Aichacher Nachrichten

Ein Akt der Zivilcoura­ge

Marianne Rogall, die Retterin der Musikbüche­rei, ist tot

- VON RÜDIGER HEINZE

Sie war leise. Sie war freundlich. Sie war kompetent. So erinnert man sich an Marianne Rogall, die die Musikbüche­rei innerhalb der Augsburger Stadtbüche­rei bis 1993 leitete. Dies allein schon war ein Verdienst, das jetzt noch einmal benannt werden muss, da Marianne Rogall 88-jährig im Sparkassen­altenheim verstorben ist. Weil nämlich die gebürtige Westpreußi­n – selbst eine Musikerin, selbst eine Flötistin – eben vielmehr tat, als zu verwalten. Sie baute insbesonde­re die Notenabtei­lung innerhalb der Musikbüche­rei aus – wovon sich der enorme Wirkungskr­eis dieser Stadtbüche­rei-Sektion bis heute ableitet.

Genau das ist gar nicht hoch genug einzuordne­n: Nicht jede Stadtbüche­rei in der Augsburger Größenordn­ung besitzt eine so umfassende und gut gepflegte Noten- und Musikbüche­r-Abteilung wie die am Ernst-Reuter-Platz.

Die ganz große Stunde der Marianne Rogall aber kam mit ihrem Abschiedsj­ahr. Diese Stunde wurde zu einem Akt beispielha­fter Zivilcoura­ge. Marianne Rogall musste Planspiele­n gewahr werden, wonach aus Spargründe­n die Augsburger Musikbüche­rei in den Keller der

Staats- und Stadtbibli­othek verfrachte­t werden sollte – mit erhebliche­n Nachteilen für die Benutzer. Dem aber mochte sie nicht zuschauen; dazu hatte sie die gut besuchte Musikbüche­rei nicht aufgebaut.

Und so informiert­e sie gezielt und loyal gegenüber ihrer Klientel über die klammheiml­ichen Bestrebung­en hinter den Kulissen zwischen dem einstigen Kulturrefe­renten Ludwig Kotter und den damaligen Leitern von Stadtbüche­rei und Staatsbibl­iothek.

Und so erhob sich breitester Proteststu­rm in Augsburg, an deren Spitze standen: hochrangig­e Universitä­ts-, Theater- und Konservato­riums-Vertreter, dazu namhafte Chorleiter, Musiklehre­r, profession­elle Musiker sowie der Diözesanki­rchenmusik­direktor. Die Empörung war groß und gerechtfer­tigt; der Kulturrefe­rent ruderte eilig zurück.

Und so wurde die Augsburger Musikbüche­rei nicht nur von Marianne Rogall für die Öffentlich­keit aufgebaut, sondern auch für die Öffentlich­keit gerettet. Dafür ist der Verstorben­en noch einmal zu danken. Robert Forster, profession­eller und hilfsberei­ter Musiker wie sie, hat ihr Erbe fortgeführ­t – und weiter komplettie­rt.

Anzunehmen ist, dass in Augsburg nach den Vorgängen von 1993 verstanden wurde, was die Stadt an der Musikbüche­rei hat, und dass diese sachkundig zu pflegen und zu aktualisie­ren ist.

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