Aichacher Nachrichten

Themenwoch­e Mensch und Roboter kommen sich ganz nah

- Von Stefan Stahl

Roboter sollen auch Äpfel pflücken

Früher mussten die Geräte zum Schutz hinter Zäunen immer die gleichen Arbeiten verrichten. Doch dank Sensoren und künstliche­r Intelligen­z werden die Apparate feinfühlig­er und schlauer. Das eröffnet Augsburger Hersteller­n wie Kuka und German Bionic enorme Chancen

Die Kuka-Geheimlabo­re, intern „der Keller“genannt, liegen hinter einer unscheinba­ren Tür gegenüber eines Aufzugs. Im Keller sieht es aus, wie Laien sich einen solchen Ort vorstellen mögen. Hinter Glasscheib­en befinden sich Versuchsan­ordnungen, etwa Geräte, deren spindelför­mige, silbern glänzende Arme von der Decke hängen. Was sich in einem James-Bond-Film als Krake, der Bösewichte beherzt packt, gut machen würde, findet schlicht in der Lebensmitt­elindustri­e Verwendung. Der abwaschbar­e und hygienisch­e Edelstahl ist erste Wahl, wenn von Kuka-Spinnen Pralinen gegriffen und die verschiede­nen Sorten in Schachteln angeordnet werden.

Das süße Projekt scheint nicht das geheimste aller geheimen zu sein. Besucher dürfen zwar nicht fotografie­ren, aber die Kraken schon eingehend inspiziere­n. Dabei stehen die Lebensmitt­el-Spinnen nicht im Mittelpunk­t der Keller-Stippvisit­e. Kristina Wagner, Forschungs­leiterin des Augsburger Roboterbau­ers, lenkt das Interesse auf ein anderes Experiment. Die Tür zum entspreche­nden Raum steht halb offen. Der Blick wandert geradeaus an die Wand. Nichts ist zu sehen. „Gehen Sie ruhig rein“, sagt die 39-jährige Mathematik­erin lächelnd. Das sich nun offenbaren­de Bild wirkt erklärungs­bedürftig, sitzt doch ein kleiner, weißer, schüchtern wirkender Roboterarm am Boden auf einem Podest. Vor ihm steht ein Pappkarton mit einem Würfel in Kuka-Orange.

Die Forscher nennen den niedlichen Kameraden „Easy“. Man dürfe ihn ruhig anfassen. Auch sei er gelehrig. An der Seite des Greifers hat der Mini-Kuka eine Art Knopf. Ein Druck und der Roboter ist entriegelt. Der Greifer lässt sich, wie es einem „Easy“gebührt, einfach bewegen. Und was hat der Kleine so an Kunststück­en drauf? Kristina Wagner, die an der RWTH Aachen promoviert hat, meint vielsagend: „Alles, was man ihm beibringt.“Das Spiel beginnt. Der Mensch packt den Roboterarm und setzt den Greifer über den Würfel. Easy packt zu. Ohne großen Widerstand lässt er sich dorthin bewegen, wo er den Würfel ablegen soll. Dass Easy clever ist, zeigt sich bald, schließlic­h ist er umgehend in der Lage, die ihm vom Menschen antrainier­te Arbeit akkurat ein ums andere Mal brav zu wiederhole­n.

Was für Laien banal anmuten mag, ist eine Revolution, eine auf den zweiten und dritten Blick. Kuka-Produktarc­hitekt Benjamin Baumann, 34, gibt Erkenntnis­hilfe: „Das Große liegt hier im Kleinen. Was einfach aussieht, ist für uns meist komplex. Da darf man sich nicht täuschen lassen.“Dass der offiziell LBR iisy heißende Easy unkomplizi­ert nachmacht, was der Mensch ihm vorgibt, verdankt er neben entspreche­nden Sensoren den Programmie­rkünsten von Kuka-Experten. Das Ergebnis ist die neue und in diesem Jahr erstmals vorgestell­te Software iiQKA. Dank ihr sollen auch Nicht-Techniker intuitiv, wie sie ein iPhone bedienen, einen Kuka-Roboter rasch in Betrieb nehmen können. Kristina Wagner verspricht, „dass Käufer in weniger Zeit, als ein Fußballspi­el dauert, loslegen und zumindest einfache Arbeiten können“. Das neue Betriebssy­stem wird indes weiterentw­ickelt. Anfang 2022 sollen erste Ruckzuck-Roboter ausgeliefe­rt werden.

Der Easy stellt in mehrfacher Hinsicht eine technologi­sche Revolution dar: Der Kleine ist nämlich ein Cobot, also ein kollaborat­iver Roboter, der eng mit Menschen zusammenar­beiten kann, weil er sie nicht verletzt. Da er sich auch leicht steuern lässt, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, was Einsatzfel­der betrifft. Der Easy könnte wie Bohrer oder Akkuschrau­ber ein normales Werkzeug in einem Handwerksb­etrieb werden, weil er sich rasch ohne Fachkenntn­isse und langwierig­e Schulungen umprogramm­ieren lässt.

Das Gerät funktionie­rt nach der bewährten pädagogisc­hen Methode „Learning by Doing“. Dank künstliche­r Intelligen­z, eben entspreche­nden Algorithme­n und einer Anbindung an die Daten-Cloud, wird der Technik-Zwerg künftig noch schlauer und beweist, dass Großes im Kleinen stecken kann. Denn dank des neuen Betriebssy­stems, verspricht Kristina Wagner, sollen Kuka-Roboter in den nächsten Jahren in der Lage sein, selbst zu lernen, wie sie eine bestimmte Aktion noch besser, also für den Anwender effiziente­r ausführen können. Die dabei gewonnenen Erkenntnis­se, gespeist aus einem riesigen Datenpool, können Unternehme­n helfen, produktive­r zu arbeiten und dadurch bessere Ergebnisse abzuliefer­n. Letzteres ist sicher die größte Veränderun­g, vor der die Industrie steht. Auf dem langen digitalen Revolution­sweg gibt es für einen „Problemlös­er“wie Kuka allerlei kleinere Herausford­erungen zu meistern, wie den Wunsch eines niederländ­ischen Kunden nach einem Roboter, der in Plantagen Äpfel pflückt. Kuka sei an dem Thema dran, verrät die Entwicklun­gsleiterin, ohne aber Details zu nennen.

Im „Keller“spielt Easy nicht mit Äpfeln. Nur so viel ist klar: Der Roboter soll die Früchte wirklich greifen, pflücken und sachte in einen Behälter ablegen. Kuka arbeitet also nicht an einem BaumSchütt­el-Roboter. Die Äpfel sollen schließlic­h ohne Druckstell­en in Supermärkt­en landen.

Während die Agrar-Angelegenh­eit noch im Ungefähren bleibt, wie vieles, was sich im Keller abspielt, werden Kuka-Roboter schon heute in Bereichen eingesetzt, die nach Science Fiction klingen. Gerade in der Medizintec­hnik sind die Gerätschaf­ten aus Augsburg seit rund 20 Jahren zunehmend gefragt. Die Anwendunge­n werden dabei immer spektakulä­rer. Basis sind oft KukaRobote­r, wie sie etwa aus der Automobilp­roduktion bekannt sind. Wenn der Konzern derartige Kraftprotz­e, die große Lasten stemmen können, etwa dem langjährig­en Partner Siemens liefert, sind sie später im eingebaute­n Zustand kaum wiederzuer­kennen. Ein Kuka-Roboter wird Teil ei

großen Anlage und bewegt bei dreidimens­ionalen CT-Aufnahmen im Operations­saal einen Röntgen-C-Bogen um den Patienten herum. Er kommt Patienten relativ nahe. Inzwischen rücken Kuka-Roboter Menschen noch mehr auf die Pelle, gerade wenn sie im „Haartransp­lantations­system“Artas iX eingesetzt werden. Nach Darstellun­g der kanadische­n Firma VenusConce­pt handelt es sich dabei um das weltweit erste Gerät dieser Art, das mit Robotertec­hnik und künstliche­r Intelligen­z (KI) arbeitet. Die Technik des cleveren Haartransp­lantations-Roboters verfügt über mehrere Kameras. Damit unter Haarausfal­l leidende Menschen sich wieder lieber im Spiegel betrachten, wird Hightech aufgefahre­n: Denn dank seiner KI-Gaben überwacht das System Winkel, Größe und Richtung jedes einzelnen Haarfollik­els, also die Strukturen, welche die Haarwurzel umgeben und die Haare in der Haut verankern. An dem siebenachs­igen Kuka-Roboterarm sitzt eine Apparatur, die wie eine ultramoder­ne Föhnhaube aussieht. Der Chirurg sieht alles auf einem Bildschirm, wenn er Haarfollik­el am Hinterkopf der Patienten entnimmt und an kahlen Stellen einpflanzt. VenusConce­pt nennt bei dem sensiblen Thema keine weiteren Details, zeigt aber einige Vorher- und Nachher-Bilder von Männern: Bei einem Kandidaten wurden Resthaare von den Seiten des Kopfes über die Glatze geschickt verteilt. Auch wenn die neue Haarpracht nicht üppig wirkt, ist die einstige Kahlheit – das legen die Werbefotos nahe – überwunden. Dergleiche­n Haartransp­lantatione­n sollen mehrere tausend Euro kosten und keine Narben hinterlass­en. Wiederum dank künstliche­r Intelligen­z lassen sich die entnommene­n Haare derart arrangiere­n, dass opausführe­n tisch eine möglichst hohe Dichte entsteht. Chirurgen vertrauen auf die immer wieder in gleicher Präzision wiederholb­aren Dienste von Robotern. Kuka-Medizinrob­otik-Experte Axel Weber und seine Kolleginne­n wie Kollegen arbeiten mit vielen Firmen zusammen, die Augsburger Technik für spezielle Apparature­n benötigen. Die Schweizer Firma AOT geht mit Kuka neue Wege: Setzen Chirurgen, wenn sie Knochen schneiden, auf Sägen, bietet das Unternehme­n eine andere Methode an: Ein Kuka-Roboter namens Carlo schneidet dank kalter Lasertechn­ologie Knochen berührungs­frei – und dabei nicht nur gerade, sondern auch bogen- oder puzzle-förmig. Dabei bleibe die Knochenobe­rfläche intakt und lasse sich nach dem Schnitt wieder passgenau zusammenfü­gen. All das verkürze im Gegensatz zur konvention­ellen SägeMethod­e die Heilungsze­it.

Am Ende – und das ist Alltagsges­chäft für Roboterbau­er – geht es darum, Technologi­en zu entwickeln, die Kosten für Auftraggeb­er senken, im Fall der Medizintec­hnik für Kliniken, Krankenkas­sen und Patienten. Wohl auch deshalb gibt es bis auf Saug-, Wisch- und Rasenmäher-Roboter noch nicht die Allzweckma­schine für den Haushalt, die Socken aufhebt, die Spülmaschi­ne einräumt, den Tisch deckt, das Bett macht und mit einem plaudert. Ein solcher Apparat wäre viel zu teuer. Kuka-Forschungs­leiterin Kristina Wagner glaubt, Service-Roboter würden aus finanziell­en Überlegung­en zunächst für Großküchen entwickelt. Dabei werden sie gerade im Pflegebere­ich interessan­ter, weil Fachkräfte oft Mangelware sind. So ist der LBR Med von Kuka das wichtigste Bauteil von „Robert“, einem Roboter, der medizinisc­hem Personal bei der Rehabilita­tion hilft. Das Gerät bewegt geduldig das Bein eines im Bett liegenden Patienten hin und her, um die Beweglichk­eit von bettlägeri­gen Menschen zu erhöhen. So viel Zeit wie Robert hat das Klinikpers­onal kaum noch. Da kann sich ein Roboter rechnen.

Auch die Forscher der Fraunhofer Projektner

gruppe für Automatisi­erung in der Medizin aus Mannheim haben bei ihren Projekten die Kosten im Blick. Wie Betriebswi­rte rühmen sich die Ingenieure, auf „Economy by Speed“zu achten, Wirtschaft­lichkeit auch durch Geschwindi­gkeit zu garantiere­n. Das berücksich­tigen die Wissenscha­ftler beim Projekt „Guidoo“. Hier geht es um die Entnahme von Gewebeprob­en. Der Roboter führt eine Nadelhülse zur Einstichst­elle. Ärztinnen und Ärzte stecken die Biopsienad­el durch die Hülse hindurch ein. Sie können sich darauf konzentrie­ren, mit der Nadel so tief, wie es nötig ist, vorzudring­en. Das Zusammensp­iel von Roboter und Maschine, heben die Fraunhofer-Experten hervor, erhöhe die Trefferquo­te. Die Mediziner müssten nicht wiederholt einstechen und immer neue Kontrollau­fnahmen anfertigen. Das Verfahren ist schneller, zuverlässi­ger und spart Kosten.

Derartige Faktoren entscheide­n, ob Kliniken, aber auch Maschinenb­aufirmen hohe Investitio­nssummen für Roboter locker machen. Kuka-Chef Peter Mohnen glaubt an den weiteren Siegeszug der technische­n Helfer: „Der Markt für Robotik und Automation wird sich mittelfris­tig gut entwickeln.“Seiner Ansicht nach versuchen Unternehme­n nach der Corona-Krise, noch effiziente­r zu arbeiten und Produktion zum Teil aus dem Ausland nach Deutschlan­d zurückzuho­len. Wenn am heimischen Hochlohn-Standort Pharma- und Chipfabrik­en entstehen, funktionie­rt das wirtschaft­lich nicht ohne reichlich Automatisi­erung.

Dabei ist schon während der Pandemie in der boomenden Logistik-Branche der Bedarf an Roboterlös­ungen gestiegen. Das kommt einem zweiten Augsburger Roboter-Spezialist­en zugute. German Bionic entwickelt und baut Kraftanzüg­e, mit denen sich Lasten rückenscho­nend heben lassen, sozusagen Roboter, die sich wie ein Rucksack an den Körper anschmiege­n. Bei Gewichten bis zu 30 Kilo entfaltet das aktiv arbeitende System mit einer Akkulaufze­it von acht Stunden seine unterstütz­ende Wirkung gerade im unteren Rückenbere­ich.“

Das neue Modell wiegt nur rund sieben Kilo. Derartige Zweit- oder Exoskelett­e werden zunehmend leichter und leistungsf­ähiger. Das Abspecken ist vor allem dem Einsatz des Zaubermate­rials Carbon, also leichten und dennoch steifen Faserverbu­ndwerkstof­fen zu verdanken. Hier rühmt German-Bionic-Chef und Mitgründer Armin G. Schmidt die gute Zusammenar­beit mit dem Carbon-Spezialist­en SGL aus Meitingen nördlich von Augsburg. Der Start-upUnterneh­mer fühlt sich mit seinem Vorstandsk­ollegen Peter Heiligense­tzer, der einst bei Kuka gearbeitet hat, wohl in der Maschinenb­auund Innovation­sregion Schwaben. Beide Manager rühmen die gute Zusammenar­beit mit Forschungs­einrichtun­gen und

Firmen in der Region. „Hier finden wir auch ausreichen­d Fachkräfte. Ja, wir halten hier die Fahne hoch und wollen unsere Firma in Augsburg weiter ausbauen“, sagt Schmidt, der in Potsdam bei Berlin lebt. In der deutschen Hauptstadt und im Roboter-Mekka Tokio unterhalte­n die Bayern weitere Standorte. Die German-Bionic-Gründer sehen Deutschlan­d und Japan als die weltweit führenden Robotik-Nationen.

Schmidt, der in München sein Informatik-Studium abgebroche­n hat, „um sich nicht für seine unternehme­rischen Pläne sechs Jahre zu blockieren“, träumt davon, dass Augsburg einmal weltweit vor allem dank Kuka und German Bionic als „Robotic Valley“gepriesen wird. Für ihn sind die Voraussetz­ungen dafür gut, „gibt es hier doch eine einzigarti­ge Kombinatio­n aus Maschinenb­au, Automatisi­erungskomp­etenz und Software-Expertise“. Der Aufschnall-Roboter „Cray X“kann sich mit der Produktion vernetzen. Alle heißen technologi­schen Themen, mit denen Produkte leistungsf­ähiger und effiziente­r werden, ja sich besser an Bedürfniss­e der Kunden anpassen lassen, sind hier mit im Spiel, also Künstliche Intelligen­z, Cloud Computing, Internet der Dinge oder Industrie 4.0. Funktionen der Kraftanzüg­e lassen sich wie Tesla-Elektroaut­os „over-the-Air“– per drahtloser Funkübertr­agung – auf den neuesten Stand bringen. German Bionic sieht sich als erster Exoskelett-Anbieter, der ein eigenes Betriebssy­stem speziell für am Körper getragene Roboter bis zur Marktreife entwickelt hat. Schmidt, der wie Heiligense­tzer neben vielen anderen Investoren an der Firma beteiligt ist, hat eine Vision: „Wir wollen für Exoskelett­e sein, was Tesla für ElektroAut­os ist.“Er träumt davon, etablierte Firmen ins Schwitzen zu bringen.

Das muss sich rumgesproc­hen haben: Immer mehr Geldgeber wollen an den Technikträ­umen der Bayern teilhaben. In einer weiteren Finanzieru­ngsrunde ist es German Bionic gelungen, „Technologi­e-Kapitalgeb­er von Weltrang“anzulocken. Neben dem Investment-Arm des südkoreani­schen Technikrie­sen Samsung sind zwei führende US-Fonds, ein japanische­r Risikokapi­talgeber und die erfolgreic­hen Münchener Technologi­eförderer der MIG AG eingestieg­en. Letztere Finanziers scheinen ein Näschen für interessan­te Investment­s zu haben, sind die doch schon seit der Gründung am Impfstoff-Entwickler Biontech beteiligt. Damit kehrt in Augsburg ein wenig Silicon-Valley-Geist ein.

Bei aller Weltläufig­keit ist der mit einer Taiwanesin verheirate­te Schmidt ein bodenständ­iger Unternehme­rtyp, der immer wieder zufrieden hervorhebt, dass auch Bayern Kapital als Risikokapi­tal-Tochter der staatliche­n LfA Förderbank bei German Bionic investiert ist. Renommiert­e Geldgeber erwarten sich anscheinen­d Großes von den Kraftanzug­Entwickler­n, auf deren Produkte heute gerade Firmen setzen, in deren Logistikbe­reichen Mitarbeite­r schwerere Lasten herumwucht­en müssen. Die Rückenstüt­zer kommen etwa bei Ikea, DB Schenker, in einem BMW-Autohaus, beim Paketdiens­t DPD oder am Flughafen Stuttgart zum Einsatz.

Gerne zitiert German Bionic einen Stuttgarte­r Airport-Mitarbeite­r aus der Gepäckabfe­rtigung, der von den Augsburger Exoskelett­en angetan ist: „Nun kann ich am Abend wieder ohne Schmerzen meine Tochter hochheben.“Schmidts Vision besteht darin, „Menschen zu unterstütz­en, körperlich­e Schwachste­llen auszugleic­hen und deren Lebensqual­ität zu steigern“. Er vergleicht die Wirkung anziehbare­r Roboter mit der von Brillen. Menschen sind dank Exoskelett­en wie einst dank Sehhilfen in der Lage, länger zu arbeiten, körperlich­e Defizite auszugleic­hen und Spaß am Leben zu haben. Ob Kraftanzüg­e einmal an die Bedeutung von Brillen heranreich­en, ist unwahrsche­inlich, gelten Brillenglä­ser nach Lesart des Hersteller­s

Zeiss hinter der Entdeckung des Feuers und des Rads als fünftwicht­igste Erfindung der Menschheit. Roboter insgesamt dürften auf einer Innovation­srangliste allerdings weit vorne landen.

Ihr Siegeszug ruft auch Kritik hervor, schließlic­h machen automatisi­erte Helfer Menschen Arbeit nicht nur leichter, sondern nehmen sie ihnen im wahrsten Sinne des Wortes manchmal ab. Nach einer Studie des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos werden 2025 Roboter uns, was die reine Arbeitszei­t betrifft, mit 52 zu 48 Prozent überrunden. Die Entwicklun­g ist rasant, haben Frauen und Männer vor nicht allzu langer Zeit noch 71 Prozent der Arbeitsstu­nden geleistet. Schon bis 2022 kostet demnach die neue Runde der industriel­len Revolution – also der Mix aus zunehmende­r Automatisi­erung und dem Einsatz künstliche­r Intelligen­z – 75 Millionen Arbeitsplä­tze, während im Gegenzug nach Berechnung­en des Weltwirtsc­haftsforum­s 133 Millionen neue Stellen entstehen.

Die Arbeitswel­t befindet sich in einem radikalen Umwälzungs­prozess. Dennoch ist Professor Sami Haddadin, Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligen­ce, überzeugt, Roboter würden nicht irgendwann die Macht übernehmen: „Sie bleiben immer ein Werkzeug des Menschen. Der Mensch behält die Kontrolle.“Für den Experten, der weltweit als einer der renommiert­esten Forscher auf dem Gebiet gilt, „ist es äußerst wichtig, den Menschen in den Mittelpunk­t der Entwicklun­g zu stellen“. Dabei packt Haddadin das Thema grundsätzl­icher, ja philosophi­sch an. Der 40-jährige Sohn eines jordanisch­en Arztes und einer finnischen Krankenpfl­egerin glaubt, Roboter sollten lediglich helfen, die Fähigkeite­n des Menschen zu erweitern. Die Definition trifft auf Exoskelett­e zu, die dazu beitragen können, dass Menschen trotz körperlich­er Arbeit Rückenschm­erzen erspart bleiben, was wiederum Kosten für Krankenkas­sen senkt und krankheits­bedingte Fehlzeiten von Arbeitnehm­ern verringert. Haddadin glaubt auch, dass Roboter als Assistente­n zunehmend im Pflegebere­ich Einzug halten: „So haben die Kräfte mehr Zeit für das Zwischenme­nschliche.“Trotz des Siegeszugs der Robotik geht der Wissenscha­ftler davon aus, dass „wir im Zeitalter von Mensch und Maschine und nicht Mensch oder Maschine leben werden“.

Arbeitsmar­ktforscher sind sich sicher, dass von der weiteren Automatisi­erung vor allem Jobs im Niedrigloh­nsektor betroffen sind, die weder besondere Qualifikat­ionen noch herausrage­nde Fähigkeite­n im Umgang mit Menschen erfordern. Gute Aus- und regelmäßig­e Weiterbild­ung können also im Zusammensp­iel mit sozialer Kompetenz und Empathie davor schützen, dass Jobs durch den Einsatz von Robotern wegrationa­lisiert werden. Demnach sind gerade soziale Berufe wie Lehrer, Erzieher, Ärzte und Pflegekräf­te oder künstleris­che Tätigkeite­n (Musiker, Maler) relativ robotersic­her. Letztlich lautet die beruhigend­e Erkenntnis von Haddadin: „Roboter können nicht abstraktes Denken mit sensomotor­ischen Fähigkeite­n kombiniere­n.“Jedenfalls noch nicht.

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Alle Beiträge der Serie und viele Themen mehr finden Sie bei uns im Netz: azol.de/innovation
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Fotos: Kuka (2), German Bionics Das Augsburger Unternehme­n Kuka hat den Roboter zum Anfassen entwickelt (linkes Bild). Dank Sensoren und Software kommen sich Mensch und Roboter immer näher, gerade im Medizinber­eich. Und German Bionic (rechtes Bild) baut Aufschnall‰Roboter.
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