Das Musizieren hat sich verändert
Die Pandemie hat Volksmusik und Volkstanz in Schwaben schwer beeinträchtigt. Jetzt hofft der Bezirk auf einen Neustart der Kultur. Die Verunsicherung ist nach wie vor groß
Augsburg Eine Blockflöte statt der Querflöte – schon sitzt das Volksmusikensemble entspannter zusammen, weil nicht gar so viel Abstand zu wahren ist. In Pandemiezeiten ist Improvisation gefragt und dem Leiter der Beratungsstelle für Volksmusik im Bezirk Schwaben, Christoph Lambertz, fällt auch immer etwas ein. Er hat sich damit abgefunden, dass seine Planungen von der aktuellen Lage kurzfristig durchkreuzt werden können. Er versucht eben, bei seinen Veranstaltungen für Instrumentalisten und Sänger das Beste daraus zu machen.
Das Kulturjahr 2021 in Schwaben wird nicht total ausfallen. Das zeigte am Mittwoch eine Pressekonferenz. Bezirkstagspräsident Martin Sailer sprach von einem Lichtblick: „Mir geben die vielen schönen Programmpunkte unserer Kulturpflege für das zweite Halbjahr Hoffnung.“Auch in der Pandemie habe der Bezirk die Kultur nie im Stich gelassen und alle Zuschüsse ausbezahlt, ob die Veranstaltungen nun stattfinden konnten oder nicht. Künftig werde man Veranstaltungsformen weiterentwickeln müssen und auch digitale Zugänge eröffnen. „Der Kern aber bleibt das Zusammenkommen vor Ort“, versicherte Sailer.
Ganz ohne Verluste wird es aber nicht abgehen. Lambertz kennt Musikvereine, wo einzelne Trachten am Nagel hängen, weil Mitglieder wegen Corona ausgestiegen sind. Kleinere, oft betagte Ensembles haben sich teilweise ganz aufgelöst. „Das waren keine berühmten Gruppen, aber auch sie bereicherten am Ort das kulturelle Leben“, bedauert Lambertz. „Wir werden sehen, wer überhaupt wieder kommt“, sagt er. Große Verunsicherung habe sich unter den Aktiven verbreitet; noch geht die Angst um, bei den gemeinsamen Proben angesteckt zu werden. „Das muss man erst wieder in den Kopf bringen, ganz unbefangen wie vor Corona zu musizieren.“
Vor allem das gemeinsame Singen ist in Verruf geraten, ein Superspreader für Covid-Viren zu sein. „Natürlich atmen Sänger intensiver, aber in unseren Chören schmettern doch keine Opernsänger ihre Arien“, wiegelt Lambertz ab. Dennoch habe er monatelang mit Sängern ausschließlich im Freien geübt. Im September leitete er zuletzt den Chortag in Wettenhausen in einem großen Saal bei geöffneten Fenstern.
Lambertz hat den Eindruck, dass die Einschränkungen im zweiten Corona-Herbst eher strenger gehandhabt werden. Selbst im Kurs für die Singende Säge muss ständig die Maske getragen werden. Was wird im Herbst für Volksmusik möglich sein? „Wir sind noch am Rätseln“, sagt Lambertz. „Wir planen jetzt nur für zwei Monate voraus, sonst für zwei Jahre.“Denn für Musikantenkurse mit 100 Teilnehmern wollen die Bildungshäuser rechtzeitig belegt werden. „Im Moment gibt keiner seinen Termin zurück“, weiß der Volksmusikberater. Stressiger sei das Planen unter jetzigen Bedingungen, „aber es macht uns teilweise auch etwas freier“.
Evi Heigl, beim Bezirk für den Volkstanz zuständig, packt jede Gelegenheit beim Schopf, die sich bietet. In Zusammenarbeit mit der Stadt Augsburg kann sie den beliebten Bavarian Line-Dance am 24./25.
Juli für bis zu 200 Teilnehmer auf dem Elias-Holl-Platz direkt unter dem Rathaus anbieten. Abstand zu halten sei dabei kein Problem und jeder tanzt für sich. Ganz easy sei so ein Line-Dance eigentlich zu organisieren: „Du bestellst einen Tanzmeister und die Musik und lädst die Leute ein.“Doch unter der Aufsicht des Ordnungsamtes sei ein Riesenaufwand mit dem Hygienekonzept zu betreiben. „Aber besser so wie gar nicht“, seufzt Evi Heigl.
Die Freunde des Volkstanzes seien sofort zur Stelle. „Sie freuen sich, dass sie wieder zusammenkommen und sich bewegen dürfen.“Die Reihe Bayerisch Tanzen im Augsburger „Rheingold“erwies sich als Renner. Heigl hat einen Verteiler von 300 Fans. Auf ihr eigenes Lieblingsprojekt, den bayerisch-irischen Tanzabend, müssen sie aber noch warten.
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