Die mächtigste Frau bei VW
Daniela Cavallo hat Bernd Osterloh an der Spitze des Betriebsrates abgelöst. Schon ihr aus Italien stammender Vater war lange bei dem Autobauer beschäftigt
Kann sich Volkswagen-Boss Herbert Diess, 62, nun zumindest etwas zurücklehnen? Schließlich ist sein härtester Widersacher Bernd Osterloh, 64, als langjähriger Betriebsratschef in Wolfsburg abgetreten, um seiner früheren Stellvertreterin Daniela Cavallo, 46, den Posten zu überlassen. Neben dem großgewachsenen, kahlköpfigen und breitschultrigen Osterloh wirkt die Frau mit den dunklen langen Haaren immer noch etwas zarter und kleiner, als sie es ohnehin ist.
Doch Diess, der sicher aufgeatmet haben mag, dass sich Arbeiterführer Osterloh zum Geldverdienen zur VW-Lkw-Tochter Traton als Personalvorstand nach München abgesetzt hat, sollte sich nicht in Sicherheit wiegen. Denn Cavallo, das hat sie in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahren als Osterlohs Stellvertreterin bewiesen, ergreift nicht minder hartnäckig Partei für Mitarbeiterbelange, nur leiser als ihr manchmal rustikal reingrätschender Vorgänger. Osterloh hat das Talent Cavallos frühzeitig erkannt: „Sie ist führungsstark, empathisch und so strategisch denkend, dass sich viele wundern werden.“
Diess wird es mit ihr, da sind sich Kundige der VW-Festung Wolfsburg mit traditionell vergleichbar sehr hoher Arbeitnehmermacht einig, nicht leichter haben als mit dem machtbewussten Gewerkschafter. Die neue Betriebsratsvorsitzende will ihr Amt zwar „ruhiger als Osterloh, aber bestimmt nicht weniger zielorientiert und durchsetzungsstark“angehen, verriet sie schon einmal. Cavallo verfolgt also ähnliche Interessen wie ihr Vorgänger, nämlich die Beschäftigung bei dem Autobauer in Zeiten eines radikalen Wandels der Branche zu sichern. Das führt zwangsläufig zu Konflikten mit dem Management. Während Osterloh bei VW einst noch als Arbeiter in der Produktion malocht hat, kann Cavallo Abitur, eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation und ein berufsbegleitendes Wirtschaftsstudium vorweisen. Schon ihr Vater hat wie sie – wenn auch am Band – für VW gearbeitet. Er kam 1969 aus dem süditalienischen Kalabrien nach Wolfsburg. Gastarbeiter haben maßgeblich zum Erfolg des größten Autowerks Europas beigetragen. Es war Cavallos Vater, der ihr zu einem Berufseinstieg bei VW riet: „Wenn du im Werk einen Ausbildungsplatz bekommst, hast du eine sichere Zukunft.“Volkswagen sei eben der beste Arbeitgeber in der Region.
Die Tochter hörte auf ihren Vater und machte Karriere. Dabei kam der Wunsch, eine Familie zu gründen, nicht zu kurz. Cavallo ist verheiratet und hat eine zwölf- und eine 16-jährige Tochter. Dass sie Elternzeit nahm, was damals für eine Betriebsrätin in Wolfsburg noch ungewöhnlich war, stoppte ihren Aufstieg indes nicht. Wenn die Gewerkschafterin mal Zeit hat, entspannt sie sich am liebsten mit ihrer Familie. Wie in Italien üblich wird dann gut aufgekocht. Das ist ein großes Hobby von Cavallo. Stefan Stahl