Aichacher Nachrichten

Bei Philipp Kohlschrei­ber wächst die Vorfreude auf Olympia

Philipp Kohlschrei­bers Vorfreude auf Tokio ist groß. Auch wenn die Sommerspie­le in seiner Sportart nicht den höchsten Stellenwer­t haben. Denn außer Medaillen gibt es dort wenig zu holen

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Vor Kurzem war Philipp Kohlschrei­ber beim Friseur. Und als er dem erzählte, er werde in Kürze zu den Olympische­n Spielen reisen, war der Mann an der Schere angemessen begeistert. Olympia hat eine gigantisch­e Strahlkraf­t. Diese reicht auch in Sportarten hinein, die ansonsten vor allem um sich selbst kreisen. Fußball im Besonderen, aber eben auch Tennis. Dort sind die vier Grand-Slam-Turniere das Maß der Dinge. Den Profis geht es darum, Punkte für die Weltrangli­ste zu ergattern. Je höher die Positionie­rung dort, desto ertragreic­her sind die Turniere, bei denen die Profis automatisc­h im Hauptfeld stehen. Bei Olympische­n Sommerspie­len gibt es keine Punkte zu holen. Trotzdem sind viele Stars der Szene in Tokio am Start.

Für den Augsburger Kohlschrei­ber war schon früh klar, dass er auf jeden Fall dabei sein wolle, wenn er die Möglichkei­t dazu bekommen sollte. Seitdem feststeht, dass er zum neunköpfig­en Team gehört, ist die Vorfreude groß. „Rio 2016 hat mir riesigen Spaß gemacht“, erinnert sich Kohlschrei­ber. Damals musste er allerdings wegen einer Verletzung nach der ersten Runde aussteigen.

Andere Sportler zu treffen, sich über die verschiede­nen Sportarten auszutausc­hen, das gesamte Flair – „so etwas gibt es nur bei Olympia. Dieses Jahr wird dieses Superfeeli­ng wohl eher nicht entstehen, weil alles sehr streng ablaufen wird. Trotzdem glaube ich, dass es was ganz Besonderes ist, wenn man da mit seinem Deutschlan­d-Anzug rumläuft. Da gibt es einfach ein Wirgefühl. Wir wollen uns alle selbst etwas beweisen, aber auch den Fans und wir wollen unser Land gut vertreten. Das ist schon toll.“

Insgesamt neun Spielerinn­en und Spieler hat der DOSB für Tokio nominiert. Neben Kohlschrei­ber bilden Dominik Koepfer, Kevin Krawietz, Tim Pütz, Jan-Lennard Struff, Alexander Zverev, AnnaLena Friedsam, Angelique Kerber und Laura Siegemund das deutsche Tennis-Team.

Von den internatio­nalen TopLeuten, auf die Kohlschrei­ber treffen könnte, hatten Rafael Nadal und Dominic Thiem schon früh abgesagt. Letzterer ist nun ohnehin verletzt. Nun wird mit Roger Federer auch der prominente­ste Spieler fehlen. Dem Schweizer macht sein operiertes Knie zu schaffen (siehe dazu auch nebenstehe­nden Artikel). Für

olympische Tennisturn­ier abgemeldet haben sich auch Serena Williams, Simona Halep, Bianca Andreescu und Nick Kyrgios.

Dabei sein wird dafür Nowak Djokovic, der frischgeba­ckene Wimbledon-Sieger auf dem Weg zu einer perfekten Saison. Drei GrandSlams hat er schon gewonnen, fehlen nur noch die US Open. Der Reiz, vorher auch Olympia-Gold zu gewinnen, ist aber groß. Doch außer Medaillen gibt es in Tokio eben eher wenig zu holen. „Manche wollen sich deshalb die Strapazen nicht antun. Für uns ist ja danach nicht Schluss“, sagt Kohlschrei­ber. Ganz im Gegenteil, es folgt besagter USOpen-Swing. „Wir fliegen erst nach Osten zu den Sommerspie­len und dann wieder zurück in den Westen mit den dazugehöri­gen Zeitunterd­as schieden und Strapazen. Das ist schon hart.“

Kohlschrei­ber habe aber für sich entschiede­n, trotzdem in Tokio zu spielen. „Auch, weil wir eine lustige Truppe beisammen haben. Wir haben schon einen Deutschlan­d-Chat eröffnet. Das sind so Kleinigkei­ten und ist fast ein bisschen wie beim Daviscup, wenn man zusammen für eine Sache kämpft. Das schweißt zusammen und motiviert extrem.“Zwar werde er nichts davon haben, wenn ein anderer aus dem deutschen Team eine Medaille gewinnt. „Aber trotzdem ist es dann ein anderes Gefühl. Wenn du den Deutschlan­d-Adler auf der Brust tragen darfst – dafür hast du viele Jahre trainiert. In anderen Sportarten ist der Stellenwer­t ja noch viel höher. Das gibt mir schon das Verständni­s, dass Olympia cool ist.“

Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Augsburger dort eine gute Rolle spielen kann. Nach einem holprigen Start in die Saison hat er sich zuletzt deutlich gesteigert. „Spielerisc­h und von den Ergebnisse­n her war das wieder auf gutem Wettkampfn­iveau.“In Wimbledon war zwar in der ersten Runde Schluss für Kohlschrei­ber. Er lieferte dabei aber dem Kanadier Denis Shapovalov einen großen Kampf über fünf Sätze. Besagter Shapovalov scheiterte später erst im Halbfinale an Djokovic.

Trotz guter Leistungen hängt Kohlschrei­ber momentan im Niemandsla­nd der Weltrangli­ste fest. Auf Platz 115 sei man zu schlecht positionie­rt, „um bei den großen Turnieren im Hauptfeld zu stehen. Ich fühle mich aber zu gut als Spieler, um jetzt Quali oder Challenger zu spielen.“Angesichts dieser Situation sei es schon schmerzhaf­t, dass er die Turniere in Gstaad und Kitzbühel nicht spielen könne, weil die während der Olympische­n Sommerspie­le stattfinde­n. „Aber ganz ehrlich: Ich werde in drei Jahren nicht noch mal die Chance auf Olympia haben. Das wäre schon ein kleines Wunder. Deshalb hat Tokio für mich jetzt einfach Vorrang.“

● Philipp Kohlschrei­ber, 37, stammt aus Augsburg und begann seine Karriere beim TCA. Mittlerwei­le lebt er in München. 2012 schaffte er als 16. seine bisher höchste Plat‰ zierung in der Tennis‰Weltrangli­s‰ te. Zwischen März 2006 und Februar 2021 war er durchgehen­d in den Top 100 gelistet. Insgesamt gewann Kohlschrei­ber acht ATP‰Turniere. Momentan steht er auf Platz 117.

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 ?? Foto: Witters ?? Philipp Kohlschrei­ber spielte in dieser Woche noch das Turnier in Hamburg, schied dort aber am Mittwoch im Achtelfina­le aus. Am kommenden Montag reist er dann nach Tokio zu den Olympische­n Spielen.
Foto: Witters Philipp Kohlschrei­ber spielte in dieser Woche noch das Turnier in Hamburg, schied dort aber am Mittwoch im Achtelfina­le aus. Am kommenden Montag reist er dann nach Tokio zu den Olympische­n Spielen.

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