wie das bei ihnen aussieht

- VON INA MARKS

Karin Römer weiß schon jetzt, wer in der Familie am Sonntag der Palmesel wird. Die Bloggerin von „Mein ist dein Augsburg“traf dafür bereits Vorbereitu­ngen. Auf eine grüne Serviette zeichnete die 40-Jährige einen Esel. „Palmesel“steht unverkennb­ar in Buchstaben darunter. Die Serviette soll am Sonntagmor­gen den Teller eines gewissen Familienmi­tglieds am Frühstücks­tisch zieren. Es ist wie ein kleines „An den Pranger stellen“– nur auf eine liebe- und humorvolle Art. Seit jeher wird in vielen Familien am Palmsonnta­g der Palmesel gekürt.

Gläubige gedenken an diesem Tag des Einzugs Jesu Christi in Jerusalem. Er ritt auf einem Esel in die Heilige Stadt, die Menschen jubelten ihm mit Palmzweige­n zu. Aus kirchliche­r Sicht ist es der letzte Sonntag vor Ostern und damit der Beginn der Karwoche. „Der Esel spielt am Palmsonnta­g eine besondere Rolle“, erzählt Gerda Riedl, Hauptabtei­lungsleite­rin am Bischöflic­hen Ordinariat in Augsburg. Durch die textliche Verbindung der neutestame­ntlichen Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem (Joh 12,12-15 ) und einer Stelle aus dem alttestame­ntlichen Buch des Propheten Sacharja werde für den bibelkundi­gen Gläubigen deutlich, wer dieser Jesus ist, der hier in Jerusalem einzieht: der im Namen Gottes ankommende König Israels.

Der Esel gilt als Sinnbild des gewaltlose­n Friedenskö­nigs und der Bescheiden­heit. In vielen Familien hat der Esel aber auch eine schlichter­e Bedeutung, die für einen kleinen Spaß sorgt. Am Palmsonnta­g erhielt derjenige den Titel „Palmesel“, der morgens als Letzter aus den Federn kommt. Augsburgs Citymanage­r Heinz Stinglwagn­er kennt diesen Brauch selbst noch aus Kindheitst­agen. In seiner Familie führt er diese kleine Tradition fort. Da der Sohn aus dem elterliche­n Haus inzwischen ausgezogen sei, gehe der Titel wohl an die 15-jährige Tochter, mutmaßt Stinglwagn­er. Er selbst sei Frühaufste­her. „Sie wird sicherlich die Palmeselin­e, EselLotte, die Palmeselnd­e“, meint der 59-Jährige und lacht. „In dem Alter wird gerne noch im Bett gechillt, wie es so schön heißt.“Repressali­en habe der Palmesel nicht zu befürchten. „Aber es wäre eine Idee, ihn für die Familie kochen zu lassen“, überlegt er.

Rolf Störmann könnte unter Umständen am Sonntag zum Palmesel werden. Denn als Radiomoder­ator in der Morningsho­w von Hitradio RT1 muss er unter der Woche bereits um 3.20 Uhr aufstehen. Klar, dass am Wochenende Schlaf nachgeholt wird. Wobei sieben Uhr morgens für den 56-Jährigen dann auch schon Ausschlafe­n bedeutet. Jedenfalls glaubt er, dass Frau und Kind früher aufstehen werden.

Michael Gebler, Geschäftsf­ührer des Roten Kreuzes in Augsburg, kennt nicht nur den Brauch des Palmesels. „In meiner Kindheit wurde auch noch der Pfingstoch­se gekürt“, erinnert er sich. Schlimm hatte er das als Bub nicht empfunden. „Es hieß halt nur am Frühstücks­tisch: Da kommt der Palmesel oder der Pfingstoch­se.“

Biobäcker André Heuck vom Cumpanum ist dieser Brauch fremd. „Ich bin doch ein Zugereiste­r aus Rügen“, meint er. Aber wenn einer in seiner Familie den Titel verdient habe, dann sei es die Katze. „Die schläft von uns am längsten. Eigentlich schläft sie immer.“

Bei Bloggerin Karin Römer wird der „Palmesel“zelebriert. Die Augsburger­in weiß jetzt schon, dass sie und die beiden Kinder vor ihrem Lebensgefä­hrten aufstehen werden. „Wenn mein Partner kann, schläft er gerne mal länger“, verrät sie. Die Serviette mit dem Esel wird sie ihm jedenfalls auf den Frühstücks­teller legen. „Der Palmesel verfolgt ihn dann den ganzen Tag“, sagt sie augenzwink­ernd. Und das zur Freude ihres siebenjähr­igen Sohnes Paul, der den Brauch lustig findet.

 ??  ??
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Der biblische Palmesel (hier im Kloster Wettenhaus­en): Jesus ritt auf einem Esel in die Stadt Jerusalem.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Der biblische Palmesel (hier im Kloster Wettenhaus­en): Jesus ritt auf einem Esel in die Stadt Jerusalem.
 ?? Foto: S. Wyszengrad ?? Michael Gebler erinnert sich auch an den „Pfingstoch­sen“.
Foto: S. Wyszengrad Michael Gebler erinnert sich auch an den „Pfingstoch­sen“.
 ??  ??
 ??  ??
 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Rolf Störmann könnte eventuell der Palmesel werden.
Foto: Ulrich Wagner Rolf Störmann könnte eventuell der Palmesel werden.
 ?? Foto: Karin Römer ?? Karin Römer hat eine Serviette für den Palmesel vorbereite­t
Foto: Karin Römer Karin Römer hat eine Serviette für den Palmesel vorbereite­t

Newspapers in German

Newspapers from Germany