Beuys und die Nazis?
Wie hätten die Nazis wohl auf dieses Werk und seinen Schöpfer reagiert? Man mag den Gedanken lieber nicht zu Ende bringen. Und doch: Seit Jahren gibt es in der Wahrnehmung dieser Künstlergestalt eine Tendenz, Beuys zum Fortführer braunen Gedankenguts zu stempeln. In Teilen der Biografik werden dabei überscharf vermeintliche Auffälligkeiten in Leben und Werk herausgearbeitet und scheinbar schlagende Schlüsse daraus gezogen.
Ist nicht schon Beuys’ Material verdächtig? Eichen, gepflanzt von einem Deutschen – öffnet das nicht bedenkliche Echoräume von Boden, Verwurzelung und unbändiger Kraft? Oder Beuys’ Vorliebe für totes Getier, dieses Spiel mit Kultus und Opfer – fällt da nicht das unselige Fackellicht deutsch-nationaler Germanenschwärmerei auf die sich plastisch-sozial gerierende Kunst? Schließlich die Nähe zu Rudolf Steiner, dem kontrovers diskutierten
Anthroposophen, der von der „Mission einzelner Volksseelen“raunte: Spricht das, in Parallelen gesetzt zu Beuys, nicht alles eine eindeutige Sprache? Obendrein gewisse Leute um Beuys: das Ex-SS-Mitglied, das später für den Künstler Reden verfasste? Oder die Teilnahme des Weltkriegsfliegers Beuys an einem Treffen einstiger Stuka-Piloten?
Letzteres ist nicht in Abrede zu stellen. Aber daraus die Agenda zu konstruieren, dass Beuys „völkisches“Gedankengut in einer als linksliberal getarnten Kunst weitergetragen hätte, das ist, um es mit dem Künstlerkollegen Klaus Staeck zu sagen, „Quatsch“. Beuys war nicht naiv, gewiss hat er die potenziell toxischen Aspekte seiner Kunst gesehen. Dass er sie nicht ausgesperrt, sondern mit neuer, unschädlicher Ladung versehen hat, ist kein Akt von „völkischer“Gesinnung, sondern eine im Humanen gegründete künstlerische Tat. dem Wissen, dass die Welt eine werdende Schöpfung ist. Allerdings bedroht von Kräften der Zerstörung. Im Zeitalter des Atomkriegs zelebrierte er 1971 in einem Zivilschutzraum in Basel eine Messe, wie Jesus wusch er Besuchern hingebungsvoll die Füße. Für die Installation „Zeige Deine Wunde“richtete Beuys 1975 ein Krankenzimmer mit zwei Totenbahren in einer Münchner Fußgängerunterführung ein, während darüber die Passanten shoppten.
Beuys sieht den Menschen als verletzliches Wesen an, das genauso wie die Gesellschaft der Heilung bedarf. Die Spiritualität dafür bezieht er von seiner „Christusarbeit“. Für Eugen Blume, der in Berlin gerade eine Ausstellung über die religiösen Wurzeln im Schaffen von Beuys kuratiert, „war das Lumen Christi die für Beuys einzige reale Möglichkeit der Erlösung aus dem geistlosen Materialismus des späten 20. Jahrhunderts“. Christus habe die Freiheit gegenüber den Weltverhältnissen vorgelebt. So frei wie er solle jeder Mensch als Künstler seine Fähigkeit zu kreativer Freiheit leben.