Aichacher Nachrichten

Zahl der Demonstrat­ionen schießt nach oben

Veranstalt­ungen Im Jahr 2020 wurden in Augsburg doppelt so viele Kundgebung­en gezählt wie noch im Vorjahr. Das liegt aber nicht nur an der Corona-Krise. Dabei gab es auch besondere Formen des Protestes

- VON STEFAN KROG UND JAN KANDZORA

Die Zahl der Demonstrat­ionen in Augsburg hat im vergangene­n Jahr deutlich zugenommen. Mit 558 Kundgebung­en wurden, obwohl Demos während des ersten Lockdowns im März und April verboten waren, doppelt so viele Aktionen auf Straßen und Plätzen verzeichne­t wie jeweils in den Jahren 2017 (246) und 2018 (237). Die Steigerung stehe nur zum Teil im Zusammenha­ng mit dem Protest gegen CoronaMaßn­ahmen, sagt Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU). Denn bereits ab dem Jahr 2019 gab es eine Steigerung auf 376 Versammlun­gen. Ein merklicher Anstieg. Doch was sind die Gründe?

Pintsch vermutet, dass die Bürger wohl generell häufiger auf die Straße gingen. „Es ist festzustel­len, dass gesellscha­ftliche beziehungs­weise politische Debatten in der Bevölkerun­g mit einer größeren Anteilnahm­e verfolgt und begleitet werden“, so Pintsch. Das Themenspek­trum reiche von Klima- und Tierschutz über den Umgang mit Flüchtling­en bis hin zu Gleichstel­lung oder dem Bildungssy­stem. Das seit einem Dreivierte­ljahr andauernde Klimacamp zählt in der Statistik als nur eine fortdauern­de Versammlun­g und wird nicht täglich neu erfasst.

Auch bei der Polizei hat die Zunahme der Demonstrat­ionen im Jahr 2020 eine große Rolle gespielt. Polizeispr­echer Michael Jakob betont zwar, dass nicht jede Demonstrat­ion zwingend eine Großverans­taltung sei und intensiv von der Polizei begleitet werden müsse – oftmals gehe es etwa um kleinere Kundgebung­en oder Infotische. Doch es gebe regelmäßig Versammlun­gen, gerade an den Wochenende­n, die polizeilic­h betreut werden müssten, etwa am Plärrer oder am Ulrichspla­tz. Im Vergleich zu den Vorjahren sei die „Zahl der Versammlun­gslagen angewachse­n, bei denen wir mit einigen Einsatzkrä­ften gebunden waren, auch mit der Bereitscha­ftspolizei“, sagt Jakob.

In Zahlen ausgedrück­t stellt sich die Situation so dar: Setzte das Augsburger Polizeiprä­sidium 2019 noch rund 2000 Beamte bei Versammlun­gen ein, waren es 2020 mehr als doppelt so viele, nämlich fast 4600. Zum Präsidiums­bereich gehören neben Stadt und dem Landkreis Augsburg auch die Kreise Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries. Die meisten Demonstrat­ionen allerdings finden in Augsburg statt, und hier zumeist im Bereich der Innenstadt, etwa am Rathauspla­tz – seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch vielfach auf dem Plärrergel­ände.

Hauptaufga­be der Polizei bei den Demonstrat­ionen sei es gewesen, darauf zu achten, dass die CoronaRege­ln eingehalte­n werden, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob. Hierzu setzt die Augsburger Polizei auch spezielle Kommunikat­ionsbeamte ein, die Demoteilne­hmer bei

Bedarf auffordern, Masken zu tragen oder Mindestabs­tände einzuhalte­n. Erkennbar sind diese Beamten an auffällige­n gelben Reflexions­westen. Dass die Versammlun­gen in Augsburg in Gewalt umgeschlag­en seien, habe man nicht beobachten können, sagt der Polizeispr­echer.

Auch Ordnungsre­ferent Frank Pintsch spricht davon, dass die überwiegen­de Zahl der Gespräche, die man vorab mit den Veranstalt­ern führe, konstrukti­v sei. Nahezu alle Versammlun­gen hätten störungsfr­ei stattgefun­den. „Die Arbeitsbel­astung bei den Behörden ist insgesamt durch den Anstieg sehr gestiegen, zugleich ist es ein starkes Zeichen eines funktionie­renden demokratis­chen Rechtsstaa­ts, dass dies in Augsburg so möglich ist“, so Pintsch. Man beobachte auch, dass

Demo-Organisato­ren aus dem Umland die Stadtmitte als Ort für die Versammlun­gen wählen, weil man hier relativ große Aufmerksam­keit auf sich ziehe.

Im Ordnungsau­sschuss des Stadtrats nahm Pintsch auch Stellung zur Frage, wie die Stadt mit Kreidezeic­hnungen auf dem Straßenpfl­aster umgehe. Im Sommer hatte es Wirbel gegeben, nachdem Aktivistin­nen, die gegen sexistisch­e Sprüche im Alltag protestier­en, eine mit Beleidigun­gen gespickte „Anmache“vor dem Rathaus zu dokumentar­ischen Zwecken auf den Gehweg geschriebe­n hatten. Nachdem Passanten sich an einigen Wörtern gestört hatten, bat die Polizei die Feuerwehr, den Schriftzug mit Wasser zu entfernen. Daraufhin kam ein Löschfahrz­eug. Pintsch sagte, wenn der Eindruck entstanden sei, dass die Stadt Protest gegen sexuelle Belästigun­g ausbremsen wolle, stimme dies nicht. Pintsch sprach von einer „Verkettung unglücklic­her Umstände“und beim Einsatz des Löschfahrz­eugs von einer „Frage der Verhältnis­mäßigkeit“.

Seitens der Sozialfrak­tion kam die Frage auf, wie die Stadt generell mit dem Thema umgehen wolle. Abtreibung­sgegner hätten zuletzt unbeanstan­det Schriftzüg­e wie „Danke für mein Leben, Mama“auf den Boden der Innenstadt geschriebe­n. Referent Pintsch sagte, dass die Schriftzüg­e beider Aktionen aus seiner Sicht kein Einschreit­en nötig machten. Kreidezeic­hnungen seien nur zu entfernen, wenn sie obszön seien oder eine Gefahr für den Verkehr darstellte­n.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Im Augsburg wird häufig demonstrie­rt – vor einer Woche hatte Fridays for Future wieder eine Demo abgehalten.
Foto: Silvio Wyszengrad Im Augsburg wird häufig demonstrie­rt – vor einer Woche hatte Fridays for Future wieder eine Demo abgehalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany