Aichacher Nachrichten

Mama Samia

Afrikas einzige Regierungs­chefin übernimmt ihr Amt in schwierige­n Zeiten. Doch schon die ersten Wochen machen aus Samia Hassan eine Hoffnungst­rägerin

- Margit Hufnagel

Ihren Vorgänger nannten die Menschen „Bulldozer“, sein Führungsst­il war kompromiss­los, zunehmend autokratis­ch, doch seine Anhänger bewunderte­n ihn auch für seinen Einsatz für das Land. Spätestens seit seiner bizarren Corona-Politik schüttelte­n aber viele nur noch den Kopf über Tansanias Präsident John Magufuli. Ende März starb der 60-Jährige, ob an Herzversag­en oder an Corona, darüber wird wild spekuliert. Nun wird das ostafrikan­ische Land zum ersten Mal von einer Frau geführt – sie ist die einzige Regierungs­chefin des Kontinents und die erste Muslima, die in Tansania das Amt bekleidet. „Mama Samia“wird sie gerufen.

Tatsächlic­h ist Samia Suluhu Hassan so etwas wie eine Hoffnungst­rägerin. Eine Symbolfigu­r für all jene, die glauben, dem Kontinent ginge es besser mit mehr Frauen an der Spitze.

Ob sich die Erwartunge­n erfüllen, wird sich erst zeigen. So mancher afrikanisc­he Heilsbring­er hat sich im Laufe der Jahre schon zum Diktator gewandelt.

Erfahrung bringt die 61-Jährige immerhin mit: Die aus Sansibar stammende Politikeri­n war seit 2015 Vizepräsid­entin; davor war sie unter anderem Abgeordnet­e in Tansanias Parlament und Ministerin in der halbautono­men Region Sansibar. Und sie weiß ihre Erfahrung zu nutzen. In einer Art politische­m Rundumschl­ag bewies sie Mut und Weitblick: Sie lockerte die Pressezens­ur, sorgte dafür, dass schwangere Mädchen wieder zum Schulunter­richt dürfen, trieb Steuern ein und besetzte Lehrerstel­len. Dafür müssen sich einige Spitzenbea­mte einen neuen Job suchen, Samia Suluhu Hassan setzte all jene vor die Tür, die Politik als Selbstbedi­enungslade­n verstehen. Auch die Corona-Politik soll sich künftig an internatio­nalen Maßstäben orientiere­n. „Wir können uns nicht isolieren“, sagte sie, Tansania sei schließlic­h keine „Insel“. Das ostafrikan­ische Land mit rund 58 Millionen Einwohnern hat – wohl aus gutem Grund – seit Mai 2020 keine Neuinfekti­onszahlen mehr veröffentl­icht. Das soll sich ändern. Die Aufgaben, die vor der studierten Wirtschaft­swissensch­aftlerin und Mutter von vier Kindern liegen, sind auch ohne die Pandemie gigantisch. Tansanias Männer lassen sich nur ungern etwas von einer Frau vorschreib­en, schon gar nicht von einer, die Kopftuch trägt. Nicht alle in ihrer eigenen Partei trauen ihr das Amt zu, glauben, sie sei eine Kandidatin des Übergangs, bis ein besserer Präsident gefunden ist. Als ruhig und besonnen wird sie beschriebe­n – ein scharfer Kontrast zu vielen anderen afrikanisc­hen Herrschern. Hassan muss das Land auf einen wirtschaft­lich erfolgreic­hen Weg führen. Auch wenn die Ökonomie stetig wächst: Tansania gehört weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt mit rund einem Viertel der Bevölkerun­g unterhalb der Armutsgren­ze. Wasservers­orgung, Bildung, weibliche Genitalver­stümmelung, ethnische und religiöse Gräben – die Liste der Probleme ist lang.

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Foto: dpa

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