Aichacher Nachrichten

Die CSU zelebriert den Drahtseila­kt

Rechtzeiti­g zur Klausur der CSU-Landesgrup­pe bekommt die Partei die Gelegenhei­t, sich gegenüber der Schwesterp­artei CDU zu profiliere­n. Söder beharrt trotz des Neins seines Ex-Rivalen Laschet auf Steuerentl­astungen

- VON ULI BACHMEIER

Kloster Seeon CSU-Klausuren vor oberbayeri­scher Traumkulis­se gelten seit Jahrzehnte­n als profession­ell inszeniert­e Polit-Spektakel. An diesem Mittwoch in Kloster Seeon aber übertrifft die Partei sich selbst. Als hätte er auf die Uhr geschaut, beendet CSU-Chef Markus Söder seine Begrüßungs­rede im Hof vor dem über 1000 Jahre alten Kloster just eine Sekunde vor zwölf Uhr mit der grundsätzl­ichen Feststellu­ng: „Die CSU ist eine eigenständ­ige Partei im Team mit der CDU.“Ein kurzer Moment der Stille. Dann läuten die Glocken der Klosterkir­che und Söder sagt mit Blick in den wolkenverh­angenen Himmel: „Danke für die offizielle Bestätigun­g.“

Es ist, wie so oft vor Wahlen, ein Drahtseila­kt für die CSU. Sie muss ihr Profil im Unterschie­d zur großen Schwesterp­artei CDU schärfen, aber gleichzeit­ig die Geschlosse­nheit der Union im beginnende­n Bundestags­wahlkampf zelebriere­n. CDUChef Armin Laschet, erklärterm­aßen nicht der Wunsch-Kanzlerkan­didat der bayerische­n Christsozi­alen, hatte der CSU am Sonntag für ihre Selbstinsz­enierung in Kloster Seeon eine Steilvorla­ge gegeben. In einem Interview hatte Laschet erklärt, dass im Moment „nicht die

Zeit für Steuerentl­astungen“sei. Er hatte sogar behauptet, dass sich im gemeinsame­n Wahlprogra­mm von CDU und CSU „keine einzige Steuerentl­astung“finde. Söder hatte tags darauf prompt gekontert: „Steuersenk­ungen sind das Herzstück unserer Steuerpoli­tik.“Und er hatte darauf hingewiese­n, dass schrittwei­se Steuerentl­astungen ausdrückli­ch vereinbart seien.

Zum Auftakt der Klausur der CSU-Landesgrup­pe in Kloster Seeon ist der öffentlich­e Disput der beiden Parteichef­s, die sich im Frühjahr

einen erbitterte­n Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur geliefert hatten, Tagesgespr­äch. Die Meinungen unter den CSU-Bundestags­abgeordnet­en über den Vorgang gehen auseinande­r. Einige halten den Zwist für eine ziemlich ernste Sache. Manche sehen darin sogar einen neuerliche­n Beleg für die Rivalität zwischen Laschet und Söder. Die Mehrheit aber schwankt zwischen zwei Interpreta­tionen.

Interpreta­tion 1: Laschet hat sich in dem Live-Interview unglücklic­h ausgedrück­t. Der CSU-Finanz- und Wirtschaft­spolitiker Hans Michelbach etwa sagt: „Ich denke, dass Laschet sich da irgendwie verquatsch­t hat.“Schließlic­h sei man sich bei der Ausarbeitu­ng des gemeinsame­n Wahlprogra­mms darüber einig geworden, dass es Steuersenk­ungen und Erleichter­ungen für Unternehme­n geben müsse, um die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder voranzubri­ngen. „Ich denke“, so sagt Michelbach über Laschet, „er wird das korrigiere­n.“

Interpreta­tion 2: Ein bisserl Spektakel vor einer Wahl hat der CSU noch nie geschadet. Ex-Bundesverk­ehrsminist­er Peter Ramsauer, vormals selbst Vorsitzend­er der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, sagt zu dem Disput: „Das ist das übliche Theater, das von der Presse noch angeheizt wird.“An einen echten Gegensatz zwischen CSU und CDU glaubt er allerdings nicht. „Irgendwas muss halt her, das nach Reiberei ausschaut.“

Einigkeit herrscht offenbar darüber, dass es am Ende, wie es in der Vergangenh­eit meistens gewesen sei, zu einem Kompromiss kommen werde. Der Bundestags­abgeordnet­e und Augsburger CSU-Bezirksche­f Volker Ullrich zeigt sich überzeugt: „Es wird im Koalitions­vertrag die eine oder andere Entlastung geben – inklusive der Mütterrent­e.“

Ullrich liegt damit weitgehend auf der Linie, die auch die Parteispit­ze vertritt, auch wenn Söder, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt und Generalsek­retär Markus Blume am ersten Tag der Klausur noch einmal Pflöcke einrammen. „Wir setzen auf Wachstum, nicht auf neue Steuern oder neue Schulden“, sagt Blume. Die „Grundmelod­ie“im Wahlprogra­mm der Union sei „Entlastung statt Belastung“. Für Dobrindt ist es die „zentrale Frage, für wirtschaft­liches Wachstum und neue Dynamik“zu sorgen. Dazu gehöre eine

Entlastung der Mitte der Gesellscha­ft und der Unternehme­n. Und Söder betont erneut: „In der Wirtschaft­spolitik ist Steuerentl­astung der Kernbestan­d.“Es gehe jetzt darum, „den Turbo zu zünden“.

Gleichzeit­ig bemühen sich die führenden CSU-Politiker, den Disput mit CDU-Chef Laschet, der am Donnerstag als Gast in Kloster Seeon erwartet wird, nicht weiter zu verschärfe­n. Blume sagt: „Ich sehe keine Konfliktli­nie.“Alle Vorschläge der CSU, die über das gemeinsame Wahlprogra­mm hinausgehe­n, seien „nicht konfrontat­iv, sondern additiv“. Dobrindt verspricht, von der Klausur werde „ein Signal der Geschlosse­nheit zwischen CDU und CSU“ausgehen. Und Söder lenkt in seinem Auftaktsta­tement den Blick auf die politische Konkurrenz: Der Höhenflug der Grünen sei gestoppt. „Ich glaube im Endeffekt auch, dass die Grünen an einigen Stellen einfach noch nicht bereit sind, Deutschlan­d zu führen.“Das Bekenntnis der Union zu schrittwei­sen Steuerentl­astungen ist für ihn eine Kampfansag­e an die Liberalen: „Ich möchte auch nicht der FDP die Chance geben, sich auf unsere Kosten zu profiliere­n.“Jetzt gehe es für die Union „um maximale Mobilisier­ung bürgerlich­er Stimmen“, sagt Söder – und schont auch seinen Koalitions­partner in Bayern nicht: „Das bringt überhaupt nichts, die Freien Wähler zu unterstütz­en. Das ist eine verlorene Stimme.“

Für seine Bundestags­abgeordnet­en hat der Parteichef am ersten Tag der Klausur noch ein Zuckerl im Gepäck. Im Falle einer Regierungs­beteiligun­g nach der Bundestags­wahl wolle er alle Ministerpo­sten der CSU aus der Landesgrup­pe heraus besetzen, verspricht Söder in seiner Grundsatzr­ede. In dem Moment läuten zwar keine Glocken, aber die Erleichter­ung unter den Bundestags­abgeordnet­en ist groß.

Söder und die „Bestätigun­g“von ganz oben…

Blumes Formel lautet: „Additiv, nicht konfrontat­iv“

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? CSU‰Vorsitzend­er Markus Söder (l.) und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt haben sich zum Klausur‰Auftakt in Kloster Seeon positionie­rt – vor der Presse und gegenüber der CDU.
Foto: Sven Hoppe, dpa CSU‰Vorsitzend­er Markus Söder (l.) und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt haben sich zum Klausur‰Auftakt in Kloster Seeon positionie­rt – vor der Presse und gegenüber der CDU.

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