„Es ist schön, jeden Tag ins Amt zu rollen“
Josef Koppold erzählt von seinem Corona-Jahr / Serie (7)
Aichach Wie geht’s? Selten war diese Frage wichtiger als momentan. Wir stellen sie deshalb Landkreis-Bewohnern aus sämtlichen Bereichen – vom Profisportler bis zur Studentin, vom Unternehmer bis zur Lehrerin, vom Künstler bis zum Pfarrer. Heute stellen wir sie Josef Koppold, dem Behindertenbeauftragten des Landkreises:
„Meine Nichte war Anfang Januar 2020 in China und erzählte, dass dort alles zugesperrt wird. Sie musste die Reise abbrechen. Ich habe absolut nicht daran gedacht, dass das zu uns kommen könnte. Ich hatte das ganze Jahr durchgeplant mit Urlaub, Veranstaltungen, Freizeit. Die ersten Einschränkungen Mitte März haben auch mein Leben verändert. Alles, was ich geplant hatte, hat nicht mehr funktioniert.
Mir ist erst relativ spät so richtig bewusst geworden, dass ich als Rolli-Fahrer Risikopatient bin. Natürlich habe ich die AHA-Regeln beachtet, Kontakte eingeschränkt und vor allem seit Herbst verstärkt auf mich geschaut, mein Immunsystem gestärkt. Doch seit Januar kontaktieren mich immer mehr Betroffene wegen Impfungen. Je höher die Lähmungshöhe, umso mehr ist die
Behinderte haben beim Impfen keine Priorität
Atmung beeinträchtigt. Es gibt Betroffene, die sitzen seit einem Jahr zu Hause. Sie wissen, dass sie eine Infektion wahrscheinlich nicht überleben. Doch bei den Impfungen haben sie keinen Vorrang.
Behinderte in Heimen sind Gott sei Dank versorgt worden. Aber Menschen, die selbstbestimmt zu Hause leben, hat man schlichtweg vergessen. Inzwischen können sie eine Einzelfallentscheidung beantragen. Aber es ist nur maximal Gruppe zwei der Impfprioritäten möglich. Und davor steht viel Bürokratie. Da hätte man mehr Sensibilität an den Tag legen sollen.
Ich bin jeden Tag in der Arbeit. Das geht gut, denn im Landratsamt habe ich mein eigenes Büro. Selbst ins Amt zu rollen, ist für mich Bewegung, Fitness an jedem Tag. Ich liebe Geselligkeit. Die Menschen fehlen mir. Ich vermisse mein Rollstuhlbasketball, ich vermisse es, durch Aichach zu rollen und Leute zu treffen. Am meisten freue ich mich auf echte Begegnungen. Trotzdem finde ich, dass ich privilegiert bin mit Familie und Haus. Dafür bin ich dankbar.
Es gibt auch etwas Gutes an der Pandemie: Alles ist entschleunigter, ruhiger, es gibt weniger Verpflichtungen und die Menschen nehmen sich wieder mehr Zeit, zum Beispiel für ein längeres Telefonat.“