Prüfer winkt Rostlauben durch den TÜV
Ein Auto-Experte aus Augsburg kommt vor Gericht. Es geht um „rollende Schrottbomben“und viel Geld
Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber stetig. 2016 ermittelte die Kripo gegen mehrere Kfz-Sachverständige im Raum Augsburg. Sie waren der Bestechlichkeit verdächtigt. Angeblich hatten sie Schrottautos im Rahmen der Hauptuntersuchung bescheinigt, verkehrstüchtig zu sein. Die TÜV-Plaketten hatten mindestens das Doppelte der sonst fälligen TÜV-Gebühren gekostet.
Am Ende musste die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen 13 Beschuldigte, einige von ihnen saßen in U-Haft, ergebnislos einstellen. „Es hat für eine Anklage nicht gereicht“, hieß es damals. Das Dilemma der Fahnder: Ob es tatsächlich Schrottautos waren, ließ sich im Nachhinein nicht beweisen. Die Fahrzeuge waren weg, verkauft nach Nordafrika oder in Länder des früheren Ostblocks. Einer der KfzSachverständigen, vor fünf Jahren bereits im Fokus der Kripo, stand kürzlich dann doch vor Gericht. Der Diplomingenieur wurde wegen dreimaliger Falschbeurkundung zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt und muss 180 Arbeitsstunden bei einer karitativen Einrichtung ableisten. „Es waren rollende Schrottbomben, die Sie da auf unsere Straßen gelassen haben“, warf Richter Michael Schneider, der Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichtes, dem Angeklagten vor. An drei Fahrzeugen hatte ein von der Polizei eingeschalteter Gutachter 27 Mängel entdeckt. So waren etwa bei einem Opel Combo die Bremsleitung korrodiert und die Koppelstange ausgeschlagen. Bei einem Fiat Punto konnte der Sachverständige mit der Hand durch den Unterboden fassen, tragende Teile waren durchgerostet. Und ein Kia wäre allein mit der Feststellbremse nicht zu halten gewesen. „Die Bremsleistung war nahezu null.“
Für den angeklagten Prüfingenieur kamen die Feststellungen nicht überraschend. Der heute 59-Jährige stand schon das dritte Mal vor Gericht. 2019 hat ihn das Amtsgericht zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe und einer Geldbuße von 8000 Euro verurteilt. Auf seine Berufung hin sprach ihn eine Strafkammer des Landgerichts ein Jahr später frei. Ein höheres Gericht kippte dieses Urteil jedoch.
Und so saß der Diplomingenieur jetzt in Augsburg ein drittes Mal auf der Anklagebank. Zum ersten Mal äußerte er sich zu den Vorwürfen, räumte die Taten ein. Wobei der Angeklagte Wert darauf legte, aus Gutmütigkeit so gehandelt zu haben. „Ich war mit Sicherheit nicht bestechlich.“Zweifel sind erlaubt. Staatsanwältin Saskia Eberle sprach dies in ihrem Plädoyer an, im Urteil auch das Gericht. „Wie viele Taten das noch waren und welches System es gegeben haben könnte, spielt für dieses Verfahren keine Rolle“, so Richter Schneider. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten vor dem Prozess signalisiert, den Anklagepunkt der Bestechlichkeit nicht weiter zu verfolgen. Es gab allerdings einen „Kronzeugen“und drei Fahrzeuge zum Beweis. Seit 2019 ist ein heute 55-Jähriger, der in Augsburg einen Autohandel betreibt, verurteilt. Er hat gestanden, den Prüfer mit Geld bestochen zu haben, um für drei Rostlauben die „TÜV“-Plakette zu bekommen. Die Polizei hatte 2019 seinen Bürocontainer durchsucht. Ihr waren dabei auch unbenutzte „TÜV“-Plaketten in die Hände gefallen, die vom TÜV und anderen Prüforganisationen gar nicht herausgegeben werden dürfen. Warum der Händler sich angezeigt hat, damit eine Strafe in Kauf nahm, ist in früheren Prozessen zur Sprache gekommen: Beide Männer kennen sich länger. Zeugen berichteten, der Händler sei beinah täglich auf eine Tasse Kaffee in die Prüfhalle gekommen. Ein Streit beendete die Männerfreundschaft. Der Prüfer rief die Polizei, die dem Händler einen Platzverweis erteilte, was dieser als tiefe Kränkung empfand. Noch an Ort und Stelle packte er vor den Streifenpolizisten aus. Viele Autohändler seien Kunde bei dem Angeklagten gewesen, sagte er vor Gericht. Namen nannte er nicht. Der Angeklagte, der seit 1998 für die KraftfahrzeugÜberwachungsorganisation KÜS tätig war, hat seine Lizenz verloren. Er arbeitet nun als Unfallgutachter.