Aichacher Nachrichten

Warum der Allenberge­r Dorfweiher verschwand

Vor 160 Jahren entstand aus einer Pfütze der Dorfweiher am östlichen Ortsrand in dem Schiltberg­er Ortsteil. Wie er ein Jahrhunder­t lang genutzt wurde, weshalb es ihn heute nicht mehr gibt und was jetzt auf dem Boden steht

- VON MICHAEL SCHMIDBERG­ER

Schiltberg Am östlichen Ortsrand Allenbergs im Gemeindege­biet Schiltberg liegt heute unter anderem der Spiel- und Bolzplatz des rund 280 Einwohner zählenden Dorfes. Wenn hier die Kinder und Heranwachs­enden ihrem Freizeitve­rgnügen nachgehen, denken sie wohl kaum an die einstige Bedeutung dieses Platzes. Wo die Jugend jetzt festen Boden unter den Füßen hat, lag länger als ein Jahrhunder­t der Dorfweiher. Je nach Lebensalte­r stand für die einen die Erlebnisqu­alität des Gewässers, für die anderen sein wirtschaft­licher Wert im Vordergrun­d.

Die Geschichte des Allenberge­r Gemeindewe­ihers beginnt vor genau 160 Jahren. Ab 1861 entwickelt­e er sich von einer bescheiden­en Pfütze zum sprudelnde­n Quell, aus dem jahrzehnte­lang die Gemeinde Pachtzins, der Pächter Fische, die Feuerwehr Löschwasse­r, der Wirt Kühleis und die Kinder Badevergnü­gen schöpften. Die erste Beurkundun­g vom 12. Mai 1861 im Gemeindepr­otokollbuc­h lautet: „Unter dem heutigen [Datum] hat die Gemeindeve­rwaltung Allenberg das Fischwasse­r, respektive Pferdeschw­emme, in der sich nur ein Wasser befindet, wenn anhaltende­r Regen erfolgt, wo dann das Wasser in dieser Grube zusammenfl­ießt, versteiger­t, und es erhielt dasselbe Michl Neumair, welcher Fische in diese Grube einwarf, um den Steigerung­spreis auf ein Jahr, um 4 Gulden.“

Michl Neumair wird ein Allenberge­r gewesen sein. Jedenfalls gab es von 1857 bis 1863 einen „Bevollmäch­tigten“, das heißt einen Gemeindera­t im Ort, der Stephan Neumair hieß. Das Protokollb­uch verwendet für den Familienna­men auch die Schreibwei­se „Naimeir“. Es tauchen auch weitere Neumair-Varianten auf, aber es dürfte sich stets um Mitglieder ein und derselben Familie gehandelt haben. Daneben war Rat Stephan Neumair ab dem 2. Februar 1861 Jagdpächte­r der Allenberge­r Gemeindeja­gd. Er löste in dieser Funktion Herzog Maximilian in Bayern ab, den Schlossher­rn von Unterwitte­lsbach (1838–1888) und Vater von Sisi.

Die Pferdeschw­emme taugte als Fischwasse­r wohl nur schlecht, denn ab 1863 konnte der Weiher beziehungs­weise „die Grube“, vorübergeh­end nicht mehr an den Mann gebracht werden, „da sich niemand hervorthat, der Fische einwerfen wollte.“Ab 1869 tritt Johann Neumaier als Pächter auf. Er zahlte anfangs zwei, ab 1870 vier Gulden Jahrespach­t. Michael Neumeier (1872) und Cyprian Neumaier (1873) folgten in kurzem Abstand. Bei Cyprian steht ab 1876 der Zusatz „Neumair von Gundertsha­usen“(jetzt 6,86 Mark Pachtgebüh­r).

Im November 1881 besiegelte die Gemeinde Allenberg einen ausführlic­hen Pachtvertr­ag mit dem „Bauerssohn Michael Neumair von Gundertsha­usen“(12 Mark). Zwei der vier Bestimmung­en lauteten: „Es darf der Weiher durch Abgraben nicht verändert oder reduziert werden“sowie: „Die Gemeinde behält sich das Recht vor, wenn es in der Gemeinde notwendig werden sollte, das Wasser zu benützen, ohne daß der Pächter dadurch Schadeners­atz beanspruch­en kann.“Als solche Anlässe, bei denen Wasser aus dem Weiher entnommen werden durfte, wären große Trockenhei­t im Sommer und der Brand eines landwirtsc­haftlichen Gebäudes oder Wohnhauses denkbar.

Am 20. November 1887 kamen die Vertragspa­rtner überein, „daß an Stelle des bisherigen Pächters Michael dessen Bruder Cyprian als Pächter zugelassen“wird (10 Mark). Dreizehn Jahre später wollte die Familie Neumaier, die einst aus einem Wasserloch einen rentablen Fischteich gemacht hatte, nach 39-jähriger Vertragser­füllung nicht länger Fischzucht betreiben.

Im November 1900 übernahm bis 1927 der „Schmid und Gütler Georg Hofberger von hier“die Allenberge­r Fischgründ­e. Ab 1907 war Hofberger auch Thuringia-Versicheru­ngsagent. Durch Einheirat brachte dessen Schwiegers­ohn Georg Hanser 1939 den noch heute gültigen Familienna­men in das Anwesen. Georg Hofbergers Nachfolger war Thomas Schillinge­r aus Unterbernb­ach. Als nächste Pächternam­en nennt uns das Protokollb­uch der Gemeinde den Andreas Schäfer aus Aichach (1931) und Mathias Schalk aus Schiltberg (1933).

Während des Zweiten Weltkriege­s und in den ersten Nachkriegs­jahren wurde das Gewässer in Allenberg vermutlich nicht als Fischteich genutzt, jedenfalls nicht gegen Pachtzins. Belege sind keine vorhanden. Von 1953 bis 1960 waren dann die beiden Allenberge­r Franz Menges († 2017) und Paul Stempfel († 1985) gemeinsame und letzte Pächter des Fischwasse­rs. Sie entrichtet­en anfangs 20 Mark Jahrespach­t an die Gemeinde, später erhöhte sich der Betrag dann.

Franz Menges erzählte rückblicke­nd (1995) mit Begeisteru­ng vom Fischreich­tum dieses Teiches: „Sogar aus Aichach kamen die Leute und kauften Karpfen und Setzlinge.“Bis 1955 hatte der Weiher auch als Eisliefera­nt für den Bierkeller des Wirtes gedient. Menges über das „Eisen“, den Abbau und Heimtransp­ort der Eisscholle­n: „Es war eine schwere Arbeit, aber es war auch schön, ein Feiertag.“Denn nach getaner Arbeit tischte Gastwirt Josef Rupp seinen Helfern einen üppigen Schweinebr­aten und Freibier auf. Als aber der Dorfweiher mit Beginn der 1960er-Jahre zunehmend von Gänseschwä­rmen in Beschlag genommen und später noch in anderer Weise zweckentfr­emdet wurde, verlor er seine Attraktivi­tät gänzlich.

Heute sucht man den Allenberge­r Weiher vergeblich an der östlichen Ortszufahr­t, für dessen korrekte Verpachtun­g so viele Kanzleibög­en und Siegelpapi­er beschriebe­n wurden. Der Anschluss des Dorfes an die zentrale Wasservers­orgung machte ihn im Jahr 1979 als Löschweihe­r überflüssi­g. Man füllte ihn ein und legte auf der großen Fläche einen Kinderspie­lplatz an.

Junge Eltern und andere engagierte Einwohner schufen hier von Oktober 1981 bis September 1982 in unentgeltl­ichen Arbeitsstu­nden die neue Freizeitan­lage. Alle Kosten für Material und Spielgerät­e, rund 15.000 D-Mark, übernahm die inzwischen zuständige Gemeinde Schiltberg. Anno 2008 wurde der Spielplatz in einer konzertier­ten Aktion von Dorfjugend und Gartenbauv­erein generalsan­iert und um eine Stockschüt­zenbahn erweitert. Dorfgemein­schaft, Gemeinde und ein paar Firmen trugen ihr Scherflein zum Gelingen bei.

Die letzte große Veränderun­g erfuhr das Gelände vor einem Jahrzehnt. In direkter Nachbarsch­aft zum Freizeitbe­reich wurde von der Freiwillig­en Feuerwehr Allenberg das neue Gerätehaus erbaut und im Mai 2011 eingeweiht. So schließt sich der Kreis: Moderne Löschtechn­ik des 21. Jahrhunder­ts trifft an der ursprüngli­chen Uferlinie auf den „versunkene­n“Lösch- und Fischteich vergangene­r Zeiten.

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Fotos und Repros: Michael Schmidberg­er Sommerlich­e Floßfahrt auf dem Dorfweiher im Schiltberg­er Ortsteil Allenberg. Die Aufnahme entstand vor 1960 und zeigt Georg Hanser (links) und Hans Kottmair aus Al‰ lenberg.
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Einer der Höhepunkte der langen Geschichte des Allenberge­r Gewässers: Auf dem Gelände des zugefüllte­n Dorfweiher­s legten El‰ tern 1982 für den Allenberge­r Nachwuchs einen Spiel‰ und Bolzplatz an.
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Georg Hofberger (1880‰1945) aus Allenberg war Dorfschmie­d, Gütler, Versiche‰ rungsagent und knapp drei Jahrzehnte lang Pächter des Fischwasse­rs.
 ??  ?? Wo das Wäldchen vom rechten Rand zur Bildmitte hin ausläuft, lag bis in die 1970er‰ Jahre der Allenberge­r Dorfweiher. Die Aufnahme stammt von März 1981.
Wo das Wäldchen vom rechten Rand zur Bildmitte hin ausläuft, lag bis in die 1970er‰ Jahre der Allenberge­r Dorfweiher. Die Aufnahme stammt von März 1981.
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Michael Birkl (hier 1984) bewirtscha­fte‰ te den Neumair‰Hof in Gundertsha­usen.

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