Wenn der Hausbau zum Abenteuer wird
Die eine Familie wartet auf die Baugenehmigung, bei der anderen steht schon fast alles. Zwei Paare erzählen, was mit dem Bauen verbunden ist und was andere aus ihren Erfahrungen lernen können
Augsburg Katharina Raab lässt ihren Blick durch den Raum schweifen, lächelt, guckt ihren Mann Stefan an und sagt: „Ich glaube, wenn es fertig ist, wird es genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Vielleicht sogar noch schöner.“Bis vor einem halben Jahr war an der Stelle, an der das Paar gerade steht, noch eine alte Scheune, heute stehen die beiden in ihrem Rohbau im Ostallgäu. Die Wände sind schon verputzt, durch die Fenster fällt Frühlingslicht. Im Sommer soll dort das Wohnzimmer sein. Noch schlängeln sich die Schläuche der Fußbodenheizung über den Boden und es braucht etwas Fantasie, sich den Raum mit Kamin, Couch und Esstisch vorzustellen. Aber viel fehlt nicht mehr.
Für Anja Bohnenschuh und ihren Mann Jürgen ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Das Paar hat sich im Mai 2020 einen Bauplatz in Bobingen gekauft. Einen Plan, wie ihr Haus einmal aussehen soll, haben die beiden schon. Doch noch ist auf dem Feld nichts zu sehen außer Gras und ein paar Sträuchern. Bis die Bauarbeiten beginnen, wird es wohl noch einige Monate dauern. Na ja, Bohnenschuh hofft, dass es im September oder Oktober losgeht und dass die junge Familie im Sommer darauf einziehen kann. Die Raabs und die Bohnenschuhs haben sich auf einen Weg gemacht, den die meisten Menschen nur einmal im Leben beschreiten, der aber beschwerlich sein kann: Sie bauen.
In Bayern fühlen sich jedes Jahr etwa 18400 Paare oder Singles genau wie die beiden Familien. So viele Einfamilienhäuser werden im Schnitt jedes Jahr fertig. Eine reine Statistik, die nichts darüber sagt, was es bedeutet, ein Haus zu bauen. Wie viel Sorgen, Organisation, Überraschungen und Freude in einer Baustelle stecken. Wie viel Zeit vergeht, bis die Eigentümer sagen können: „Ich glaube, es wird sogar noch schöner, als wir es geplant haben.“So wie Katharina Raab es gerade tut.
Egal, wie die neuen Häuser aussehen, ob ihre Besitzer die Organisation auf der Baustelle gemeinsam mit einem Architekten übernehmen, alles an einen Bauunternehmer abgeben oder ein Fertighaus kaufen und bauen lassen, die meisten eint, dass sie zum ersten Mal bauen – und, dass dabei jede Menge Fallen lauern, von denen ein Laie meist nichts weiß. So viele, dass der Freiburger Peter Burk schon mehrere Ratgeber für die Verbraucherzentralen zu dem Thema verfasst hat. Sein jüngstes Werk umfasst 350 Seiten und trägt den Titel: „Kosten- und Vertragsfallen beim Bauen“.
Es enthält 160 Checklisten zu verschiedenen Punkten, damit Häuslebauer nicht in Kostenfallen tappen oder über andere Hürden stolpern. Denn, das wird allen ziemlich schnell klar, die den Ratgeber lesen: „Bauen ist und bleibt eine der komplexesten Lebensherausforderungen im Leben eines durchschnittlichen Verbrauchers.“Damit die gelingt, empfiehlt Burk allen Interessierten vor allem eins: eine gute Planung. „Die größten Fehler beim Bauen werden fast immer gleich zu Anfang gemacht: Bei der Planung, der Kosteneinschätzung und den Verträgen“, schreibt er. „Es gibt aber weder ein schnelles noch ein billiges noch ein einfaches Bauen. Es gibt nur ein preisbewusstes, sorgfältiges und zeitlich angemessenes Bauen.“
Auch die Raabs und Bohnenschuhs können von unliebsamen Überraschungen erzählen: Anja Bohnenschuh berichtet etwa von einer Odyssee, bis die junge Familie endlich eine Baugenehmigung in den Händen hielt. Sie und ihr Mann hatten sich nach einigem Überlegen dazu entschieden, ein einstöckiges Haus zu bauen. Es sollte ein Flachdach bekommen. Zusammen mit einem Architekten haben sie einen Entwurf erstellt und den Bauantrag bei der Stadt Bobingen eingereicht. „Wir sind dann in die Sitzung des Bauausschusses gegangen und haben damit gerechnet, dass unser Antrag genehmigt wird. Wurde er aber nicht. Im ersten Moment wussten wir gar nicht, wie wir reagieren sollen“, erzählt die 27-Jährige. Der Grund für die Ablehnung: In der Nachbarschaft haben alle Häuser ein Satteldach mit einer Neigung von mindestens 25 Prozent, das von den Bohnenschuhs geplante Flachdach würde sich nicht ins Straßenbild einfügen. Der Bauantrag wurde abgelehnt.
Die junge Familie plante um – und zahlte doppelt: Die geänderte Dachform macht das Haus teurer. „Das werden bestimmt 30000 bis 40000 Euro mehr“, schätzt Anja Bohnenschuh. Weil sie den Bauantrag neu stellen mussten, versäumten sie außerdem eine Frist für Fördergeld. Bis zum 31.12.2020 hätten sie noch vom bayerischen Baukindergeld profitiert – das wären immerhin 15 000 Euro gewesen. „So etwas nervt schon wirklich, aber das sagt einem vorher keiner“, sagt Anja Bohnenschuh.
Im Vergleich dazu verlief die Bauplatzsuche und Baugenehmigung bei den Raabs recht reibungslos. Das Paar baut auf dem Hof von Stefan Raabs Eltern. Ihr Haus ersetzt eine alte Scheune. Einfach so auf dem Hof bauen konnten die beiden dennoch nicht. Die Scheune und das Land gehörten zwar Stefan Raabs Eltern, aber nicht als Privatpersonen, sondern als Unternehmer. Um darauf bauen zu können, musste das Paar es dem landwirtschaftlichen Betrieb abkaufen. „Wir dachten auch erst: Das Land gehört doch unserer Familie, aber es war etwas komplizierter“, sagt Raab. Aber alles hat geklappt.
Im September rollte ein Abrissbagger an und brachte den alten Stadel zum Einsturz. Im Oktober fingen die Bauarbeiten an. Drei Wochen später stand der Rohbau. „Wir hatten eine wirklich tolle Baustelle“, erzählt Katharina Raab. Die 31-Jährige war jeden Tag vor Ort, hat sich mit den Bauarbeitern unterhalten, Mittagessen gemacht. „Die Stimmung war richtig gut“, sagt sie. Und doch: Ganz ohne Überraschungen lief es auch bei den Raabs nicht ab. So mussten die beiden feststellen, dass etwa die Ausstatter für Badezimmer nur ungern genaue Preise verraten. Die Folge: Das Paar musste das Bad noch einmal umplanen, weil es zu teuer war.
Im Ratgeber von Peter Burk sind die häufigsten Fehler aufgelistet, die Bauleute machen können. Der Autor hat dabei zwei Kategorien unterschieden: Auf der einen Seite jene, die ein Fertighaus bauen lassen oder mit einem Bauunternehmer zusammenarbeiten und ein schlüsselfertiges Massivhaus bauen – wie die Raabs. Auf der anderen Seite jene, die mit einem Architekten zusammenarbeiten und die Handwerker selbst organisieren – wie die Bohnenschuhs.
Für den Bau mit einem Bauunternehmer oder Fertighausbauer seien häufig nicht alle Kosten in den Verträgen aufgeführt, müssen also am Ende von den Bauleuten bezahlt werden, ohne, dass sie vorher Einfluss nehmen konnten oder mit den Kosten gerechnet hätten, heißt es in dem Ratgeber. „Das Problem ist, dass diese Punkte ganz schnell hohe fünfstellige Beträge verursachen können“, schreibt Burk. Und nennt als Beispiel die Vereinbarung, die Bauleute mit einem Bauunternehmer
über einen Keller getroffen haben. Wenn beim Bauen bemerkt wird, dass der Grundwasserstand höher ist als gedacht und die Baugrube mit Wasser vollläuft, wird kaum ein Bauherr sagen: Dann bauen wir eben ohne Keller. Stattdessen muss der Keller umgeplant werden. Das kann richtig teuer werden. Die Mehrkosten muss der Bauherr tragen – deshalb rät Burk, solche Dinge von vornherein abzuklären und im Vertrag genau festzuhalten. Beim Bauen mit einem Architekten kann Ähnliches passieren. Etwa, wenn sich Architekt und Bauleute nicht im Voraus auf einen Energiestandard geeinigt haben. Oder wenn – wie im Fall der Bohnenschuhs – plötzlich ein Bodengutachten verlangt wird.
Vor kurzem hat die Familie einen Brief vom Landesamt für Denkmalpflege erhalten. Ihr Baugrundstück sei offenbar ein Bodendenkmal. „Das heißt, wir müssen uns jetzt einen Archäologen suchen, der den
Aushub untersucht. Er stellt fest, ob unter unserem Haus wertvolle Dinge liegen.“Er erstellt ein Gutachten, dieses Gutachten wird dann vom Landesamt geprüft und – falls etwas gefunden wird – macht es Vorgaben, wie die Bohnenschuhs bauen müssen, um die Bodenschätze zu schützen. Auch das macht den Bau wieder teurer.
Dennoch ist Anja Bohnenschuh zuversichtlich. Gerade holen sie und ihr Mann Angebote von verschiedenen Handwerksfirmen ein und vergleichen Preise. Zwei, drei Termine haben sie pro Woche am Abend, um sich mit verschiedenen Betrieben zu besprechen. „Wir kontaktieren nur Betriebe, die uns von Freunden, Verwandten oder Bekannten empfohlen wurden“, sagt sie. So will sie sichergehen, dass später auf der Baustelle alles funktioniert. Das ist auch ein Tipp, den Stefan Raab allen Menschen, die bauen wollen, gibt: „Das Beste ist, sich ein regionales Unternehmen zu suchen, von dem man weiß, dass es gute Arbeit leistet“, sagt er. „Viele richten sich einfach nach dem billigsten Preis. Aber ich kann jedem nur raten, den Preis nicht als einziges Argument für eine Entscheidung zu nehmen.“
Welche Tipps die beiden Familien noch für andere haben? Viel fragen, sich viel anschauen und vergleichen. „Wenn wir überlegt haben, welche Tür wir haben möchten oder welche Fenster oder welche Bretterschalung für die Fassade, dann sind wir ganz oft durch Wohngebiete spaziert und haben geschaut, was uns gefällt“, erzählt Katharina Raab. „Wenn wir was gut fanden, haben wir einfach geklingelt und erzählt, dass wir gerade bauen und welche Fenster bei dem Haus denn verwendet wurden. Das hat meistens gut geklappt.“Auch Anja Bohnenschuh und ihr Mann Jürgen haben sich bei der Planung für ihr Haus von anderen inspirieren lassen. „Wir haben bei Freunden und Bekannten immer gefragt: Wie groß ist euer Wohnzimmer oder andere Räume? Und dann überlegt, ob die Größe für uns passen würde.“
Die stressigste Phase, glaubt Anja Bohnenschuh, stehe ihr noch bevor. Die beginne dann, wenn es auf der Baustelle richtig losgeht. Wenn sie die Handwerker koordinieren und vor Ort alles organisieren muss. Ihr vier Monate alter Sohn Jakob wird ein richtiges Baustellenbaby, glaubt sie. Die Raabs hingegen fanden die Planungsphase am stressigsten. „Aber wir haben ja auch alles von einem Bauunternehmer organisieren lassen.“
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Ratgeber Kosten und Vertragsfallen beim Bauen, Peter Burk, Verbraucher zentrale, 34,90 Euro.
Der größte Fehler ist die mangelnde Planung
Vor Überraschungen ist niemand sicher