Ganz entspannt aufs Dieselross
Eine Ausfahrt mit dem Oldtimer-Traktor ist auch am Vatertag ein Vergnügen. Doch wer mit einem Kauf liebäugelt, muss viel wissen
Willich/Bochum Autos, Motorräder oder E-Bikes werden immer schneller, digitaler und mitunter komplizierter. Historische Traktoren zeichnen den kompletten Gegenentwurf: Die Agrarfahrzeuge fürs Feld sind langsam, analog und einfach zu verstehen. Grobstollige Reifen, ein luftiger Sitzplatz und ein vibrierender Dieselmotor. „Viele Besitzer kaufen sich mit Schlepper ein Stück Erinnerung, ein Stück Vergangenheit“, sagt Alexander Bank. Im Gegensatz zu historischen Autos werden Schlepper weiterhin als Arbeitsgerät benutzt. Zudem sei die Technik überschaubar, sodass jeder halbwegs versierte Schrauber einen Traktor warten und reparieren kann, sagt Alexander Bank, der Journalist und Experte ist bei Schlepper Post, einer Zeitschrift für historische Agrarfahrzeuge.
Einen richtigen Boom auf Traktoren kann Aleksandra Lippert von Classic Analytics allerdings nicht feststellen. „Eigentlich wurden historische Traktoren schon in den 1980er Jahren wiederentdeckt. Viele Besitzer, meist Landwirte, haben ihre alten Maschinen nur abgestellt und erst Jahre später wieder hervorgeholt und nahtlos in die Brauchtumspflege gelenkt“, sagt die Expertin des Unternehmens zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern. Viele Besitzer nutzen die historischen Trekker für Ausfahrten oder setzen sie für leichte Aufgaben im Betrieb ein. Vor 15 bis 20 Jahren stiegen die Preise für Traktoren, seitdem befinden sie sich auf hohem Niveau. „Normale Bauernschlepper mit 20 PS gibt es günstig, dagegen kosten Fahrzeuge mit Allrad, Sechs- oder Achtzylindermotoren und mit viel Leistung deutlich mehr“, sagt Alexander Bank. Dazu zählt er unter anderem Unimog-Modelle und den IHC 1455 XL. Auch Traktoren von Porsche und Lamborghini stiegen in den vergangenen Jahren im Wert, was aber eher am Firmennamen liege als an der Qualität der Fahrzeuge.
Derzeit bietet der Gebrauchtwagenmarkt laut Alexander Bank eine große Auswahl von Schleppern der 1940er, 1950er und 1960er Jahre mit stagnierenden Preisen, wie der Lanz Bulldog. „Das sind tolle, aber archaische Fahrzeuge, die in Sachen Fahrkomfort und Start-Technik gewisse Ansprüche stellen“, sagt er. Was kostet die Entschleunigung? Aleksandra Lippert sieht den Markt zweigeteilt. Zu den bekannten Marken zählen unter anderem Deutz, Fendt, John Deere, Hanomag, Steyr, Hatz, MAN oder Lanz. „Die Nachfrage und Preise von kleinen Traktoren bis 20 PS haben sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Bei stärkeren Schleppern mit mehr Leistung haben die Preise hingegen stark angezogen“, sagt die Expertin. Beliebte Modelle wie Mercedes MB-trac mit ihren starken Sechszylindermotoren, große Schlepper von Eicher wie der 3002 Mammut, IHC 1455 oder Schlüter Profi-Trac haben eine große Fangemeinde. In perfektem Zustand kann ein Porsche Master 429 mit Vierzylinder etwa 85000 Euro kosten, ein vergleichbarer Deutz D50 hingegen nur 15000 Euro. Auch Importmodelle von großen Marken wie Massey Ferguson kosten weniger.
Generell rät Alexander Bank, sich vor dem Kauf über einige Punkte im Klaren zu sein: „Was will der Nutzer mit dem Schlepper?“. Für Holzarbeiten eigneten sich Mittelklassetraktoren wie Fendt Farmer und Favorit, Deutz D-Serie der 1960er und 1970er Jahre oder IHC 523 und 624. „Allradantrieb ist da natürlich auch sinnvoll“, sagt der TraktorExperte. Besitzern, die das Fahrzeug für entschleunigte Tagestouren einsetzen möchten, reicht ein Traktor mit Hinterradantrieb, dafür aber mit Schnellgang, damit er bis zu 40 km/h schnell fährt.
Auch der eigene Führerschein kann die Auswahl begrenzen. „Bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen reicht die Führerscheinklasse B. Für schwere Zugmaschinen benötigen private Fahrzeugführer die Klassen C oder C1“, so Thorsten Rechtien vom TÜV Rheinland. Beim „kleinen“Traktorführerschein T dürfen Fahrer ab 16 Jahren land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten erledigen, die Traktoren dürfen nicht schneller als 40 km/h fahren, mit Anhänger maximal 25 km/h. Für größere und schnellere Schlepper bis 60 km/h und einer maximalen Gesamtmasse von 40 Tonnen wird der T-Führerschein notwendig. Das gilt aber nur für eine landwirtschaftliche Nutzung. Wer als Privatmann mit einem großen Schlepper unterwegs ist, fährt unter Umständen ohne gültige Fahrerlaubnis.
Außerdem müssen schwere Traktoren über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht alle zwölf Monate zur Hauptuntersuchung (HU), ebenso wie Fahrzeuge, die schneller als 40 km/h fahren. Bei Traktoren über 7,5 Tonnen kommt eine Sicherheitsüberprüfung nach sechs Monaten hinzu. Für Schlepper, die langsamer als 6 km/h fahren, entfällt dagegen die HU, auch wenn die Fahrzeuge den Bau- und Betriebsvorschriften unterliegen und in technisch einwandfreiem Zustand sein müssen. Keine Probleme gibt es bei älteren Fahrzeugen mit der Einfahrt in Umweltzonen. Landwirtschaftliche Zugmaschinen dürfen ebenso einfahren wie Traktoren, die älter als 30 Jahre sind und als Oldtimer anerkannt sind. Für die gilt wie bei Autos: Sie müssen in einem möglichst originalen Zustand und erhaltenswert sein. „Bei ehemaligen Arbeitsgeräten gehört aber eine gewisse Patina dazu“, sagt Rechtien.
„Es gibt kein klassisches Einsteigermodell. Meist entsteht eine Zuneigung zu einer Marke oder zu einem Modell durch Familie und Freunde“, sagt Aleksandra Lippert. Wichtig sei, dass der Traktor möglichst original und wenig verbastelt auf den Rädern stehe. Eine umfangreiche Dokumentation wertet jedes Fahrzeug auf.
Gängige Marken wie Fendt, Deutz oder IHC bieten eine gute Ersatzteilversorgung. Bei nicht mehr existierenden Marken wie Eicher, Kramer oder Hela sei diese schlechter, so Alexander Bank. „Wer nicht selbst schrauben kann, sollte sich vorher um Kontakte und Adresse kümmern, am besten von Besitzern. Die finden sich häufig in regionalen Klubs oder auf Traktortreffen“, sagt er. Bei einer Besichtigung sollte der Gesamteindruck laut Thorsten Rechtien ebenso stimmen wie ein guter Zustand. Kontrolliert werden sollten unter anderem die elektrische Anlage, Lager, Wellen, hydraulische Anschlüsse, Gängigkeit der Lenkung, Öl-Undichtigkeiten, Lenkstangen und Bremse. „Da sich Traktoren anders fahren und sich anders bedienen lassen als Autos, sollten Interessenten sich Zeit für eine Probefahrt nehmen und sich die Technik genau erklären lassen“, sagt Rechtien. Sonst artet die beste Entschleunigung in Stress aus.
Die Ersatzteilversorgung kann zum Problem werden