Stefan Bradl fährt in Dauerschleife
Motorsport Der Zahlinger ist beim Auftakt der Königsklasse dabei. Der 31-Jährige verrät im Interview, wie er das turbulente Corona-Jahr erlebt und welche Ziele er hat
ObergriesbachZahling Am Sonntag beginnt die Saison in der MotoGP, der Königsklasse der Motorradfahrer. Mit dabei beim Auftaktrennen in Katar ist auch der Zahlinger Stefan Bradl. Der 31-Jährige vertritt wie im vergangenen Jahr den mehrfachen Weltmeister Marc Marquez. Im Interview verrät der HondaTestfahrer, welche Chancen er sich für die ersten beiden Rennen ausrechne, wie schwierig es für die Fahrer ist, ohne Zuschauer zu fahren, und wie seine persönliche Planung aussieht.
Herr Bradl, wie groß ist die Vorfreude auf das erste Rennen am Sonntag? Stefan Bradl: Riesig natürlich. Ich habe ja bereits alle Tests mitgemacht und bin so perfekt vorbereitet. Natürlich ist mir klar, dass es nur zwei Rennen sein werden, aber die will ich genießen und zeigen, dass ich es noch draufhabe.
Bereits in der vergangenen Saison vertraten Sie Marc Marquez nach dessen Verletzung. Ist die Ausgangsposition diesmal eine andere für Sie?
Bradl: Auf jeden Fall. 2020 bin ich erst beim dritten Rennen gestartet, diesen Rückstand konnte ich nur schwer aufholen. Erst zum Ende der Saison bin ich so richtig ins Rollen gekommen.
Und haben beim abschließenden Rennen in Portugal Platz sieben belegt. Ist das der neue Maßstab?
Bradl: Das Feld ist sehr ausgeglichen und alle Fahrer sehr eng beisammen. Aber ich fühle mich gut, und mit den Tests war ich sehr zufrieden. Natürlich will ich in die Top Ten fahren, sogar ein Platz unter den besten fünf wäre möglich, so selbstbewusst bin ich. Aber ich will mir jetzt nicht zu viel Druck machen.
Apropos Tests, eine wirkliche Pause nach der Saison hatten Sie nicht? Bradl: Ich glaube, es waren maximal vier Wochen. Bereits im Dezember war ich schon wieder auf der Strecke und im Januar und Februar ebenfalls unterwegs. Hinzu kamen nun die offiziellen Runden in Katar, zusammen mit dem Fahrerfeld.
Eigentlich sind Sie ja Testfahrer, oder wie würden Sie Ihr Aufgabenfeld beschreiben?
Bradl: Die Maschine und neue Teile für meine Kollegen auszuprobieren, ist meine eigentliche Aufgabe. Ich helfe so den Stammfahrern, sich zu verbessern. Das ist vor allem vor einer Saison sehr wichtig, weshalb es für mich keine Pause gab. Auch an den Rennwochenenden gebe ich Tipps und tausche mich mit den Fahrern aus. In Katar bin ich aber dafür da, eine möglichst gute Platzierung einzufahren.
Wie haben Sie beide Tätigkeiten unter einen Hut gebracht?
Bradl: Das war wirklich extrem anstrengend und eine Ausnahmesituation. Vermutlich war es die härteste Zeit meiner Karriere. Ich bin von einem Rennen zum nächsten geflogen und zwischendrin Tests gefahren. Ich kann mich erinnern, dass wir direkt nach den Rennen in Valencia 700 Kilometer mit dem Auto nach Jerez weiter sind, um zu testen. Danach ging es weiter zum Saisonabschluss nach Portugal. Die Zeit ist einfach nur verflogen, ich habe das Gefühl, dass gerade erst Weihnachten ist.
Dann sind Sie aufgrund der Belastung gegenüber den anderen Fahrer im Nachteil?
Bradl: Das sehe ich anders. Klar ist das anstrengend, aber man bleibt fokussiert. Ich würde es sogar als kleinen Vorteil sein. Die Sinne bleiben geschärft, und der Winterschlaf hat keine Chance einzusetzen. Ich musste zwar ganz schön schnaufen, aber im Endeffekt sehe ich das locker. Es gibt auch kein besseres Training, als auf der Maschine zu fahren. Ich fühle mich topfit und musste eigentlich nicht wirklich etwas dafür tun.
Egal welchen Platz Sie bei den Rennen in Katar belegen werden, danach rücken Sie wieder ins zweite Glied. Macht Ihnen das nichts aus?
Bradl: Ich bin unheimlich froh, in Katar starten zu dürfen, und freue mich riesig. Aber es war klar, dass Marc irgendwann zurückkommen wird. Ich musste damit schon 2020 eigentlich nach jedem Rennen rechnen. Natürlich träumt jeder davon, als Stammfahrer an den Start zu gehen, und sollte sich in der Zukunft etwas ergeben, werde ich die Angebote natürlich genau prüfen. Dann muss aber auch das Umfeld passen. Aktuell habe ich aber wohl mit den aufregendsten Job in der Branche. Ich bin als Testfahrer ganz nah dran. Außerdem sind wieder mindestens zwei Wildcard-Rennen geplant, bei denen ich starten werde. Hinzu kommt meine Arbeit als TV-Experte für ServusTV. Das ist sehr abwechslungsreich, und langweilig wird mir nie.
Apropos, wie haben Ihre Kollegen vom österreichischen Fernsehen reagiert, als sie vergangene Saison absagen mussten?
Bradl: (lacht) Meine Kollegen haben ständig bei mir nachgefragt, wann ich endlich einmal wieder dabei bin. Ich wusste es ja selbst nicht, und keiner hat gedacht, dass Marc Marquez solange ausfallen wird. Ich freue mich aber ehrlich gesagt auch sehr, wieder als TV-Experte arbeiten zu können.
Zuschauer wird es vor Ort aufgrund der Corona-Pandemie aber weiterhin nicht geben, wie sehr beeinflusst diese Tatsache das Renngeschehen?
Bradl: Unheimlich. Als Fahrer lebt man von den Zuschauern. Durch die Anfeuerungen gibt es allen nochmals eine zusätzliche Motivation. Die Emotionen von den Rängen fehlen. Ganz komisch ist es im Ziel, wenn man feiern will und keiner jubelt. Ehrlich gesagt kann man ein gutes Ergebnis ohne Zuschauer gar nicht wirklich genießen.
Was hat sich im Fahrerlager durch Corona verändert?
Bradl: Wir haben ein umfangreiches Hygienekonzept. Von Masketragen bis hin zum Desinfektionsmittel ist genau vorgeschrieben, wie man sich verhalten muss. Das ist nicht immer einfach, aber es ist wichtig, dass wir fahren können. Die Menschen brauchen in dieser Zeit den Sport, der sie auch etwas ablenkt. Wir sind jedenfalls froh, überhaupt fahren zu können. Sicherheit gibt uns die Tatsache, dass alle Fahrer bereits geimpft wurden. Wir haben das Angebot vom Verband bekommen, weil wir einfach sehr viel in der Welt unterwegs sind. Es war aber alles freiwillig. Ich glaube, dass alle Fahrer geimpft wurden, auch Marc Marquez ist extra deswegen nach Katar geflogen.